Süddeutsche Zeitung

Formel 1: Ferrari:20.000 Kilometer Umweg

Lesezeit: 2 min

Das stolze Ferrari-Team hat einen Fehlstart in die Formel-1-Saison hingelegt, die Verantwortlichen mussten zum Rapport. In China sollen viele neue Teile die Wende bringen.

Elmar Brümmer, Shanghai

Vier-Sieben-Sechs-Fünf. Gemessen am eigenen Anspruch ist das Abschneiden von Fernando Alonso und Felipe Massa in den bisherigen beiden Rennen der Formel-1-Saison höchstens Mittelmaß. Kein Podestplatz! Das schmerzt. Wenn der Ferrari doch wenigstens eine Zicke wäre, dann ließe sich in Italien vortrefflich über la macchina debattieren. Aber die Lage ist schlimmer.

Technikchef Aldo Costa sagt: "Wir wissen, dass wir zu langsam sind, aber wir wissen nicht warum." Ratlosigkeit. In dem High-Tech-Sport ist das eine besonders bittere Niederlage.

Der letzte Fehlstart der italienischen Motorsport-Nationalmannschaft datiert aus dem Jahr 2009. Damals gab es zu Saisonbeginn drei Nullnummern. Anschließend versammelte Firmen-Präsident Luca di Montezemolo seine gestione sportiva auf dem Firmengelände in Maranello in einer Massenumkleide und warf ihr eine Mönchskutte vor die Füße: Man möge Demut zeigen! Und das schnell!

Diesmal startete der Chef-Ferrarista eine Rückrufaktion. Statt direkt von Malaysia weiter nach Shanghai zu fliegen, wo an diesem Wochenende der China-Gand-Prix stattfindet, mussten Teamchef Stefano Domenicali, Technikchef Aldo Costa und Technik-Direktor Pat Fry 20000 Kilometer Umweg machen und daheim zum Rapport antreten.

Die Lage ist angespannt in der Scuderia, seit Sebastian Vettel im Saisonfinale 2010 Fernando Alonso den schon sicher geglaubten Titel doch noch wegschnappte, mit freundlicher Unterstützung durch eine missratene Ferrari-Strategie. Das hätte Teamchef Domenicali den Job kosten können, als Sündenbock strafversetzt aber wurde der australische Chef-ingenieur Chris Dyer.

Das Auto, das in diesem Jahr wieder alles geraderücken sollte, heißt F 150 - so getauft, um Italiens 150. Geburtstag zu feiern. Auf Symbolik haben sie sich immer schon verstanden in Maranello, aber die Nummer mit der Nummer ging von Anfang an schief. Der Ford-Konzern machte ein Patent auf die Typenbezeichnung geltend. Jetzt heißt der Ferrari 150°Italia. Zuverlässig war er von der ersten Testfahrt an.

Nur: Er ist nicht richtig schnell, was sich vor beim Sprint über wenige Runden in der Qualifikation auswirkt. "Das Auto hat nicht das gebracht, was die Simulations-Daten versprochen haben. Bevor wir nicht die Gründe dafür kennen, macht es keinen Sinn in blinden Aktionismus zu verfallen", sagt Technikchef Aldo Costa.

Um annähernd in die Regionen von Branchenführer Red Bull zu kommen, fehlt pro Runde etwa eine Sekunde. Wie viel davon in Shanghai aufgeholt werden kann, hängt auch davon ab, wie viele rote Kisten auf dem Flughafen Pudong ankommen. Ein ganzes Bündel an Weiterentwicklungen, die eigentlich erst für das Rennen Anfang Mai in Istanbul geplant waren, sollen vorgezogen werden.

"Wir müssen pushen, um die Aero- dynamik zu verbessern, denn die Aero- dynamik ist der Schlüssel zu allem", sagt Teamchef Domenicali. Im vergangenen jahr wurde der Windkanal umgestellt. Seitdem werden dort nicht mehr 50-Prozent-Modelle umströmt sondern 60-Prozent-Nachbildungen. Vielleicht liegt darin das Problem.

Die Panik ist groß, aber die Rennabteilung ist es auch, trotz aller freiwilliger Kostenbeschränkungen. Ferrari soll das erste Team sein, das den biegsamen Wunder-Frontflügel von Red Bull als Kopie auf die Piste bringt - mit dem Mut der Verzweiflung. In so kurzer Zeit eine so radikale Wende zu schaffen ist ein ambitioniertes Projekt. Dafür wird sogar das Freitagstraining zur Testfahrt umfunktioniert.

Die Überlegenheit von Red Bull sorgt für die große Angst vor einem Alleingang von Sebastian Vettel. Deshalb verlangt Domenicali: "Wir müssen jetzt schnell kontern. Schanghai wird ein sehr wichtiges Wochenende für uns."

Pilot Fernando Alonso fordert eine noch aggressivere Entwicklung. Er selbst übertreibt es mit der Aggressivität aber mitunter. Beim Versuch, Lewis Hamilton im McLaren zu überholen, fuhr der Spanier in Malaysia gegen dessen Hinterrad, wodurch er auf Rang sechs zurückfiel.

"Ich habe keinen Zweifel, dass uns das gelingt", sagt er über die geplante Aufholjagd, "Ferrari ist ein zu großes Team, als dass man sich darum sorgen müsste." Alonso weiß, dass es jetzt vor allem auch auf ihn ankommt. Firmenchef Montezemolo hat ihn in der Gazzetta dello Sport jüngst als "Premierminister" der Formel1 ausgerufen.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2011
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