Süddeutsche Zeitung

Europa League:BVB will bloß keine Romantik für Klopp

Lesezeit: 3 min

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Es war ein Tag, an dem man leicht konfus werden konnte. Die Fragen türmten sich auf - nach Jürgen Klopp, nach dem FC Liverpool, nach dem Derby auf Schalke am Sonntag, nach einer Heimkehr von Mario Götze und dann wieder nach Jürgen Klopp. Selten ist es so schwer gefallen, das Credo von Adi Preißler einzulösen: "Entscheidend ist auf dem Platz" - so hatte es der BVB-Kapitän der 50er-Jahre-Meistermannschaften einst als Wahlspruch formuliert. Deswegen erst mal fürs Protokoll: Borussia Dortmund siegte gegen Werder Bremen mit 3:2.

Kaum hatte der eingewechselte Stürmer Adrian Ramos (82.) das Siegtor erzielt, war Dortmunds Südtribüne schon wieder damit beschäftigt, den Derbysieg auf Schalke einzufordern. Als gäbe es im BVB-Terminplan zurzeit keine wichtigeren Verabredungen als ein Spiel gegen einen Rivalen, der 23 Punkte hinter Borussia liegt. Als das Derby-Vorbereitungs-Ritual abgefeiert war, konnte man sich endlich um Klopps Rückkehr am Donnerstag im Europa-League-Viertelfinale kümmern. Es war also kein Tag für Männer wie Thomas Tuchel, die sich streng mit dem nächsten Gegner beschäftigen wollen. "Nein", meinte Tuchel trotzdem, seiner Mannschaft sei es "nicht schwer gefallen, sich auf das heutige Spiel zu konzentrieren".

Doch spätestens nach dem schön herauskombinierten 1:0 der Dortmunder durch Pierre-Emerick Aubameyang wirkte es so, als würde eine Art mentale Rotation des BVB in den Energiesparmodus einsetzen. Mit Folgen: Eine inzwischen beim BVB selten gewordene Konzentrations-Delle in der zweiten Halbzeit, ein bisschen Pech - und auf einmal lag Bremen, das ohne den verletzten Claudio Pizarro biederer als sonst wirkte, mit 2:1 vorn. Ein Eigentor von Castro (69.) und ein Tor von Junuzovic (74.) drehten - für ein paar Minuten - das Spiel zugunsten der Bremer.

Dortmunds Anhang riss sich dann für eine Viertelstunde zusammen und war ganz bei der Sache. "Das war vielleicht die beste Atmosphäre im Stadion, die ich bisher erlebt habe", staunte Tuchel über die Phonzahlen, die die BVB-Arena erzeugen kann. Die Profis waren im selben Augenblick offenbar in der Lage, mittels einer Art Gangschaltung Tempo und Präzision hochzufahren. Die eingewechselten Kagawa (77.) und Ramos (82.) stellten im Blitzverfahren eine BVB-Führung her - gerade noch geschafft, ein Sieg auf den letzten Drücker. Bremen hingegen - nur einen Punkt von den Abstiegsplätzen entfernt - hofft weiter auf Erfolge gegen Gegner aus der Tabellen-Umgebung. Am Samstag kommt Augsburg.

Dortmunds Chefs predigen unterdessen, sich nicht auf nostalgische Gefühle vor dem Europa-League-Hit gegen Jürgen Klopps Liverpool einzulassen. "Wir wollen ja keine romantischen Abende feiern", sagt Dortmunds Sportchef Michael Zorc derzeit in alle Mikrofone. Und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke warnt: "Kloppo will unsere Mannschaft und unsere Fans einlullen. Wir dürfen die angemessenen Aggressivität nicht verlieren, wir spielen nicht gegen unseren Freund Kloppo. Liverpool ist ein Gegner, der nur noch eine Chance hat, selbst in die Champions League zu kommen: Indem sie die Europa League gewinnen. Da mache ich mir Sorgen."

Watzke fürchtet allzu viel Verbrüderung nicht nur auf den Tribünen, wo die Fans beider Klubs zweistimmig die gemeinsame inoffizielle Klub-Hymne "You'll Never Walk Alone" singen dürften. Er fürchtet auch eine "gewisse Beißhemmung" vieler Dortmunder Spieler. "Es besteht die Gefahr, dass so mancher im Hinterkopf das Gefühl hat: Ach, es geht doch nur gegen unseren Kloppo." Ein Freundschaftsspiel-Feeling: "Wenn die Fans Kloppo bei seiner Rückkehr abfeiern, sollten sie das jedenfalls erst nach dem Spiel machen."

Kann allerdings auch sein, dass sich Zorc und Watzke zu viele Gedanken machen. Unter Tuchel scheint die Konzentrationsfähigkeit im Team höher als früher zu sein. Das erweist sich bei Rückschlägen wie nun gegen Bremen. Die Mannschaft weiß offenbar, dass sie binnen Minuten zurückschlagen kann. Zudem gibt es etliche Spieler, die mit Klopp ein eher ambivalentes Verhältnis pflegen und dem alten Chef gerne etwas beweisen wollen. Von den aktuell stärksten BVB-Spielern Mkhitaryan, Hummels und Aubameyang heißt es, dass sie womöglich nicht mehr da wären, wenn nicht Klopp im vorigen Frühjahr seinen vielbeweinten Abgang angekündigt hätte.

Klopp selbst hat eingeräumt, wie sehr sich einige seiner Spieler in den wenigen Monaten "bei Thomas Tuchel weiter entwickelt" hätten. Das spricht für Klopps ehrliche Freundschaft zum Klub, den er in die erweiterte Weltklasse zurück geführt hatte. Gerade diese Fairness des Ex-Trainers passt Dortmund im Moment aber nicht so ins Konzept der emotionalen Abschottung vom Übervater der großen Ära, die seinen Namen trägt.

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SZ vom 04.04.2016
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