Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM 2006:DFB-Affäre: Die Spur führt zu Franz Beckenbauer

Lesezeit: 3 min

Von Johannes Aumüller, Thomas Kistner und Martin Schneider

Im Kontext der Fußballweltmeisterschaft 2006 ist es offenbar zu Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe gekommen. Dieser Verdacht wird durch den Bericht der Kanzlei Freshfields (Link zum Download) erhärtet, der am Freitag in Frankfurt vorgestellt wurde. Laut des Berichtes ist eine dubiose Zahlung von zehn Millionen Schweizer Franken offenbar letztendlich nach Katar gewandert. Der Kern der Affäre dreht sich um einen ungeklärten Betrag von 6,7 Millionen Euro, den der DFB 2005 getarnt als Beitrag zum Fifa-Kulturprogamm an den ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zurückzahlte.

Nach dem Bericht sieht der Fluss des Geldes so aus: Dreyfus eröffnete im August 2002 ein Konto bei der Bank BNP Paribas und überwies zehn Millionen Schweizer Franken an ein Konto einer Anwaltskanzlei im Schweizer Kanton Obwalden. Das Konto von Dreyfus war daraufhin zehn Millionen Franken im Minus.

"Erwerb von TV und Marketing Rechten Asien Spiele 2006"

Auf das gleiche Anwaltskonto ging zwischen dem 29. Mai und dem 8. Juli 2002 in vier Tranchen insgesamt ein Betrag von sechs Millionen Franken von einem Konto ein, als dessen Inhaber offenbar alternativ Franz Beckenbauer oder dessen langjähriger Manager Robert Schwan eingetragen waren. Sämtliche Tranchen waren mit dem Verwendungszweck "Erwerb von TV und Marketing Rechten Asien Spiele 2006" gekennzeichnet. Die Kanzlei überwies diese sechs Millionen Franken weiter nach Katar.

Nachdem die zehn Millionen Franken (damals umgerechnet 6,7 Millionen Euro) von Dreyfus auf dem Konto eingegangen waren, überwies die Kanzlei weitere vier Millionen nach Katar und sechs Millionen wieder zurück auf das Konto von Beckenbauer. Robert Schwan war zwischenzeitlich verstorben. Warum Franz Beckenbauer diese Kette ausgelöst hat? Unklar. Die Informationen zu diesen Zahlungen erhielt Freshfields von Franz Beckenbauer und seinem Anwalt.

In Katar wanderte das Geld auf ein Konto der KEMCO Scaffolding Co. Alleiniger Anteilseigner der KEMCO Group war seit 1985 Mohammed bin Hammam. Diese Firma wurde von der Fifa-Ethikkommission als Schmiergeldfirma identifiziert. Bin Hammam selbst wurde von der Kommission wegen Korruption lebenslang gesperrt. Was die Firma mit den zehn Millionen gemacht hat, ist unklar. Bin Hammam hat gegenüber Freshfields bestritten, das Geld erhalten zu haben. Er kündigte aber an, für Fragen in Katar zur Verfügung zu stehen.

Die Rückzahlung erfolgte dann im April 2005. Der DFB überwies die 6,7 Millionen - getarnt als Beitrag zum Kulturprogramm - wieder an die Fifa und die glich damit das immer noch im Soll stehende Konto von Louis-Dreyfus bei der BNP Paribas aus. Laut Erkenntnissen von Freshfields soll Sepp Blatter persönlich von diesem Deal gewusst haben.

Was machte Beckenbauer?

Diese Vorgänge werfen weitere Fragen auf. Vor allem: Warum startete das Duo Beckenbauer/Schwan diesen Geldfluss? Und was ist mit den zehn Millionen in Katar passiert? Auf jeden Fall widersprechen die Erkenntnisse den Aussagen von Franz Beckenbauer, er habe nie mit seinem eigenen Vermögen haften wollen.

Weiter unbewiesen bleibt, ob von der Zahlung nun Stimmen für die WM 2006 direkt gekauft wurden. Ob die vier asiatischen Vertreter für Deutschland stimmten? Es gibt bisher nur Aussagen von Zeugen, die das behaupten. Freshfields schreibt, dass im Februar 2000 Bin Hammam gegenüber Horst R. Schmidt, dem ehemaligen DFB-Generalsekretär und Schatzmeister, gesagt habe, dass der DFB mit drei der vier asiatischen Stimmen rechnen könne. "Diese Einschätzung wurde auch in einer Sitzung des DFB-Präsidiums am 18. Februar 2000 thematisiert", heißt es in dem Bericht.

Ebenfalls mysteriös bleibt ein Vertrag, der wenige Tage vor der WM-Vergabe aufgesetzt wurde. Laut diesem Vertrag sollte der ehemalige Fifa-Funktionär Jack Warner erhebliche Leistungen erhalten. Die DFB-Interimspräsidenten Rainer Koch und Reinhard Ruball nannten ihn einen "Bestechungsversuch". Nach Erkenntnissen von Freshfields trat der Vertrag nie in Kraft, jedoch sollen einzelne Leistungen trotzdem erbracht worden sein.

Wolfgang Niersbach wusste laut dem Bericht spätestens seit Juni 2015 von Unregelmäßigkeiten im Zuge der WM-Vergabe. Er soll es jedoch abgelehnt haben, offizielle Gremien mit einzubeziehen. Stattdessen beauftragte er eine Mitarbeiterin mit Recherchen, die eine Hilfe des DFB-Archivs ablehnte. Sie entlieh am 22. Juni 2015 den Ordner "FIFA 2000", der im Laufe der Untersuchung nicht mehr zu finden war. Die Mitarbeiterin von Wolfgang Niersbach bestritt bei der Befragung durch Freshfields, dass sie Akten vernichtet hätte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2892439
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/schm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.