Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal Ottensen gegen Leipzig:Der Heimvorteil ist futsch

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Das Erstrundenspiel zwischen Teutonia Ottensen findet nach Ortswechseln nun in Leipzig statt - der Außenseiter ist dadurch im Nachteil. Aus dieser Geschichte kann vor allem der FC St. Pauli etwas lernen.

Kommentar von Thomas Hürner, Hamburg

Beim FC St. Pauli sind sie stolz auf ihre grundlegenden Werte, zu denen unter anderem Antirassismus, Antisexismus und Antifaschismus und weitere noble Ansichten auf die Welt gehören. Das ist für sich genommen eine tolle Sache, denn das Gegenteil würde ja bedeuteten, dass man sich als Rassist, Sexist oder Faschist outen würde - und wer würde das schon wollen, wenn man nicht zufällig zu jenen rechten Dumpfbacken gehört, deren liebste Auswärtsfahrt in den progressiven Hamburger Stadtteil führt, um dort eine Schneise der Verwüstung anzurichten?

Beim linken Kiezklub haben sie dadurch über die Jahre einiges an Problemspiel-Expertise angehäuft, was keineswegs freiwillig geschah, da man Randalierern natürlich sehr gerne jedweden Zutritt ins Viertel verweigert hätte. Nun hat das eine zwar nicht direkt etwas mit dem anderen zu tun, aber angesichts jüngster Entwicklungen sei diese Frage ausnahmsweise mal gestattet: Wäre so eine Partie zwischen dem Regionalligisten Teutonia Ottensen und RB Leipzig da im Vergleich nicht eine ziemlich unkomplizierte Veranstaltung gewesen?

Als alternativer Spielort wurde Dessau ausgewählt - ein Sabotageakt verhinderte das aber

Das DFB-Pokal-Erstrundenspiel sollte ursprünglich mal im Millerntorstadion stattfinden, der Heimstätte von St. Pauli. Der Grund: Das kleine Stadion von Ottensen erfüllte den Regelkatalog des DFB nicht. Das Millerntor als Austragungsort hielten die Paulianer aber für keine Idee, mit der sie sich anfreunden wollten: RB, so die sinngemäße Begründung des Kiezklubs, sei schließlich ein Kommerzprodukt, das den Fußball kaputt mache. Und dass Teutonia bis vor kurzem von einem russischen Ölkonzern gesponsert worden war, trug offenbar das Übrige zum Unbehagen bei. Jedoch: Ob die Paulianer das heute anders machen würden - in dem Wissen, was dadurch in Gang gesetzt wurde?

Denn dass den beiden Klubs in Hamburg das "Kein Zutritt"-Schild entgegen gehalten wurde, änderte nichts daran, dass das Spiel stattfinden würde und es einen alternativen Spielort brauchte. Fündig wurde man zunächst im 350 Kilometer entfernten Dessau, was als Lösung allerdings auch nicht lange Bestand hatte: Eine unbekannte Substanz wurde auf den Rasen geschüttet, offenbar handelte es sich um einen Akt der Sabotage, es ermitteln nun die Kripo und die Staatsanwaltschaft.

Und das Spiel? Findet an diesem Dienstag nun einfach in Leipzig statt. Der Favorit genießt Heimrecht, der Außenseiter wird eines natürlichen und statutengemäßen Vorteils beraubt. Was dieser Fall beweist: Prinzipientreue ist zwar ein ehrenwertes Ansinnen - aber nur so lange Prinzipien nicht mit anderen Prinzipien kollidieren.

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