Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: FC St. Pauli:Für ein paar Dollar

Lesezeit: 3 min

Musterschüler Carlos Zambrano ist erst 21 - und dennoch die wichtigste Verstärkung beim FC St. Pauli. Die Frage ist nur: Wann will Schalkes Felix Magath den Peruaner wiederhaben?

Jörg Marwedel

Etwa 2000 Spiele hat Helmut Schulte, 53, in zehn Jahren als Chef der Nachwuchsabteilung für den FC Schalke 04 beobachtet, um große Talente zu finden. Die Eindrücke und Kontakte hat der frühere Trainer und Scout mitgenommen, als er 2008 zum dritten Mal zum FC St. Pauli wechselte, diesmal als Sportchef. Schultes Scouting für Schalke hat sich nun auch bei seinem ersten Lieblingsklub ausgewirkt.

Wenn er am Freitag mit den Hamburgern in Gelsenkirchen antritt, kommt nicht nur Schulte zu seinem zweiten Lieblingsklub zurück, eine Rückkehr wird es auch für die Pauli-Profis Carlos Zambrano und Moritz Volz. Auf Schalke spielten einst zudem der zurzeit gesperrte Gerald Asamaoh und der verletzte Charles Takyi.

Unter den 2000 Partien, die Schulte beobachtet hatte, war aus Hamburger Sicht wohl jene in Trujillo im Jahr 2005 am wichtigsten. Bei der U17-WM in Peru entdeckte er Carlos Augusto Zambrano Ochandarte. Die Peruaner unterlagen Japan zwar 0:1, aber der robuste 16-jährige Innenverteidiger hatte es dem Gast aus Deutschland so angetan, dass er ihn 2006 ins Schalke-Internat Berger Feld holte. Manchmal denkt Schulte noch daran, wie er auf dem Weg nach Trujillo den streikenden Mitgliedern der Busfahrergewerkschaft ein paar Dollars zusteckte, damit diese die Barrieren und Scherben auf der Straße mal kurz wegräumten. So konnte er trotz Durchgangssperre weiterfahren. Die Bestechung hat sich gelohnt.

Carlos Zambrano ist in dieser Saison trotz des populären und erfahrenen Asamoah bisher die wichtigste Verstärkung für den FC St. Pauli. "Carlos", sagt St. Paulis Coach Holger Stanislawski über den Peruaner, "ist inzwischen einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga." Auch Schulte hat Freude am "echten südamerikanischen Zweikämpfer", der "kein Raumsteher" sei, sondern "die körperliche Auseinandersetzung Mann gegen Mann" bevorzugt, aber auch technisch mit dem Ball gut umgehen kann. Zuweilen schießt Zambrano noch über das Ziel hinaus. Kürzlich sah er bei einem Länderspiel die rote Karte, beim 0:2 in Stuttgart wandelte er erneut am Rande eines Platzverweises.

Am vergangenen Samstag gegen Eintracht Frankfurt erzielte er nicht nur wegen seiner furchtlosen Art das 1:0, sondern verschuldete auch mit etwas zu forschem Auftreten gegen Theofanis Gekas den Elfmeter, der zum 1:1 führte und die 1:3-Niederlage einleitete. Stanislawski sagt: "Er muss noch seine innere Ruhe finden. Aber ich habe lieber einen Spieler, den ich mal bremsen muss als einen, der permanent einen Tritt in den Hintern braucht."

"Ich weiß nicht, was Felix denkt"

Schulte war klar, dass er mit diesem Transfer auf Leihbasis nicht viel falsch machen konnte. Er weiß ja genug über ihn. Zum Beispiel über seine Familie ("ist okay"), die aus dem Hafenviertel von Lima kommt und darüber, das Zambrano keiner ist, der sich die Haare orange färbt und lila Schuhe bevorzugt. Als er den Verteidiger 2006 nach Deutschland holte, hat er sehr genau hingesehen, "ob er Heimweh hat oder ob er es packen kann". Und er hat beobachtet, wie Zambrano damit klar kam, in seinen ersten Profijahren nur zu trainieren und nicht in der Bundesliga zu spielen.

Der Reservist hat dennoch so viel an sich gearbeitet, dass er mit 19 Jahren schon peruanischer Nationalspieler wurde und bald den Spitznamen "El Kaiser" erhielt in Anlehnung an Franz Beckenbauer. Schulte lernte auch, was für ein Perfektionist Zambrano ist. Der mag keine Interviews auf Deutsch geben, obwohl er es ordentlich kann. Angeblich, weil es ihm unangenehm ist, Fehler zu machen. Und dass Zambrano nicht dabei war, als einige Nationalspieler Perus um Schalkes Jefferson Farfan kürzlich mal wieder eine kleine Orgie veranstalteten, ist für Zambrano-Kenner Schulte keine Überraschung.

Nur eines bereitet ihm Sorgen: dass Schalkes Trainermanager Felix Magath, der Zambrano vergangene Spielzeit schon häufiger einsetzte, das fortgeschrittene Talent bald wiederhaben will. Manche hatten sich ohnehin gewundert, dass die klammen Schalker außer den teuren Westermann, Rafinha und Bordon auch Zambrano abgaben. Angeblich für zwei Jahre auf Leihbasis plus Kaufoption.

Es gibt auch eine Version, nach der Schalke ihn schon nach einem Jahr zurückbeordern könnte. Der ansonsten sehr offene Schulte mag zu diesem Vertragswerk nichts sagen. "Ich weiß nicht, was Felix denkt", sagt Schulte nur. So geht es ja vielen.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2010
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