Süddeutsche Zeitung

Champions League:Mourinho besiegt Chelsea

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Inter Mailand steht nach einer Klasseleistung beim FC Chelsea im Viertelfinale. Inter-Coach Mourinho triumphiert dabei mit taktischer Rafinesse beim Ex-Klub.

Vom bekennend bescheidenen José Mourinho wurden vor diesem Achtelfinal-Rückspiel zwei typische Sätze überliefert. Der eine lautete: "Es weiß doch jeder, dass Mourinho an der Stamford Bridge nicht verliert." Der zweite: "Ich bin nicht der beste Trainer der Welt. Aber es gibt keinen besseren als mich." So haben sie ihn geliebt beim FC Chelsea, und wer in den vergangenen Tagen die britischen Zeitungen verfolgte, konnte zu der Meinung gelangen, The Special One sei immer noch Coach beim FC Chelsea.

"Hier spielt Chelsea gegen Inter Mailand, nicht Mourinho gegen Ancelotti", mahnte Carlo Ancelotti, der aktuelle Trainer der Londoner. Er hat seinem Vorgänger ja etwas voraus: Er hat schon zweimal die Champions League gewonnen (mit dem AC Mailand), Mourinho einmal (mit Porto). Seit Dienstagabend steht fest, dass Mourinho in diesem Jahr gleichziehen kann: Nach dem 2:1- Sieg in Mailand gewann Inter auch in London mit 1:0. Es war der verdiente Sieg einer souveränen italienischen Elf, die korrektermaßen ins Viertelfinale vorstieß. Chelsea muss dagegen weiter auf einen Champions-League-Triumph warten.

Bodybuilder beim Kicken

Das Spiel hatte genau so begonnen, wie man es sich von diesen beiden Teams erwartet hatte: Intensiv, dicht, athletisch - und zäh. Beide Teams haben berechnende Trainer, beide wussten, dass es hier im Zweifel um das eine Tor mehr gehen würde - nicht um die höhere B-Note oder das prächtigere Spektakel.

Immerhin hatte sich Mourinho eine List einfallen lassen, mit der er seinen ehemaligen Klub überraschte: Vor dem offensiven Mittelfeldspieler Sneijder postierte er mit Milito, Eto'o und Pandev drei Angreifer - eine ausgesprochen offensive Formation, die sich Mourinho im Ligabetrieb erst einmal getraut hatte.

Dafür hatte er kühn auf Angreifer Balotelli verzichtet, denn der 19-Jährige hatte etwas getan, was man natürlich nicht macht: Er hatte sich im Training mit jenem Coach angelegt, der vielleicht nicht der beste der Welt ist, wobei es natürlich keinen besseren gibt. Mourinho ahndete die Majestätsbeleidigung mit einem Heimaturlaub. Balotelli musste in Mailand bleiben.

Die Mailänder wirkten wie ihr Coach: Sie spielten raffinierter als Chelsea. Immer wieder dimmten sie das Tempo herunter, was es Chelsea fast unmöglich macht, jenes Zentralmassiv zu überwinden, das sich in Form der Inter-Verteidiger Lúcio und Samuel vor ihnen aufbaute. Michael Ballack durfte sich Chelseas einzige Chance der Startphase gutschreiben lassen, sein 20-Meter-Schuss zischte am Tor vorbei. Ansonsten sah dieses Spiel aus, als hätten sich ein paar Bodybuilder zum Kicken verabredet: Hier trafen sich zwei breitschultrige Teams, von denen sich das eine die günstigere Ausgangsposition zunutze machte.

Die Mailänder wussten, dass ihnen ein Remis reichen würde; sie lauerten und starteten gelegentlich ein paar Gegenzüge. Auch wenn sie Chelseas Drittkeeper Turnbull (vertrat die verletzten Cech und Hilario) nicht oft forderten, wirkte Inter zielgerichteter, während die Londoner Bodybuilder so viel Kraft ins Spiel investieren mussten, dass sie darüber die klare Linie und den Zug zum Tor vernachlässigten.

Pass Sneijder, Tor Eto'o

Gegen Ende der ersten Hälfte gelang es Chelsea doch, Inters Abwehr um den exzellenten Lúcio zu beschäftigen. Und womöglich hätte sich nicht mal der weltbeste Trainer beschweren können, hätte der deutsche Schiedsrichter Stark nach einer Zieh-und-Zerr-Aktion von Samuel an Drogba auf Strafstoß entschieden.

Die zweite Hälfte begann ähnlich: Die Gastgeber versuchten alles, aber die Gäste ließen sie nicht recht ran. War Chelsea ratlos - oder einfach nur geduldig? Das Spiel der Engländer wirkte jedenfalls reichlich uninspiriert, wozu auch der breitschultrige, aber kaum kreative (und später ausgewechselte) Ballack beitrug.

Das Spiel war von überschaubarer Dramatik, es lebte allein von der rechnerischen Konstellation. Alle wussten: Ein Tor würde auch uninspirierten Engländern fürs Viertelfinale reichen. Aber alle spürten auch, dass das nicht sehr wahrscheinlich war - nach 78 Minuten war auch diese Art von Spannung erledigt. Einen herrlichen Pass von Sneijder vollendete Eto'o zum Siegtor. Und auf der Bank jubelte der Trainer, der vielleicht nicht der weltbeste ist - wobei es natürlich keinen besseren gibt.

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SZ vom 17.03.2010/ehr
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