Süddeutsche Zeitung

Pep Guardiola in Madrid:Zurück in der Molkerei

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Pep Guardiola kehrt gegen Real Madrid ins Bernabéu-Stadion zurück. Dort schlägt dem Trainer von Manchester City Abneigung entgegen - weil er als Barça-Ikone gilt und mit den katalanischen Separatisten sympathisiert.

Von Javier Cáceres, Villarreal/Madrid

An einem Vorgeschmack auf das, was ihn am Mittwoch im Estadio Santiago Bernabéu erwartet, mangelt es Pep Guardiola nicht. Als sich vor Wochenfrist das spektakuläre Halbfinal-Hinspiel zwischen Manchester City und Real Madrid (4:3) dem Ende zuneigte, war aus dem Block der Madridistas eine finstere Schmähung zu hören, die ihm in der Vergangenheit schon häufiger entgegengeschlagen ist.

Die Madrider Fans beleidigten die Mutter des katalanischen Trainers von Manchester City und griffen damit auf, was die Anhänger von Real Madrids Stadtrivalen Atlético schon im Viertelfinale gebrüllt hatten. Im Metropolitano, dem Stadion von Atlético, quittierte Guardiola den Chor mit ironischem Applaus. In Manchester nicht. Da klebten seine Gedanken bis zur letzten Sekunden an einem zauberhaften Spiel. Aber das heißt nicht, dass er es nicht registriert hätte. Im Gegenteil.

"Dieses Spiel ist das beste Examen für das Finale", sagt Guardiola

Guardiola und Madrid, das ist seit Jahren ein Thema für sich. Und es bleibt einerlei, ob er sich in einem Stadion mit rotweißen Atlético-Schals oder weißen Real-Madrid-Fahnen gegenübersieht. Das hat auch damit zu tun, dass Guardiola eine erklärtermaßen politische Figur ist - und bei den überwiegend spanisch-nationalistisch eingefärbten Fanlagern beider Klubs der spanischen Hauptstadt gleichermaßen verhasst ist.

Guardiola, der bei den Olympischen Spielen von 1992 - in Barcelona - für Spanien mit der Nationalmannschaft die Goldmedaille gewann, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich für eine Abstimmung über die Unabhängigkeit seiner Heimatregion Katalonien einsetzt. Das allein schon reicht, um eine Reihe von spanischen Nationalisten in Madrid gegen sich aufzubringen, erst recht, wenn jemand eine Figur mit globaler Strahlkraft ist wie Guardiola. Als der Katalonien-Konflikt im Herbst 2017 eskalierte, ein von der Madrider Zentralregierung nicht genehmigtes Referendum niedergeschlagen wurde und der damalige Chef der katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, ins belgische Exil flüchtete, trug auch Guardiola immer wieder das gelbe Band am Revers, um seinen Protest gegen Madrid zu illustrieren.

Zurzeit dominiert das Thema wieder die Schlagzeilen der spanischen Presse, die Ausspähung der Handys von katalanischen Separatisten - durch den spanischen Geheimdienst? - ist eine handfeste Affäre. Dem Vernehmen nach wird geprüft, ob auch Guardiolas Handy betroffen war. Was nicht weiter verwundern würde. Doch diese politische Komponente ist nur ein weiteres Element der Abneigung, die Guardiola spürt, und die natürlich vor allem auf der Rivalität von Guardiolas Jugendklub FC Barcelona und Real Madrid basiert.

Seit Guardiola Trainer ist, vertiefte sich die Abneigung der Madridistas gegen ihn; auch, weil Guardiola bei neun Auftritten mit drei verschiedenen Teams - FC Barcelona, FC Bayern und Manchester City - überaus erfolgreich war. Er gewann sechs Mal, spielte zwei Mal Unentschieden und verlor nur ein Mal, im Champions-League-Halbfinale 2013/2014 mit dem FC Bayern (0:1).

Das mindert Guardiolas Respekt vor dem Estadio Bernabéu nicht einmal ansatzweise: "Dieses Spiel ist eine große Prüfung und ein großes Glück. Es ist das beste Examen für das Finale", sagte der Katalane am Dienstag. Ob sein Team Manchester City ein ähnlich brillantes Spiel bieten müsse, um den 4:3-Sieg aus dem Hinspiel in ein Ticket zum Endspiel nach Paris zu verwandeln (28. Mai)? "Es kann auch sein, dass wir sehr viel schlechter spielen und gewinnen", sagte Guardiola und hob die Brauen - wenn auch nicht ganz so gekonnt wie sein Madrid-Kollege Carlo Ancelotti, den er mit Lob überhäufte.

Mourinho und Madrid: Mit beiden verbindet Guardiola eine herzliche Abneigung. Für Ancelotti empfinde er Bewunderung

Nicht mit jedem Kollegen aus Madrid hat er ein so freundliches Verhältnis aufbauen können wie zu Ancelotti. Wirkliche Eklats gab es allerdings nur mit José Mourinho, ein gutes Jahrzehnt ist das her. Unvergessen, wie sie im Presseraum mit Giftpfeilen aufeinander losgingen: hier Mourinho mit seinen Unterstellungen, Barça werde als Unicef-Werbeträger durch die Schiedsrichter des europäischen Fußballverbandes Uefa bevorzugt; dort die von beißender Ironie getragenen Antworten Guardiolas. Er vergaß auch nicht, sich mit den Medien anzulegen, der Madrider "Molkerei", wie er sie nannte. Eine verletzend gemeinte Metapher, mit der er zu verstehen geben wollte, dass eine Reihe von Journalisten in Spaniens Hauptstadt weiß seien wie die Milch - und die Madrider Trikots.

Zurzeit ist die Stimmung zwischen Guardiola und den Zeitungen, Radio- und TV-Stationen in Madrid wieder auf dem Nullpunkt. Vor geraumer Zeit gab sich Guardiola als Anhänger der britischen Sportjournalisten zu erkennen, weil die nicht versuchen würden, Zwietracht zu säen (was sich wahrscheinlich leicht widerlegen ließe).

Sei's drum: Am Dienstag kreiste die Pressekonferenz bei den Fragen der Madrider Journalisten um die im Zusammenhang eines Champions-League-Halbfinals überraschende Frage, ob Atlético Madrid beim Ligaauftritt des frisch gekürten Meisters Real Madrid am Wochenende Spalier stehen solle oder nicht - was ein großes Politikum in Spaniens Fußball ist - und ob City womöglich am Mittwoch für Real Madrid selbst Spalier stehen wolle. "Herzlichen Glückwunsch im Namen von Manchester City", sagte Guardiola.

Das tat er mit einem Lächeln, das er sich erkennbar abringen musste. Doch das war eine Verbesserung gegenüber der Vorwoche. Nach dem Hinspiel in Manchester war er bei den obligatorischen Interviews mit spanischen Medien so kurz angebunden gewesen, dass er offen gefragt wurde, warum er so bissig und kratzbürstig sei. "Ich kratzbürstig?", fragte Guardiola mit gespielter Empörung. Doch er war wirklich bissig. Der Grund: Offenbar lastet Guardiola den Madrider Medien an, sein Verhältnis zu Atlético-Trainer Diego Simeone beschädigt zu haben. Guardiola hatte, als er über die defensive Spielweise Atléticos sinnierte, das Wort "Prähistorie" in den Mund genommen, Simeone war danach beleidigt, er heizte die Stimmung im Stadion gegen City und Guardiola durch Gesten an und kanzelte den Kollegen später ab. Derlei wird Guardiola mit Ancelotti kaum passieren. "Er ist nicht nur ein großartiger Trainer, sondern ein wundervoller Mensch", sagte Guardiola.

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