


Das Oktoberfest steht für Jubel, Trubel, Heiterkeit und viele Möglichkeiten zum Flirten. Doch hat auch die Liebe, die lange hält, eine Chance? Offenbar. Die SZ hatte ihre Leserinnen und Leser um deren Wiesn-Liebesgeschichten gebeten - und noch immer trudeln neue ein.
Eine Auswahl mit romantischen Fügungen des Schicksals, dem Riesenrad als Eisbrecher und ungewohntem Mut zur Frechheit.

„Im vergangenen Jahr lebte ich noch in Berlin, wollte aber mit meiner Freundin Lisa aufs Oktoberfest. Dafür suchte ich lange nach einem Dirndl, nicht zu teuer, nicht zu kurz, ohne Schnüre, um nicht als „Preuße“ abgestempelt zu werden. Nach langer Suche fand ich eines secondhand. Auf der Wiesn bekam Lisa zufällig durch Freunde von Freunden Bändchen für die Bräurosl. Wir fühlten uns unbesiegbar, waren elektrisiert von den Menschen, der Musik, der guten Laune. Ein Kerl hat mich einfach zum Tanzen aufgefordert. Eigentlich ungewöhnlich für das Oktoberfest, normalerweise wird man da gestört von schubsenden Menschen oder der Bedienung. Aber wir tanzten zweimal zusammen, dann musste ich kurz haltmachen, da er mich so durch die Luft wirbelte.
Wir unterhielten uns kurz, ich konnte jedoch kaum etwas verstehen bei der lauten Musik und mein Hörvermögen war eh schon vom Bier getrübt. Was ich verstand: dass er Johannes heißt und sein Vater ihm die Firma überlassen hat. Typisch Münchner, dachte ich. Er hielt mir sein Handy mit einem QR-Code hin und meinte, meld dich mal! Und ich dachte nur, nein, nein, nein, das will ich doch gar nicht. Jetzt muss ich mich bei dem melden. Eigentlich wollte ich lieber meine Nummer rausgeben, soll sich doch der Mann rühren.
Lisa und ich zogen weiter, aber später im Taxi meinte sie: „Anne, jetzt schreib halt mal dem Typen. Du kannst doch zu ihm heute Nacht.“ So bin ich aber nicht, ich wollte kein One-Night-Stand. Aber sie entriss mir mein Telefon, rief Johannes an, der zum Glück nicht abnahm. Am nächsten Tag wachte ich auf mit einer Nachricht von ihm. „Hast du angerufen? Bin schon daheim.“ Ich behauptete, es sei ein Hosentaschen- bzw. Dirndl-Anruf gewesen, am nächsten Tag reiste ich sowieso zurück.
Trotzdem schrieb ab und zu dieser Johannes. Dafür, dass wir nur ein paar Sätze gewechselt hatten, hatten wir relativ viel Kontakt. Seine witzige Art gefiel mir, aber ich war ja in Berlin. Doch in einer Partynacht schrieb ich ihm wehmütig, ich wisse ja, dass wir ewig weit entfernt wohnten und es sich für einen Kaffee nicht lohne. Da fragte er mich einfach, ob ich mit ihm in den Urlaub fahren möchte, 48 Stunden in einem Wellness-Hotel in Österreich. Mein Vater meinte, Anne sei einfach du – Liebe ist immer ein Risiko.
Auf der Fahrt zum Hotel war ich so nervös wie noch nie bei Dates. Wir verstanden uns genauso wie in unseren Chats, 48 Stunden waren uns fast zu wenig. Ich saß am Sonntag wieder im Zug zurück und wusste, jetzt hat Berlin ein Ende. Inzwischen wohnen wir zusammen im Süden von München. Und fast ein Jahr nach der Wiesn sagte mir Johannes: „Ich dachte, weil du so ein gutes Dirndl anhattest, dass du von hier bist. Sonst hätte ich dich damals nie angesprochen.“

"Mein romantischster Wiesn-Moment: der erste Kuss mit ihm im Riesenrad. Wir waren davor immer zu schüchtern und dachten jeweils, der andere habe kein Interesse. Ganz oben sahen wir uns an – und küssten uns.
Ob es ein wenig am Bier lag oder daran, dass wir beide Höhenangst haben, wissen wir auch nicht ganz. Das war vor sieben Jahren - mittlerweile sind wir verlobt. Danke Rad, höre nie auf, dich zu drehen."

"Am zweiten Wiesnsamstag 2013 hatte mein damaliger Arbeitgeber eingeladen. Wir als Werkstudent*innen haben es natürlich krachen lassen und irgendwann habe ich mit unseren Bändchen zwei flüchtige Bekannte ins Zelt geschmuggelt. Zu einer der beiden habe ich mich davor schon ein bisschen hingezogen gefühlt. Wir tanzten zusammen auf den Bänken und hatten einen wunderbaren Abend, an dem wir uns immer näherkamen.
Ich erinnere mich an ihre warme Hand, die ich hielt, und an unseren ersten Kuss. Der Kuss war fürchterlich, er ist trotzdem eine meiner schönsten Erinnerungen. Dieser eine Moment, in dem aus Freundschaft Liebe werden kann.
Doch in unserem Leichtsinn haben wir uns getrennt und für später wieder verabredet. Meine Kolleg*innen wollten noch ins Weinzelt, sie aber wollte zum Feiern weiter. Wir haben uns danach nicht wieder gesehen. Obwohl ich heute in einer sehr glücklichen Beziehung lebe, kommt die Erinnerung manchmal wieder und mit ihr die Frage: Was wäre, wenn…"

"Vor genau 20 Jahren habe ich meine wunderbare Ehefrau und Mutter meiner goldigen Mädels (heute sechs und elf Jahre alt) im Schottenhamel kennengelernt. Geplant war sicher nicht, die Frau meines Lebens zu finden. Aber das Schicksal hat es gut mit mir gemeint.
Bettina kam damals im feschen Mieder an unseren Jungstisch und fragte, ob wir noch ein paar Plätze frei hätten. Nach unserem euphorischen "Ja, klar!", hat sie ihren Bruder und ein paar Kumpels mitgebracht. Für mich lief der Abend dann dennoch bestens. Danke Bettina für die beste Wiesn jemals!"

"Mittlerer Oktoberfest-Samstag 2016, im Bräurosl-Zelt. Weder meine jetzige Frau noch ich planten, an diesem Abend aufs Oktoberfest zu gehen, wir wurden aber beide von Freunden überredet. An meinem Tisch waren nur Jungs und ich wollte etwas flirten - da fiel mir ein wunderschönes Lächeln zwei Tische weiter auf.
Auch wenn dort nur Mädels standen, habe ich Mut bewiesen, bin zum Tisch gegangen und habe das Mädchen mit dem tollen Lächeln angesprochen.

Zwei Stunden, einige abgewehrte andere Interessenten und eine Maß später hatte ich ihre Nummer. Ich habe ein Date ausgemacht, noch eines und noch viele weitere. Vor fünf Wochen haben wir geheiratet."

"2010 in der Bräurosl am ersten Wiesntag: Ich tanzte mit meinen Mädels auf der Bierbank, da trafen sich im Vorbeigehen unsere Blicke. Ein Zwinkern später tranken wir unsere erste Mass zusammen und haben uns seither nie mehr aus den Augen verloren: Wir treffen uns immer wieder auf der Wiesn.
‚An Tagen wie diesen’ von den Toten Hosen ist unser Lied, auch wir warten ‚seit Wochen auf diesen Tag und tanzen vor Freude über den Asphalt‘ und sehen uns immer ‚wie ausgemacht zur derselben Uhrzeit am selben Treffpunkt wie letztes Mal‘. Nach zwei Jahren Wiesnabstinenz war es dieses Jahr wieder so weit: Ohne uns zu verabreden, wussten wir, wo wir uns sehen. Er wird immer meine Wiesnliebe und Sehnsucht bleiben."

"2004 lernte ich im Hacker-Zelt einen Mann kennen, mit dem ich anschließend fast zehn Jahre zusammen war. Leider ging die Beziehung zu Ende. Doch als ich mich von der Trennung erholt und ein paar Monate mein Single-Dasein genossen hatte, war wieder Oktoberfest. Und siehe da, die Wiesn bringt mir einfach Glück!
Diesmal war es im Winzerer Fähndl, und inzwischen bin ich mit diesem Mann verheiratet und wir haben einen knapp zweijährigen Sohn - der heuer endlich zum ersten Mal die Wiesn kennenlernen darf!"

"Es war in einer Bar auf einer Après-Wiesn-Party im Jahr 2010: Mein zukünftiger Ehemann war der einzige, der keine Lederhosen trug, und ich war eine der wenigen Frauen, die kein Dirndl anhatte. So lernten sich ein Slowake und eine Finnin kennen.
Jetzt leben wir im schönen Polling in Oberbayern und haben drei wunderbare Kinder, die Dirndl und Lederhosen tragen."

"Vor 28 Jahren habe ich meinen Traummann auf der Wiesn im Käfergarten kennengelernt. Ich war eigentlich mit meinem Ex-Freund und einem Bekannten da. Weil jedoch beide merkten, es läuft nix bei mir, hatten sie mich an einem anderen Tisch geparkt bei Freunden des Bekannten und meinten, sie würden gleich wiederkommen. Allein unter lauter fremden Frauen und Männern – da blieb mir nichts anders übrig als zu flirten.
Ich habe einige Telefonnummern bekommen, aber mein heutiger Mann war am hartnäckigsten (ich hatte mich sowieso gleich in seine tiefblauen Augen verguckt). Eine Woche später sind wir nochmal zu zweit auf die Wiesn.

Sieben Jahre später haben wir geheiratet und eine Tochter bekommen. Ich liebe meine Wiesnliebe und bin noch immer glücklich, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein."

"Es war am letzten Wiesntag 1998. Ich ging mit einer Gruppe Freunde gleich am Morgen auf die Wiesn, um noch einen Platz im Zelt zu bekommen. Zwei Tische weiter saßen Franzosen – einer hatte besonders schöne Augen. Wie das so ist: Man tauscht Plätze, prostet sich zu und irgendwann saßen wir Rücken an Rücken. Noch ein Schluck Bier und dann habe ich dem schönäugigen Mann aus Frankreich ein Busserl auf die Wange gedrückt. Sein Kommentar: “I am French - if you want to kiss me, it should be better French kissing.“ Was für ein Draufgänger – aber das muss am Wiesnbier gelegen haben.
Später konnte ich feststellen, dass dieser Franzose eigentlich schüchtern ist. Ich bin gleich am nächsten Wochenende nach Paris geflogen, um zu sehen, ob mir Thierry auch nüchtern gefällt. Es war nebensächlich, dass er zehn Zentimeter kleiner ist als ich. Wir haben uns im Sitzen kennengelernt und sitzend kräftig geschmust.
Thierry ist damals nur zur Wiesn nach München gekommen, weil in seiner Freundesgruppe jemand ausgefallen und alles schon gebucht war. Er ist innerhalb von 24 Stunden eingesprungen, in den Wagen gestiegen und hat so seine zukünftige Frau - also mich - kennengelernt. Was soll ich sagen: Mein Schulfranzösisch hat sich seit diesem Tag immens verbessert, elf Monate später waren wir verheiratet. Weitere sechs Wochen später kam unsere Tochter Zazie auf die Welt. Inzwischen sind wir seit 23 Jahren verheiratet und haben drei Kinder.

Auf die Wiesn fahren wir jedes Jahr! Inzwischen gehen wir aber nicht mehr in die Bräurosl, in der wir uns das erste Mal begegnet sind, sondern lieber auf die Oide Wiesn. Unsere Familie wohnt nun in der Nähe von Hannover, aber: Wenn Wiesn ist, samma wieda do!"
Die Liebesgeschichten erschienen erstmals zur Wiesn 2022 und werden immer wieder durch neue romantische Erlebnisse der Leserinnen und Leser ergänzt.