Süddeutsche Zeitung

Fifa-Präsident Gianni Infantino:Einstellung mit Zündstoff

Lesezeit: 3 min

Zwei Sonderermittler der Schweizer Justiz beenden ein Verfahren gegen Fifa-Boss Gianni Infantino rund um einen teuren Privatjet-Flug. Doch mit ihrer Begründung befeuern sie die Affäre weiter.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Die juristischen Kapriolen um den Präsidenten des Fußball-Weltverbandes Fifa, Gianni Infantino, gehen in die nächste Runde. Zwar teilten die beiden eingesetzten Sonderermittler der Schweizer Bundesanwaltschaft am Donnerstag mit, dass sie die Ermittlungen rund um einen teuren Privatjet-Flug aus dem April 2017 vor Kurzem eingestellt haben. Damit ist der Ärger für den Fifa-Boss aber nicht vorbei - im Gegenteil.

Zum einen, betonte Sonderstaatsanwalt Hans Maurer auf Nachfrage der SZ, sei dies "nur ein Neben-Ast" gewesen, die Ermittlungen im Hauptverfahren (Infantinos Geheimtreffen mit dem früheren Bundesanwalt Michael Lauber) dauerten weiter an. Und zum anderen liefert die Begründung, mit der die Sonderermittler das Flug-Verfahren einstellen, neuen Zündstoff.

Denn demnach war der Anlass für den Jet-Flug ein Gespräch mit dem griechischen Juristen und früheren Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs Vasilios Skouris, der kurz darauf zum Ethik-Chef der Fifa gekürt wurde. Das weicht völlig ab von Infantinos ursprünglicher Begründung für den Flug gegenüber dem Compliance-Chef der Fifa. Und dass sein Gesprächspartner just der künftige Ethik-Boss war, macht es umso heikler, dass Infantino seinen wahren Reisegrund damals nicht nannte.

In der Begründung für den Flug wurde ein Treffen mit dem Uefa-Boss angeführt - das nicht stattfand

Kern der Strafermittlung war ein Flug Infantinos im April 2017. Damals wollte der Fifa-Boss nach einer Dienstreise von Surinam aus per Linienflug nach Genf zurückkehren. Aber die Maschine hatte große Verspätung - und Infantinos vierköpfige Fifa-Reisegruppe ließ einen Privatjet ordern. Wegen der hohen Kosten für solche Flüge (laut Maurer 129 300 Dollar) forderte der Compliance-Chef Infantino auf, die Notwendigkeit zu begründen. Tage nach der Reise trug der Assistent des Fifa-Bosses per Mail an den Compliance-Chef als dringlichen Reisegrund vor: Es sei erst in Nyon ein Treffen mit dem Uefa-Präsidenten Aleksander Čeferin und danach ein weiteres Gespräch in Genf geplant gewesen.

Erstaunlich: Zu dem Zeitpunkt, schon Tage nach den angeblichen Treffen, war völlig klar, dass es das Meeting mit Čeferin nie gab. Und mehr: Es konnte, nach allen Regeln der Vernunft, auch nicht geplant gewesen sein. Denn der Uefa-Chef weilte an jenem und am folgenden Tag zu einem lange vorbereiteten Aufenthalt in Armenien. Diesen wesentlichen, ihnen bekannten Sachverhalt haben die Sonderermittler gar nicht überprüft. Ihnen genügte, dass nun eben Skouris der mysteriöse Gesprächspartner Infantinos gewesen sein soll. "Der Beschuldigte vermochte nachvollziehbar und jedenfalls unwiderlegbar darzutun, (...) dass es ihm mit diesem Privatjet-Flug darum ging, einen anfangs April 2017 mit Skouris in Genève vereinbarten und wichtigen Gesprächstermin wahrnehmen zu können", teilen sie mit.

Die Sonderermittler versuchen, den ganzen Ablauf als korrekt darzustellen. Der Flug und damit die Kosten stünden im Einklang mit den Richtlinien der Fifa; die fragwürdige Aussage über ein Čeferin-Treffen - gegenüber dem eigenen Compliance-Chef - sei gar nicht relevant. Und: Infantino habe dieses Gespräch mit Skouris ja auch im Interesse seines Gesprächspartners "vertraulich behandelt wissen" wollen.

Erstaunlich ist auch, dass das Schweizer Duo sein Verfahren ausgerechnet jetzt beendet: Kommende Woche lässt sich Infantino in Kigali als Präsident wiederwählen. Nur Zufall, dass die Sache vorher abgeräumt wird? Überdies liegt seit Kurzem ein neuer Fall vor, in dem es ebenfalls um falsche Angaben rund um einen Infantino-Flug geht: ein Trip nach New York im Oktober 2015. Der Versuch, die Surinam-Affäre einfach abzuwettern, könnte noch nach hinten losgehen.

Just als Infantino unter Beobachtung der alten Ethiker stand, traf er sich mit einem neuen Kandidaten

Auch aus Compliance-Sicht ist die Frage, ob Infantino damals Skouris überhaupt zum Gespräch empfangen durfte, als Kandidat für ein angeblich "unabhängiges" Ethik-Spitzenamt - und das insbesondere unter so geheimen Umständen. Kurz davor hatten die amtierenden Fifa-Chefethiker um den Deutschen Hans-Joachim Eckert und den Schweizer Cornel Borbely ein Verfahren gegen ihn geführt. Klar war, dass Infantino unter Beobachtung stand, ein neues Dossier war angelegt. In der Situation traf Infantino diskret einen Mann, der gleich darauf beim Fifa-Kongress in Bahrain zum neuen, fürstlich besoldeten Chefethiker aufstieg - während Eckert/Borbely damals erst bei der Landung am Kongressort aus ihren Mails erfuhren, dass sie abgesetzt werden. Fortan ließ Skouris den Fifa-Boss trotz fortwährender Skandale gut erkennbar in Ruhe.

Doch die Sonderermittler tun so, als seien die delikaten Abweichungen zwischen Infantinos Angaben bei der Compliance und dem wahren Sachverhalt irrelevant. Auf SZ-Anfrage, ob der Vorgang rechtfertige, die eigene Compliance anzulügen, verteidigt Maurer die schmale Sichtweise: "Wir mussten nur prüfen, ob die durch den Flug zulasten der Fifa verursachten Kosten unter strafrechtlichen Gesichtspunkten korrekt waren."

So eine Betrachtung bedeutet jedoch, dass es keine Compliance-Abteilung mehr braucht, wenn man dort sogar falsche Angaben über angeblich geplante, leider geplatzte Treffen abgeben könnte. Auch haben die Ermittler den Vortrag, dass Skouris damals in Genf war, nicht über Flug- und Hotelbelege, sondern nur "mittels Zeugeneinvernahme überprüft".

Als der Flug im Jahr 2020 bekannt wurde, kamen selbst die Fifa-Ethiker nicht umhin, darauf einzugehen. Bald war die Sache erledigt: "nach Prüfung der relevanten Unterlagen und Beweise". Jetzt steht fest, dass der relevante Beweis ein Treffen mit dem Ethik-Chef war - was das Verdikt entwertet. Es bräuchte jetzt unabhängige Ethiker, die es in der Fifa nicht gibt. Oder eine echte Justiz.

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