Süddeutsche Zeitung

Sicherheit im Fußball:Den Profi-Klubs drohen Millionen-Forderungen

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Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Aus sportlicher Perspektive lohnt sich die Erinnerung an das 102. Nord-Derby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV kaum. Eine eher zähe Angelegenheit war das Spiel am 19. April 2015, kurz vor Schluss erzielte Franco Di Santo per Elfmeter das 1:0-Siegtor für die Gastgeber. Aus rechtlicher Perspektive aber könnte sich dieser Tag als durchaus folgenreich erweisen: Denn kurz danach ließ das Land Bremen der Deutschen Fußball-Liga (DFL), dem Zusammenschluss der 36 Profi-Klubs aus erster und zweiter Liga, einen Gebührenbescheid in Höhe von 425 718,11 Euro zukommen - wegen der Kosten, die für den Polizeieinsatz an diesem Tag zusätzlich entstanden waren.

Seitdem streiten die beiden Parteien vor Gericht. Von diesem Dienstag an geht es in der dritten Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weiter. Und sollten die Richter zu dem Schluss kommen, dass der Bremer Bescheid korrekt ist, dass also der Staat die Liga an den Einsatzkosten beteiligen darf, könnten auf den deutschen Spitzen-Fußball Forderungen in einer ordentlichen zweistelligen Millionen-Höhe pro Jahr zukommen.

Neun Prozent aller Partien werden als Risikospiel klassifiziert

Dabei geht es nicht generell um die Polizei-Kosten für alle Spiele. Sondern nur um die Kosten, die bei den sogenannten "Hochrisikospielen" zusätzlich entstehen, weil die Polizei aufgrund der Brisanz der Ansetzung mehr Beamte einsetzt als üblich - bei Derbys wie Bremen gegen Hamburg etwa. Dort waren im April 2015 nach Behördenangaben fast 1000 Polizisten im Einsatz, zirka vier Mal so viele wie bei einem normalen Bundesliga-Spiel.

Formal firmieren solche Partien unter dem Begriff "Spiele mit erhöhtem Risiko", wie es in den Regularien des Deutschen Fußball-Bundes heißt. Ob eine Begegnung in diese Kategorie fällt, entscheiden der Heimverein beziehungsweise der Verband nach Rücksprache mit den Sicherheitsorganen. Die Zahl dieser Risikospiele variiert von Jahr zu Jahr. In der vergangenen Saison gab es in den beiden höchsten deutschen Profiligen insgesamt 54 davon (erste Liga 26, zweite Liga 28). In der Spielzeit davor waren es 58 (erste Liga 24, zweite Liga 34).

Damit wurden in den vergangenen beiden Jahren zirka neun Prozent aller Partien in erster und zweiter Liga als Risikospiel klassifiziert. Auch die dritte Liga ist von dem Thema betroffen. Dort kam es in den vergangenen zwei Saisons zu 54 beziehungsweise 51 Risikopartien - ungefähr jedes siebte Spiel also erhielt dieses Etikett.

Nun ist die Frage vor dem Bundesverwaltungsgericht: Darf der Staat für Polizei-Einsätze bei derartigen Spielen Geld verlangen? Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hält der DFL eine "maßlose Anspruchshaltung" vor. "Immer mehr Menschen kommen zu dem Ergebnis, dass es nicht angehen kann, dass die DFL von einem Rekordergebnis zum anderen jagt und für die Saison 2017/2018 einen Gesamterlös von 4,42 Milliarden Euro präsentiert - und der Steuerzahler dann allein für die Sicherheitskosten aufkommen soll", sagte der dpa. Das Land Bremen hat mittlerweile, nach der vieldiskutierten Partie im April 2015, für sechs weitere Risikospiele monetäre Forderungen an die DFL gestellt. Die DFL hingegen verweist darauf, dass die 36 Profi-Klubs schon 1,3 Milliarden Euro an Steuern zahlen - und dass der Fußball gar nicht der Verursacher der Gewalt sei. Das Vorgehen des Landes Bremen sei "eine Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung", sagte DFL-Präsident Reinhard Rauball kürzlich der SZ.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht dem Ansinnen des Bremer Senates folgen, hätte dies zunächst nur Konsequenzen für den Bremer Gebührenbescheid. Die DFL beschloss bereits, dass sie sich das Geld dann von Werder Bremen zurückholen würde. Für andere Klubs hätte ein entsprechendes Urteil der Leipziger Richter keine automatischen Folgen. Es wäre die Sache der jeweiligen Landesregierungen, die Mehrkosten bei den Klubs einzutreiben.

Von denen ließ neben Bremen bisher nur Rheinland-Pfalz Sympathien dafür erkennen. Diese beiden Länder schlugen im vergangenen Jahr auch einen Fonds "im zweistelligen Millionenbereich" vor. Den sollten demnach die DFL und die Klubs befüllen, damit es nicht nötig sein würde, jedes Risikospiel exakt abzurechnen. Die Sprecher der SPD- und der CDU-Landesinnenminister, der Niedersachse Boris Pistorius (SPD) sowie Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern, lehnten Forderungen an die Klubs hingegen bisher ab; ebenso der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Andererseits dürfte ein entsprechendes Urteil auch gewisse politische Dynamiken auslösen. Denn vielen erscheint es als unverständlich, warum der reiche Fußball solche Kosten nicht selbst übernimmt, sondern stattdessen der Steuerzahler ran muss. Erst in dieser Woche veröffentlichte der WDR eine Umfrage von Infratest Dimap, nach der 90 Prozent der Bevölkerung die Weiterleitung der Mehrkosten an die Klubs befürworten würden. Und aus einem Innenministerium, das Forderungen gegenüber Klubs bisher ablehnt, ist zu hören, dass es bei einem Votum der Leipziger Richter pro Bundesland Bremen wohl schwer sein würde, dem eigenen Landesrechnungshof künftig zu erklären, warum man auf die Gelder des Fußballs verzichten wolle.

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SZ vom 26.03.2019
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