Der Rauch nach dem Rückzug

Krieg in der Ukraine. Eine Dokumentation in Bildern.

Die fünfte Woche

Im Norden von Kiew gewinnen die ukrainischen Verteidiger wieder an Land. Die russischen Truppen scheinen vorerst von der Hauptstadt abzulassen.

Echter Abzug oder Nachrüstpause? Im Osten und im Süden jedenfalls tobt der Krieg unvermindert weiter. Teils brutaler als zuvor.

Von Joshua Beer, Daniel Hofer und Christine Kokot

31. März 2022 - 5 Min. Lesezeit

Kiew

Ein ukrainischer Kämpfer steht auf einem erbeuteten Panzer. Zuvor haben er und andere Krieger russische Streitkräfte bei dem Dorf Lukyanivka nördlich von Kiew zurückgeschlagen. In der Gegend gab Russland vielerorts Gebiete auf.

Experten sind sich uneins, ob die Invasion stagniert oder Russland nur Kraft für den nächsten Schlag sammelt. Dieser ukrainische Soldat jedenfalls deutet die Erfolge als kleinen Sieg.

Sonntagsmesse in Browary, einem Ort außerhalb Kiews. Bisher hat sich die Hauptstadt der russischen Eroberung erfolgreich widersetzt. Die SZ-Korrespondenten Tomas Avenarius und Sonja Zekri haben Szenen aus der Stadt der Standhaften gesammelt.

Anatoliy Mykolayev wurde von Glassplittern in einem Granatfeuer verwundet. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat mehr als 1000 zivile Todesopfer und fast 2000 Verletzte registriert, schätzt aber die Dunkelziffer deutlich höher.

Doch es entsteht auch neues Leben – trotz Krieg und Elend. Elyzaveta sieht ihr Neugeborenes zum ersten Mal am 30. März in einer Kiewer Geburtsklinik. Schätzungsweise die Hälfte aller Hauptstadtbewohner ist seit dem Einmarsch Russlands geflohen.

Im dichten Qualm einer bombardierten Lagerhalle trägt ein Mann Einkaufstüten auf einer Straße bei Kiew. Immer wieder werden auch Industrieparks getroffen. Durch die Schäden könnte die Umwelt langfristig verseucht werden.

Diese Frau ist aus den Vororten von Kiew ins Herz der Hauptstadt geflüchtet. So wie sie hat der Krieg bereits zehn Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer zur Flucht getrieben, davon vier Millionen außer Landes.

Trostjanez

Ukrainische Streitkräfte konnten in der Region um Kiew einige Orte von Russland zurückerobern. Etwa die Stadt Trostjanez nahe der russischen Grenze. Sie war eine der ersten, die in die Hände der Invasoren gefallen ist. Zurück bleiben Trümmer.

Irpin

Auch aus der Stadt im Nordwesten von Kiew zogen sich die russischen Truppen vorerst zurück. Die 82-jährige Larysa Kolesnyk holten Rettungskräfte – mit anderen – am Mittwoch aus Irpin. Die Geretteten berichten von Kriegsgräueln.

Saporischschja

Ein ukrainischer Freiwilligencorps feuert eine Haubitze in der Region um die Stadt Saporischschja. Während die Gewalt in Norden etwas nachlässt, tobt der Krieg im Süden und Osten des Landes unvermindert weiter, teils brutaler als zuvor.

In Saporischschja kommen viele an, die der Hölle von Mariupol entkommen sind – der seit Wochen belagerten Stadt im Osten des Landes. Darunter ein dreijähriger Junge, der im Bombardement verwundet wurde. In den Krankenhäusern der Stadt sammeln sich die Verletzten der ganzen Region.

In Bussen kommen die Geflüchteten aus Mariupol in Saporischschja an. Zehntausende bleiben eingeschlossen zurück. Wer kann, reist weiter und nimmt einen der Züge nach Lwiw (Lemberg).

Lwiw

Doch auch über der westukrainischen Stadt steigt dunkler Rauch auf. Am 26. März schlagen dort russische Raketen ein. SZ-Korrespondentin Sonja Zekri hat über den Kriegsfrühling im ehemaligen Lemberg geschrieben.

Ukrainische Soldaten tragen den Sarg des getöteten Roman Vasilikov. Er starb bei Gefechten im Osten des Landes. Die USA schätzen die Verluste der ukrainischen Armee auf mehrere Tausend Menschen, in Lwiw werden täglich Beerdigungen für die Toten abgehalten.

Am Bahnhof von Lwiw sieht man herzzerreißende Abschiede. Unter den Fliehenden ist Inna Lazareva, die ihre Schwester umarmt, bevor sie in einen Bus nach Polen steigt. Während die meisten Geflüchteten Binnenvertriebene sind, reisen Millionen weiter in angrenzende Länder.

Polen

Das osteuropäische Land hat mit Abstand die meisten Geflüchteten aufgenommen. Allein 2,3 Millionen Menschen sind nach Polen geflohen. Die Zahl der Ankommenden ist zuletzt allerdings leicht gesunken.

Die Menschen fliehen zum Teil nur mit dem Nötigsten, doch bringen es oft nicht übers Herz, ihre Haustiere zurückzulassen. Hunde, Katzen, Wellensittiche, viele davon selbst verletzt.

Plakate in Warschau zeigen den russischen Präsidenten als Vampir und Todbringer. Polen gehört zu den lautesten Stimmen, die scharfe Sanktionen gegen Russland fordern. Für die Nato und die USA ist das Land von großer strategischer Bedeutung.

Charkiw

Zurück im Osten des Landes: Ein Radfahrer fährt an einer Flammensäule und schwarzem Rauch vorüber. Ergebnis von russischem Artilleriebeschuss. Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, wird seit Wochen heftig bombardiert. "Es gibt keine Ruhe", berichtet der Bischof der Stadt, Pawlo Honczaruk.

Binnen 24 Stunden seien zuletzt 380 Raketen auf Charkiw niedergegangen, meldet der dortige Gouverneur. Große Teile der Stadt sind bereits ausgebombt.

Manche Nachbarschaften sind wie ausgestorben, ohne Wasser, Gas oder Heizung. Nur die Vorhänge flattern im Wind.

Die Menschen verstecken sich in U-Bahn-Schächten und Kellern. Etwa die Hälfte der 1,4 Millionen Bewohner haben Charkiw bereits verlassen.

Nachts patrouillieren Polizisten in den leergefegten Straßen. In Charkiw gilt eine nächtliche Ausgangssperre von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens.

Mit Sandsäcken sichern Arbeiter in Charkiw eine Statue des ukrainischen Lyrikers und Malers Taras Schewtschenko. Der russische Beschuss kostet vor allem Menschenleben, doch er zerstört auch Denkmäler und Kulturgüter.

Odessa

In der Hafenstadt am Schwarzen Meer gibt es immerhin einen kleinen Lichtblick: Der Zoo hat wiedereröffnet.

Der Rauch nach dem Rückzug

Krieg in der Ukraine. Eine Dokumentation in Bildern.

Die fünfte Woche

Im Norden von Kiew gewinnen die ukrainischen Verteidiger wieder an Land. Die russischen Truppen scheinen vorerst von der Hauptstadt abzulassen.

Echter Abzug oder Nachrüstpause? Im Osten und im Süden jedenfalls tobt der Krieg unvermindert weiter. Teils brutaler als zuvor.

Von Joshua Beer, Daniel Hofer und Christine Kokot

Kiew

Ein ukrainischer Kämpfer steht auf einem erbeuteten Panzer. Zuvor haben er und andere Krieger russische Streitkräfte bei dem Dorf Lukyanivka nördlich von Kiew zurückgeschlagen. In der Gegend gab Russland vielerorts Gebiete auf.

Experten sind sich uneins, ob die Invasion stagniert oder Russland nur Kraft für den nächsten Schlag sammelt. Dieser ukrainische Soldat jedenfalls deutet die Erfolge als kleinen Sieg.

Sonntagsmesse in Browary, einem Ort außerhalb Kiews. Bisher hat sich die Hauptstadt der russischen Eroberung erfolgreich widersetzt. Die SZ-Korrespondenten Tomas Avenarius und Sonja Zekri haben Szenen aus der Stadt der Standhaften gesammelt.

Anatoliy Mykolayev wurde von Glassplittern in einem Granatfeuer verwundet. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat mehr als 1000 zivile Todesopfer und fast 2000 Verletzte registriert, schätzt aber die Dunkelziffer deutlich höher.

Doch es entsteht auch neues Leben – trotz Krieg und Elend. Elyzaveta sieht ihr Neugeborenes zum ersten Mal am 30. März in einer Kiewer Geburtsklinik. Schätzungsweise die Hälfte aller Hauptstadtbewohner ist seit dem Einmarsch Russlands geflohen.

Im dichten Qualm einer bombardierten Lagerhalle trägt ein Mann Einkaufstüten auf einer Straße bei Kiew. Immer wieder werden auch Industrieparks getroffen. Durch die Schäden könnte die Umwelt langfristig verseucht werden.

Diese Frau ist aus den Vororten von Kiew ins Herz der Hauptstadt geflüchtet. So wie sie hat der Krieg bereits zehn Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer zur Flucht getrieben, davon vier Millionen außer Landes.

Trostjanez

Ukrainische Streitkräfte konnten in der Region um Kiew einige Orte von Russland zurückerobern. Etwa die Stadt Trostjanez nahe der russischen Grenze. Sie war eine der ersten, die in die Hände der Invasoren gefallen ist. Zurück bleiben Trümmer.

Irpin

Auch aus der Stadt im Nordwesten von Kiew zogen sich die russischen Truppen vorerst zurück. Die 82-jährige Larysa Kolesnyk holten Rettungskräfte – mit anderen – am Mittwoch aus Irpin. Die Geretteten berichten von Kriegsgräueln.

Saporischschja

Ein ukrainischer Freiwilligencorps feuert eine Haubitze in der Region um die Stadt Saporischschja. Während die Gewalt in Norden etwas nachlässt, tobt der Krieg im Süden und Osten des Landes unvermindert weiter, teils brutaler als zuvor.

In Saporischschja kommen viele an, die der Hölle von Mariupol entkommen sind – der seit Wochen belagerten Stadt im Osten des Landes. Darunter ein dreijähriger Junge, der im Bombardement verwundet wurde. In den Krankenhäusern der Stadt sammeln sich die Verletzten der ganzen Region.

In Bussen kommen die Geflüchteten aus Mariupol in Saporischschja an. Zehntausende bleiben eingeschlossen zurück. Wer kann, reist weiter und nimmt einen der Züge nach Lwiw (Lemberg).

Lwiw

Doch auch über der westukrainischen Stadt steigt dunkler Rauch auf. Am 26. März schlagen dort russische Raketen ein. SZ-Korrespondentin Sonja Zekri hat über den Kriegsfrühling im ehemaligen Lemberg geschrieben.

Ukrainische Soldaten tragen den Sarg des getöteten Roman Vasilikov. Er starb bei Gefechten im Osten des Landes. Die USA schätzen die Verluste der ukrainischen Armee auf mehrere Tausend Menschen, in Lwiw werden täglich Beerdigungen für die Toten abgehalten.

Am Bahnhof von Lwiw sieht man herzzerreißende Abschiede. Unter den Fliehenden ist Inna Lazareva, die ihre Schwester umarmt, bevor sie in einen Bus nach Polen steigt. Während die meisten Geflüchteten Binnenvertriebene sind, reisen Millionen weiter in angrenzende Länder.

Polen

Das osteuropäische Land hat mit Abstand die meisten Geflüchteten aufgenommen. Allein 2,3 Millionen Menschen sind nach Polen geflohen. Die Zahl der Ankommenden ist zuletzt allerdings leicht gesunken.

Die Menschen fliehen zum Teil nur mit dem Nötigsten, doch bringen es oft nicht übers Herz, ihre Haustiere zurückzulassen. Hunde, Katzen, Wellensittiche, viele davon selbst verletzt.

Plakate in Warschau zeigen den russischen Präsidenten als Vampir und Todbringer. Polen gehört zu den lautesten Stimmen, die scharfe Sanktionen gegen Russland fordern. Für die Nato und die USA ist das Land von großer strategischer Bedeutung.

Charkiw

Zurück im Osten des Landes: Ein Radfahrer fährt an einer Flammensäule und schwarzem Rauch vorüber. Ergebnis von russischem Artilleriebeschuss. Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, wird seit Wochen heftig bombardiert. "Es gibt keine Ruhe", berichtet der Bischof der Stadt, Pawlo Honczaruk.

Binnen 24 Stunden seien zuletzt 380 Raketen auf Charkiw niedergegangen, meldet der dortige Gouverneur. Große Teile der Stadt sind bereits ausgebombt.

Manche Nachbarschaften sind wie ausgestorben, ohne Wasser, Gas oder Heizung. Nur die Vorhänge flattern im Wind.

Die Menschen verstecken sich in U-Bahn-Schächten und Kellern. Etwa die Hälfte der 1,4 Millionen Bewohner haben Charkiw bereits verlassen.

Nachts patrouillieren Polizisten in den leergefegten Straßen. In Charkiw gilt eine nächtliche Ausgangssperre von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens.

Mit Sandsäcken sichern Arbeiter in Charkiw eine Statue des ukrainischen Lyrikers und Malers Taras Schewtschenko. Der russische Beschuss kostet vor allem Menschenleben, doch er zerstört auch Denkmäler und Kulturgüter.

Odessa

In der Hafenstadt am Schwarzen Meer gibt es immerhin einen kleinen Lichtblick: Der Zoo hat wiedereröffnet.

Team
Bildredaktion Daniel Hofer, Christine Kokot
Text und Digitales Storytelling Joshua Beer