Süddeutsche Zeitung

Fußball in England:Wie Liverpool das "Klopp-Final" herbeisehnt

Lesezeit: 3 min

Von Jonas Beckenkamp

Die T-Shirt-Verkäufer in der Liverpooler Innenstadt waren unter der Woche nicht zu beneiden, schließlich wehte ihnen aus der Irischen See ein bitterkalter Wind ins Gesicht. Aber die Briten sind ja hart im Nehmen, und so boten die Männer an ihren Ständen tapfer ihre Ware an. Sie hatten rote Leibchen im Sortiment, auf denen der Spruch "We're going to the Klopp Final" aufgedruckt war.

Das Wortspiel bezog sich nicht etwa auf die Europa-League-Partie gegen Augsburg (1:0), sondern auf jenes Duell, das auf der Insel ohnehin alle viel wichtiger finden: Das Endspiel des League Cups am Sonntag (17 Uhr) gegen ManCity.

Der Trip nach Wembley ist in dieser Saison der kürzeste Weg zu einem Titel für die "Reds", das weiß auch Jürgen Klopp. Er könnte als erster deutscher Trainer im englischen Profifußball eine Trophäe gewinnen. Dass der Ligapokal neben der Meisterschaft und dem FA Cup in Wahrheit nur der drittwichtigste Wettstreit in England ist, tut der Erwartungshaltung keinen Abbruch.

Liverpool will diesen Pokal, auch wenn er auf der Insel oftmals als "Mickey Mouse Cup" verschmäht wird. Sportlich würde ein Triumph zudem einen netten Nebeneffekt mit sich bringen: Der Sieger qualifiziert sich direkt für die Europa League der kommenden Saison.

Klopp ist längst zum Pragmatiker geworden

Von den europäischen Plätzen ist der FC Liverpool in der Premier League als Tabellenachter derzeit ein ganzes Stück entfernt. Klopp war deshalb froh, dass sich sein Team am Donnerstag gegen Augsburg nicht ablenken ließ von der großen Aufgabe am Wochenende.

Nach dem Bibber-Sieg gegen den Außenseiter aus Germany gab er sich erleichtert: "Es fühlt sich tausend Mal besser an, so in dieses Finale zu gehen, als wenn wir gegen Augsburg einen mitgekriegt hätten." Der Coach musste zwar ein weiteres Mal miterleben, wie sein Team in strukturarmen Bolzplatzfußball verfiel, aber Klopp ist in Sachen Spielkultur längst zum Pragmatiker geworden.

"Wir nehmen eine Menge Selbstvertrauen mit aus dem Europapokal, aber wir wissen natürlich: City hat zuletzt auch ein tolles Spiel gemacht in Kiew." Das 3:1 der Citizens in der Champions League hat die Öffentlichkeit in England wohlwollend verfolgt. Nicht wenige halten City international für den konkurrenzfähigsten Contender aus dem Königreich. Ironischerweise hatten Klopps Liverpooler ausgerechnet beim Ligaspiel in Manchester ihren glanzvollsten Saison-Auftritt - ein 4:1 lieferte damals die Blaupause dafür, wie der Klopp-Fußball eigentlich aussehen sollte: Rasantes Umschaltspiel, unerbittliches Pressing, stählerne Physis.

Klopp freut sich: "Das Los ist großartig"

Doch die Feinjustierung seiner Spielidee musste Klopp seither vertagen. Zu wackelig präsentierte sich seine von Ausfällen gezeichnete Elf, zu unkonstant waren die Leistungen. Eine massive Steigerung sei dringend nötig, forderten am Freitag gleich mehrere Zeitungen. Klopps wichtigste Aufgabe besteht in diesen Wochen darin, seine Männer punktuell auf die verschiedenen Herausforderungen einzustellen.

Erst Augsburg, dann City und schließlich steht Mitte März das europäische Achtelfinale gegen Louis van Gaals kriselndes ManUnited an. Klopp hatte sich den Rivalen aus der Nachbarstadt ausdrücklich als Gegner gewünscht, er mag die großen Kontrahenten und meinte voller Frühlingslaune: "Das Los ist großartig, wirklich."

Zuletzt gegen Augsburg haperte es vor allem beim Verwerten der vielen Möglichkeiten - eine Tatsache, die der Trainer mit gewohnter Ironie hinnahm: "Wir haben uns noch Tore fürs League-Cup-Finale aufgehoben, von daher war es doch eine gute Vorbereitung."

Seine Spieler bemühten sich unter der Woche um Understatement, doch eine gewisse Aufregung vor dem großen Nachmittag in Wembley war durchaus zu spüren. Nationalspieler Emre Can erklärte etwa: "Jeder Fußballer träumt davon, ein Finale in Wembley zu spielen. Wir werden alles dafür tun, als Sieger vom Platz zu gehen." Was man so sagt, wenn die Fußspitzen schon kribbeln.

Steven Gerrard schwärmt

Ein anderer, ehemaliger Liverpool-Held wandte sich derweil in einer Kolumne im Daily Telegraph an die Fangemeinde der "Reds". Steven Gerrard, der in der Weihnachtszeit noch spaßeshalber bei den Ex-Kollegen mittrainiert hatte, outete sich als großer Klopp-Fan. In seinem Appell schrieb er: "Ich glaube, Klopp macht den Unterschied, mit ihm kann Liverpool wieder Erfolge in Serie feiern. Er hat eine gewaltige Präsenz. Eine Aura, die ich bei meinen Trainingsvisiten kennenlernen durfte."

Außerdem wies Gerrard noch auf eine Qualität des Deutschen hin, die Beobachter der Bundesliga bestens kennen: "Seine Integrität und Ehrlichkeit inspiriert die Spieler, sie vertrauen ihm. Und er ist in der Lage, den Druck von ihnen zu nehmen." Ob Klopps Lockerheit und seine "Heavy-Metal-Ansprachen" allein die spielerischen Defizite der Liverpooler aufwiegen, ist indes fraglich. Vielmehr steht zu befürchten, dass am Ende in Wembley ein paar T-Shirtträger mit Klopp-Konterfei bedröppelt aus der Wäsche schauen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2881587
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.