Süddeutsche Zeitung

Schweden bei der Fußball-EM:Bronze, Silber, Gold?

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Kaum ein Team schneidet bei großen Turnieren so konstant gut ab wie Schweden, bei der EM fordert die erfahrene Auswahl nun England. Im Viertelfinale gegen Belgien tun sich die Skandinavierinnen schwer - was vor allem an einer Torhüterin liegt.

Von Anna Dreher, London

Insgesamt 34 Mal haben die Schwedinnen an diesem verregneten Donnerstagabend versucht, ein Tor zu schießen. Acht Versuche gingen aufs Ziel. Und mit jedem Schuss, den sie in diesem Viertelfinale der Europameisterschaft wieder nicht hineinbrachten, wirkten sie verzweifelter. Das konnte doch nicht sein! Als Gruppenerste vor den Niederlanden, der Schweiz und Portugal hatten sich die Schwedinnen für die K.o.-Runde qualifiziert und mit Belgien den vermeintlich leichtesten Gegner erwischt. Aber ihnen stand eben nicht allein ihre eigene fehlende Präzision im Weg, sondern vor allem Belgiens Torhüterin Nicky Evrard.

Die 27-Jährige - die neben dem Fußball im Zweitjob Hüpfburgen vermietet - hatte entscheidenden Anteil daran gehabt, dass es Belgien so weit wie noch nie bei einer EM geschafft hatte. Nun verhinderte sie beharrlich die Führung des Favoriten, in der 25. Minute half ihr bei einem Treffer von Stina Blackstenius zudem ein umstrittenes Abseits. Dann, nach 92 langen, zähen Minuten, als alle schon mit einer Verlängerung rechneten, war es doch so weit. Einen der 34 Schüsse brachten die Schwedinnen an Evrard vorbei. Nach einer Ecke von Kosovare Asllani versuchte es erst Nathalie Björn, Evrard wehrte mit dem Fuß ab. Direkt auf Linda Sembrant, die aus kurzer Distanz mit dem 1:0 den Halbfinaleinzug brachte.

Damit steht Schweden zum neunten Mal unter den besten vier Teams bei einer EM, nur Deutschland qualifizierte sich häufiger, nämlich zehn Mal. Und Schwedens Trainer Peter Gerhardsson konnte sich beglückwünschen für seine Entscheidung: Nach den Corona-Infektionen von Hanna Glas und Jonna Andersson setzte er auf Amanda Nilden - und Sembrant, die nun mit 35 Jahren und 68 Tagen älteste EM-Torschützin ihrer Heimat ist. "Es ist schwer zu beschreiben, was ich nach dem Tor gefühlt habe", sagte Sembrant nach der Partie vor 7500 Zuschauern im Stadion Wigan & Leigh: "Es ist einfach unglaublich."

1984 gewannen die Schwedinnen zum einzigen Mal den EM-Titel

Die Achse des Teams aus Torhüterin Hedvig Lindahl, Magdalena Eriksson, Rekordnationalspielerin Caroline Seger und Asllani steht schon lange gemeinsam auf dem Platz: Der Kader ist stark besetzt, gut eingespielt, erfahren. Mehr als zehn Spielerinnen sind dabei, die jeweils mehr als 120 Einsätze vorweisen können. Beim letzten großen Turnier, den Olympischen Spielen 2021, erreichte Schweden das Finale in nahezu derselben Besetzung wie jetzt - was die Erwartungen auf einen Erfolg in England genährt hat.

Erst im Elfmeterschießen musste sich das Team 2021 gegen Kanada geschlagen geben. Bei Olympia 2016 gab es ebenfalls Silber. Zwischendrin, bei der Weltmeisterschaft 2019, verlor Schweden das Halbfinale gegen die Niederlande 0:1 erst in der Verlängerung - um sich dann im Spiel um Platz drei gegen England 2:1 durchzusetzen. Nun kommt es also zur Wiederauflage dieser Begegnung, am Dienstagabend in Sheffield (21 Uhr, ARD) und der Hoffnung, es nach 1984 - als Schweden erst- und letztmals den Titel holte - sowie 1987, 1995 und 2001 wieder ins Finale zu schaffen.

"Ich hatte gehofft, gegen Spanien anzutreten und von ihrem Fußball herausgefordert zu werden, das hätte Spaß gemacht", sagte Gerhardsson, was er aber lediglich so verstanden haben wollte, dass sein Team England bereits kenne: "England haben wir besser im Griff, aber es ist kein leichterer Gegner als Spanien." Die Herausforderung dürfte gegen die Gastgeberinnen von der Insel sogar größer sein, nicht nur wegen des Heimvorteils, sondern auch aufgrund ihres dynamischen, schnellen Spielstils.

Obwohl sich sein Team gegen Belgien so schwer getan hatte, sagte Gerhardsson: "Es wird ein interessantes Spiel. Ich denke, wir sind sehr schwer zu schlagen." Seit der 62-Jährige den Posten 2017 übernommen hat, haben die Schwedinnen jedes Mal eine Medaille geholt. Bronze 2019, Silber 2021. Folgt nun Gold 2022? Dazu müsste gegen die so selbstbewussten und bisher überzeugenden Engländerinnen eine deutliche Steigerung her. "Wir müssen einen guten Plan haben, um gegen England anzutreten", sagte Gerhardsson noch, "einen extrem guten Plan".

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