Süddeutsche Zeitung

Wahl des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg:Winfried, der Vorsichtige

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An diesem Donnerstag könnte Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident der Republik werden. Könnte? Richtig, Kretschmann sagt "könnte". Er fürchtet Abweichler in den eigenen Reihen, die bei der Postenvergabe zu kurz gekommen sind.

Roman Deininger, Stuttgart

An der Regierungsbank im Stuttgarter Landtag stehen Stefan Mappus und Hans-Ulrich Rülke beieinander, der Ministerpräsident von der CDU und der Fraktionschef von der FDP. Die beiden sind befreundet, als Duo waren sie so etwas wie der kleine schwarz-gelbe Koalitionsausschuss.

Wenn sie sich mit ernster Miene etwas ins Ohr flüsterten, fragte man sich früher stets, welche Geschicke des Landes sie jetzt wohl wieder in welche Richtung lenkten. Mittwochmittag sieht es eher so aus, als hätte Rülke Mappus einen Witz erzählt, einen guten. Zu lenken haben die beiden nicht mehr viel.

Es ist der erste Tag der grün-roten Zeitrechnung in Baden-Württemberg, gerade hat sich der 15. Landtag konstituiert. 138 Abgeordnete hat das Parlament, 52 davon sind neu. Wenn man von oben auf die Sitzordnung schaut, ist da, wo vor ein paar Wochen noch ein dünner grüner Strich war, ein dicker grüner Balken.

Drüben bei der CDU ruft einer dem anderen neckisch zu: "Ja, gibt's dich auch noch?" Und in der Mitte der Grünen-Fraktion, Buchstabe K, sitzt der Mann, der tags darauf auf die Regierungsbank umziehen soll. An diesem Donnerstag um 11 Uhr könnte Winfried Kretschmann, der 62-Jährige Biolehrer von der Schwäbischen Alb, der erste grüne Ministerpräsident in Deutschland werden.

"Könnte" ist ein Wort, das Kretschmann dieser Tage selbst gern benutzt. Zu seiner Wahl benötigt er die absolute Mehrheit der Stimmberechtigten, das wären 70. Grün-Rot hat 71 Abgeordnete.

Also erinnert Kretschmann mahnend an die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis, die 2005 nach vier gescheiterten Wahlgängen aufgab. Oder an Erwin Teufel, der hier in Stuttgart 1996 zwei Anläufe brauchte. Teufel hatte ein paar Parteifreunde bei der Postenvergabe übergangen - und das, merken einige Sozialdemokraten nun an, sei doch bei Kretschmann nicht anders.

Eine Blamage für Grün-Rot darf als unwahrscheinlich gelten, aber für den Fall, dass es so weit kommt, versuchen die Partner schon mal vorab die Schuldfrage zu klären. Immerhin haben die Grünen eine neue Fraktionschefin, die gut gerüstet sein dürfte für die Disziplinierung ihrer Leute: Die Freiburgerin Edith Sitzmann lehrte bisher als "Trainerin" auch "Teamfähigkeit".

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Quelle:
SZ vom 12.05.2011
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