Süddeutsche Zeitung

Transfersperre gegen den 1. FC Köln:Endspiel in Lausanne

Lesezeit: 4 min

Der Bundesligist bewegt sich beim Versuch, das harte Fifa-Urteil abzumildern und zu verzögern, in sensiblen Sphären. Mit Blick auf das Berufungsverfahren beim Sportgerichtshof Cas dürfen keine weiteren Fehler passieren.

Von Philipp Selldorf, Köln

Als am 1. Februar die drei Richter der zuständigen Fifa-Kammer einstimmig ihr Urteil gegen den 1. FC Köln trafen, ahnte am Rhein niemand etwas von dem heraufziehenden Unheil: Der FC punktete in der Bundesliga zur Zufriedenheit von Trainer Steffen Baumgart, und der 17-jährige Nachwuchsspieler Jaka Cuber Potocnik, dessen Fall die Klage gegen den Verein wegen Anstiftung zum Vertragsbruch ausgelöst hatte, war grandios ins neue Fußballjahr gestartet. In den abschließenden vier Saisonspielen der A-Junioren-Bundesliga schoss er ein Tor nach dem anderen. Sechs von neun Treffern entfielen auf den slowenischen Mittelstürmer, den die Kölner ein Jahr zuvor nur einen Tag nach dessen Kündigung beim Verein Olimpija Ljubljana unter Vertrag genommen hatten.

Die Richter des Weltverbands Fifa stellten nun jedoch in ihrem Urteil fest, dass die Kündigung ohne triftigen Grund erfolgt sei und somit unrechtmäßig. Deshalb verurteilte die Kammer den besagten Spieler zu einer Strafzahlung und den 1. FC Köln zu einer Sperre für zwei Transferperioden.

Zwar hoffen die Kölner, den Entscheid auf dem Rechtsweg aufschieben und abmildern zu können, doch die laufende Kaderplanung ist wegen des ungewissen Verfahrensausgangs quasi zum Erliegen gekommen. Bliebe die Sperre wie ausgesprochen bestehen, dürfte der FC im Sommer und im Winter von der U17 bis zum Lizenz-Team keine Profis von anderen Klubs verpflichten. Allenfalls sogenannte Bestandsspieler dürften gemäß den Fifa-Bestimmungen als Zugänge registriert werden: Spieler, die aus Leihgeschäften mit anderen Klubs zurückkehren, und Spieler, die zurzeit als Leihspieler beim FC aktiv sind.

Zur zweiten Gruppe zählt etwa der Stamm-Verteidiger Jeff Chabot, 25, der noch einen Vertrag mit Sampdoria Genua unterhält, und für fixe 2,5 Millionen Euro übernommen werden könnte - ein Preis, über den die sparsamen Kölner gern verhandelt hätten. Was nun jedoch schwierig werden dürfte. Die Absicht, den an Hellas Verona verliehenen Mittelfeldspieler Ondrej Duda, 28, zu verkaufen, sieht man nun in anderem Licht: Immerhin ist der Slowake ein erfahrener Spieler mit Bundesliga-Niveau, und es wird ja auch Verluste im Kader geben. Außer von Ellyes Skhiri, 27, der den Verein definitiv (ablösefrei) verlassen wird, muss man sich womöglich auch von Kapitän Jonas Hector verabschieden. Er plant sein Karriereende. Dass er sich das noch mal überlegt, darauf hoffen zwar alle im Klub, der Glaube fällt ihnen aber schwer. Hector schweigt beharrlich dazu.

Von all diesen Schwierigkeiten infolge der drastischen, die sportliche Existenz bedrohenden Strafe ahnte Anfang Februar, wie erwähnt, noch niemand etwas. Die erfolgreichen A-Junioren des FC sahen freudig einem aufregenden Saisonfinale entgegen. Mitte März reiste Jaka Cuber Potocnik zur slowenischen U-19-Nationalelf und absolvierte mit ihr drei WM-Qualifikationsspiele. In Belgien, gegen Italien und gegen Deutschland. Beim 0:3 gegen die DFB-Elf am 28. März traf Potocnik seinen Kölner Teamkollegen Justin Diehl, einen der drei deutschen Torschützen.

Von öffentlichen Kommentaren zu möglichen Seltsamkeiten des Verfahrens sehen die Kölner ab.

Als am nächsten Tag, 29. März, der Fifa-Beschluss im Geißbockheim eintraf, zwei Monate nach dessen Abfassung, wunderten sich die geschockten Kölner nicht nur über die harte Strafe, die aus dem schriftlichen Verfahren ohne Anhörung der beiden Parteien erging. Man war auch über den Zeitpunkt irritiert. Der eine oder andere witterte Verdacht: Schließlich ist Slowenien die Heimat des Uefa-Präsidenten Aleksander Ceferin, der aus Ljubljana stammt und bis 2011, als er den Vorsitz beim nationalen Verband übernahm, Mitglied bei Olimpija war. Wurde die Zustellung des Urteils hinausgezögert, bis die Junioren-Länderspiele gespielt waren, bei denen Potocnik als Stürmer aufgeboten wurde?

Von öffentlichen Mutmaßungen über eventuelle Seltsamkeiten sahen die Kölner Funktionäre klugerweise ab, nicht nur deshalb, weil es hier um die Rechtsprechung der Fifa geht - der Fall Potocnik ist keine Sache der Uefa und ihres zufälligerweise slowenischen Präsidenten. Beim FC hat man außerdem erkannt, dass man sich in einer sensiblen Sphäre bewegt, weshalb die Verantwortlichen nun sehr genau ihre nächsten Schritte beraten.

Von dem zunächst geäußerten Vorsatz, schnellstmöglich Berufung beim Sportgerichtshof Cas in Lausanne einzulegen und eine Aussetzung des sofort wirksam gewordenen Fifa-Urteils zu beantragen, hat der Verein Abstand genommen. Die Schriftsätze, die zunächst eine einstweilige Verfügung ("Suspension") bewirken sowie das Berufungsverfahren begründen sollen, seien "noch in der Ausarbeitung", aber kurz vor der Versendung, teilte der Klub am Mittwoch mit. Die juristische Vertretung liegt nun auch nicht mehr in den Händen der vormals mit dem Fall befassten Münchner Kanzlei. Stattdessen hat eine Kanzlei mit Sitz in der Schweiz das Mandat.

Bis zur Entscheidung des Berufungsverfahrens könnte es noch eine Zeit lang dauern

Alles muss jetzt schnell passieren, um die Einspruchsfristen zu wahren und Wartezeiten zu verkürzen, aber es darf auch kein Fehler gemacht werden. Über den Antrag zur Aussetzung der Strafe, die den Kölnern zumindest im Sommer Handlungsfreiheit ermöglichen könnte, werde nicht vor Ablauf von vier bis acht Wochen entschieden, heißt es beim FC. Das eigentliche Berufungsverfahren werde frühestens im Spätsommer entschieden.

Die Frage, wie es zu dieser Situation hat kommen können, wurde in den Klubgremien erörtert. Es gab eine juristische Einschätzung der Angelegenheit und eine Risikoabwägung, offenbar wurden die Gefahren zu optimistisch beurteilt. Olimpija Ljubljana hatte die Kündigung des damals 16-jährigen Talents von Anfang an nicht anerkannt. Ein Gespräch des Olimpija-Klubeigners Adam Delius und des Vizepräsidenten Christian Dollinger mit FC-Geschäftsführer Christian Keller Ende August brachte keine Einigung. Die Olimpija-Vertreter forderten eine Kompensation von 2,5, später 1,5 Millionen Euro, der FC bot eine Lösung an, die den Slowenen circa eine halbe Million erbracht hätte. Für eine nachträgliche Einigung ist es wohl zu spät, die Sportjustiz hat das Sagen.

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