Süddeutsche Zeitung

Sozialismus:SPD-Spitze geht auf Distanz zu Juso-Chef Kühnert

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Generalsekretär Klingbeil nennt Verstaatlichung von BMW "eine Utopie", Mittelstandspolitiker bezeichnen Idee als "absurd".

Von Robert Roßmann, Mike Szymanski und Max Hägler, Berlin

Nach heftigen Reaktionen hat sich die SPD-Spitze am Donnerstag von den Sozialismus-Thesen von Juso-Chef Kevin Kühnert distanziert. Der Vorsitzende der Nachwuchsorganisation der SPD hatte in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit über seine Vorstellungen von Sozialismus gesprochen und die "Kollektivierung" von Firmen ins Gespräch gebracht. Auch sollte es "im Optimalfall" keine privaten Vermietungen mehr geben, sagte Kühnert angesichts der Wohnungsnot in Ballungszentren. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellte klar, Kühnert spreche über eine "gesellschaftliche Utopie" - "diese ist nicht meine und auch keine Forderung der SPD".

Am Beispiel des Autobauers BMW hatte Kühnert ausgeführt: "Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW ,staatlicher Automobilbetrieb' steht oder ,genossenschaftlicher Automobilbetrieb' oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht." Entscheidend sei, dass die Verteilung der Profite demokratisch kontrolliert werde. "Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebes gibt." Parteichefin Andrea Nahles wollte zunächst nicht zu den Äußerungen Position beziehen. Dabei hatte Kühnert auch in der Partei erhebliche Aufregung ausgelöst.

Der SPD-Mittelstandsbeauftragte Harald Christ sagte der SZ, Kühnerts Positionen seien "absurd und abwegig". Er werde damit in der SPD keine Mehrheiten finden. Der Haushaltspolitiker Johannes Kahrs hatte die Äußerungen zuvor als "groben Unfug" bezeichnet. Der baden-württembergische SPD-Landeschef Andreas Stoch sagte, "linke Revolutionsrhetorik" löse kein einziges der aktuellen Probleme. Parteilinke waren bemüht, die Wogen zu glätten. SPD-Vize Ralf Stegner sagte, Kühnert beschreibe "skandalöse Missstände, die es gibt", aber er stelle "keine tagespolitischen Forderungen auf". Die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen sagte, der Juso-Vorsitzende habe das Recht, "frei" über die Verbindung von Kapitalismus und sozialer Demokratie nachzudenken. Daraus sollte keine "hysterische Debatte" entstehen.

Aus Union und FDP, aber auch von den Grünen, gab es deutliche Kritik an Kühnert. Alexander Dobrindt, Chef der Bundestagsabgeordneten der CSU, sagte, Kühnert treibe den "Linksruck in der SPD mit Lust voran", er warne die SPD davor, einem "Neo-Sozialisten" hinterherzulaufen.

Bei BMW wollte man das Kühnert-Interview offiziell nicht kommentieren - vor allem deshalb, weil die Rechtsform "Aktiengesellschaft" schon eine Art der Kollektivierung darstelle: jeder könne Teilhaber werden. Allerdings erinnern Gewerkschafter der Autobranche daran, dass Kühnerts Forderung in der Satzung stehe: Die "Überführung von Schlüsselindustrien (...) in Gemeineigentum" sei Ziel der IG Metall. Die Gewerkschaftszentrale lehnte dennoch jeglichen Kommentar zu Kühnert ab. Der 29-Jährige führt die Jusos seit 2017 an. Er war bei der Regierungsbildung als Wortführer der Gegner einer großen Koalition aufgetreten.

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SZ vom 03.05.2019
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