


Im Café Kaiserschmarrn duftet es nach Zuckerguss und geschmolzener Butter. Es ist kurz nach zehn Uhr, in der Theke liegen Krapfen, Zimtschnecken und Zwetschgendatschi, die ersten Gäste trudeln ein. Von außen sieht das Zelt, das seit 2007 auf dem Oktoberfest ist, aus wie ein Zuckerschloss aus einem Märchen.
Berühmt ist es für große Aperol-Spritz-Gläser – und für seine Backwaren. Pro Wiesntag werden ungefähr 600 Portionen Kaiserschmarrn verkauft.
Wenn man Kaiserschmarrn in dieser Masse zubereitet, schmeckt er dann noch? Um hinter das Geheimnis des Hausrezepts von Rischart zu kommen, arbeite ich heute in der Küche mit.
Ausgestattet mit Schürze und Bäckermütze werde ich in die Küche hinter den Tresen geschleust. Dort geht es hektisch zu. Links bereitet ein Koch Rührei zu, rechts brummt die Kaffeemaschine. Eine große Plastikbox voller Johannisbeeren wird vorbeigeschoben, ein Bäcker richtet konzentriert einen Frühstücksteller mit Lachs an.
Die Durchgänge sind eng, immer wieder muss ich mir eine kleine Nische suchen oder mich gegen eine Wand lehnen, um Köche mit Geschirr oder Backzutaten vorbeizulassen.
Mein erster Stopp: Hände waschen. Dann geht es zur Rührmaschine. Sie überragt mich um mindestens zwanzig Zentimeter, die Schüssel fasst dreißig Liter Teig. Dort warten Küchenchef Antonio Duarte und die erste Kraftübung.
Denn im Café Kaiserschmarrn gleicht die Teigzubereitung einem Hanteltraining.
Weil ich dafür sehr lange brauche, greift Duarte nach der fünften Packung ein. Geübt und viel zügiger schüttet er zwei Tüten gleichzeitig in die Rührschüssel, mit seinem Küchenteam bereitet er den Teig jeden Tag mehrmals frisch zu.
Noch zwei Esslöffel Salz dazu, und Duarte verrät mir das erste Geheimnis für den perfekten Kaiserschmarrn: Sprudelwasser macht den Teig besonders fluffig. Ein Liter davon kommt in den Teig.
Dann geht es weiter zur Hauptattraktion des Cafés Kaiserschmarrn: zur riesigen, gusseisernen Pfanne. Als Gast kann man Bäcker Mario Barbosa durch eine Glasscheibe beobachten, wie er einen XXL- Schmarrn nach dem anderen brät.
Ich stehe jetzt neben ihm und bekomme direkt eine große Kelle in die Hand gedrückt, die vielleicht dreimal so groß ist, wie ich das von daheim kenne. Aus der Nähe wirkt die Pfanne noch gigantischer. Sie steht schon eine Weile auf dem Herd und ist heiß, sehr heiß. Mir glühen die Wangen.
„Erst das Fett“, dirigiert Barbosa über meine Schulter. Der Durchmesser der Pfanne ist länger als mein Arm. Ich tunke die Kelle in das flüssige Fett und muss mich strecken, um es auf der gesamten Pfanneninnenfläche zu verteilen. Danach kommt der Teig dazu. Vier Kellen davon, sagt Barbosa.
Leichter ist es danach, eine kleinere Kelle mit Rosinen über den Teig zu streuen.
Ein paar Minuten kann ich durchatmen, während der Teig backt. Kurze Zeit für ein Gespräch mit Barbosa. Er arbeitet seit mehr als zehn Jahren bei der Bäckerei Rischart. Mittlerweile wohnt er wieder in seiner Heimat Portugal und kommt nur für das Oktoberfest nach München. Dann steht er drei Wochen hinter der Kaiserschmarrn-Pfanne.
Puderzucker allein reicht nicht für den Geschmack
Die kurze Pause ist vorbei, wir müssen den Teig zerkleinern. Barbosa macht es vor: Mit einer kehrschaufelgroßen Kelle und einem Pfannenwender zerteilt er den Kaiserschmarrn kreuz und quer und von oben nach unten und wendet alle Stückchen einmal. Dann lüftet er ein weiteres Rezept-Geheimnis: Über den Kaiserschmarrn träufelt er karamellisierten Zucker.
Der gibt dem Gericht die besondere Süße. Zuletzt schaufelt er die Stückchen in eine Edelstahlbox, die neben der Pfanne steht. Dort wird der fertige Schmarrn warmgehalten.
Die nächste Portion mache ich allein: Fett, Teig, Rosinen, jetzt geht alles schon leichter. Dann kommt das Schneiden.
Mit verschwitzter Stirn blicke ich auf das Ergebnis: Meine Stückchen sind viel grober und dunkelbrauner als die von Barbosa. Wie er meinen Kaiserschmarrn findet? Barbosa probiert und nickt zufrieden: „Schmeckt sehr gut.“
Zum Schluss noch Puderzucker.
Jetzt noch mit Minze und Johannisbeeren verzieren, aus der Küche balancieren – und servierfertig ist mein Kaiserschmarrn.
Jedes Jahr gibt es eine besondere Kaiserschmarrn-Variation, erzählt Magnus Müller-Rischart, Inhaber der Großbäckerei Rischart. Dieses Jahr Kaiserschmarrn Suzette: flambierter Kaiserschmarrn mit Orangenscheiben und Grenadinen. Persönlich mag er das Gericht gerne klassisch mit Apfelmus, aber auch die Popcorn-Kaiserschmarrn-Variante, die sie vor ein paar Jahren im Wiesn-Sortiment hatten.
Müller-Rischart, Barbosa und Duarte sind zufrieden mit meiner Arbeit. Wenn ich wolle, dürfe ich auf der nächsten Wiesn als Kaiserschmarrnbäckerin bei ihnen anfangen, charmieren sie.
Ich denke an die 600 Portionen, die pro Tag gebacken werden. Wie viele Kilogramm Eier, Milch und Mehl ich dafür stemmen müsste, das will ich mir gar nicht ausrechnen.