Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:"Es gab mächtige Kräfte, die das Wahlergebnis nicht akzeptieren wollten"

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Nach seinen offenbar vergeblichen Bemühungen, als Spitzenkandidat nach der Europawahl an die Spitze der Europäischen Union zu gelangen, zeigt sich EVP-Fraktionschef Manfred Weber frustriert.

Die Schuld für sein Scheitern gab er in der Bild vor allem dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. "Es gab mächtige Kräfte, die das Wahlergebnis nicht akzeptieren wollten." In Brüssel habe es Hinterzimmer-Gespräche und Nachtsitzungen gegeben, "bei denen sich die Achse Macron und Orbán durchgesetzt und das Spitzenkandidatenprinzip demontiert hat." So wie es gelaufen sei, sage er: "Das ist nicht das Europa, das ich mir vorstelle." Er wisse, dass man als Politiker Wahlen gewinnen oder verlieren könne. "Aber dass Emmanuel Macron und Viktor Orbán das Wahlergebnis einfach vom Tisch wischen, hätte ich nicht erwartet."

Das Vorgehen von Macron und Orbán sei eine "überraschende Konstellation" gewesen, da sich Macrons Wahlkampf insbesondere gegen Orbán gerichtet habe. "Und plötzlich arbeiten sie zusammen und beschädigen das demokratische Europa. Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen."

Er sei mit Macron in Kontakt gewesen, aber dieser habe ihm nie persönlich gesagt, "dass er etwas gegen meine Person hätte". Das Argument, er hätte keine Regierungserfahrung, sei absurd. Ein Drittel aller europäischen Regierungschefs habe vorher keine exekutive Erfahrung gehabt. "Die Wähler sollten über die Qualifikation entscheiden, sonst niemand."

Von dem ungarischen Premier Orbán hatte sich Weber vor der Wahl distanziert. Das Verhalten Orbáns bezeichnet er nun als "Rückspiel", weil Weber sich gegen die Einschränkung der Grundrechte in Ungarn ausgesprochen habe.

Die Bundeskanzlerin wollte Weber von seiner Kritik ausdrücklich ausnehmen. Er habe vollstes Verständnis dafür, dass Merkel Kompromisse schließen und handlungsfähig sein müsse. "Und dass sie eine deutsche Kommissionspräsidentin am Ende unterstützt, ist doch auch völlig logisch und richtig." Er selbst werde die nominierte Ursula von der Leyen unterstützen, auch wenn er persönlich ernüchtert sei. Von der Leyen sei absolut für das Amt geeignet und "durch und durch Europäerin".

Die Kandidatin hatte sich am Donnerstag mit dem amtierenden EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker getroffen. Dieser lobte die CDU-Politikerin zwar ausdrücklich, kritisierte einen Tag später aber ebenfalls die Postenvergabe. Der Prozess sei nicht sehr transparent gewesen. Weil höchstwahrscheinlich keiner der Spitzenkandidaten nach der Wahl die nächste EU-Kommission anführen wird, sagte Juncker: "Ich war der erste und der letzte Spitzenkandidat."

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