Süddeutsche Zeitung

USA: Todesstrafe:"Ich brauche ein Wunder"

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Seit 1912 ist im US-Bundesstaat Virginia keine Frau mehr hingerichtet worden. An diesem Donnerstag wird sich das ändern - dabei zeigt der Fall Teresa Lewis die Gnadenlosigkeit des US-Rechtssystems.

Wolfgang Jaschensky und Matthias Kolb

Wenn die Pastorin Lynn Litchfield über Teresa Lewis spricht, dann hört sich das bisweilen so an, als spräche sie über ihr frommstes Gemeindemitglied. Dann sagt sie zum Beispiel: "Teresa Lewis hat es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Tag ihre Beziehung zu Gott zu vertiefen."

Lynn Litchfield ist die Seelsorgerin in einem Frauengefängnis in Virginia, dem "Fluvanna Correctional Center for Women" und vielleicht ist Lewis tatsächlich ihr frommstes Gemeindemitglied. Aber wenn nicht ein Wunder geschieht, dann wird Lewis an diesem Donnerstag mit einer Giftspritze getötet.

Teresa Lewis wäre die erste Frau seit fast hundert Jahren, die in diesem Bundesstaat hingerichtet wird. Aber nicht nur deshalb entzündet sich am Fall der Teresa Lewis in den USA wieder eine Debatte über die Todesstrafe. Auch Befürworter der Todesstrafe dürften in diesem Fall Zweifel haben, ob die tödliche Injektion für Lewis die gerechte Strafe ist.

Lewis hat gestanden, vor acht Jahren zwei Männer beauftragt zu haben, ihren Ehemann und ihren Stiefsohn zu ermorden. Weder an der Tat noch an ihrer Beteiligung bestehen Zweifel. Am 30. Oktober 2002 ließ die damals 33-jährige Lewis die Tür des Wohnmobils offen, in dem sie mit ihrem Mann und ihrem Stiefsohn wohnte. Wie verabredet stürmten zwei Männer in dieser Nacht den Wohnwagen und töteten Vater und Sohn. Das Motiv: Lewis wollte an das Geld ihres Mannes und die Lebensversicherung ihres Stiefsohns.

Nach dem Geständnis wurden Lewis und die beiden Schützen Matthew Shallenberger und Rodney Fuller wegen Mordes angeklagt. Doch während die Schützen mit lebenslänglichen Haftstrafen davonkamen, verhängten die Richter für Lewis die Todesstrafe. Vor allem daran reiben sich nun die Kritiker. Weniger die tatsächliche Schuld, so der Vorwurf, sondern die Qualität der Anwälte und der Verlauf des Verfahrens hätten den Ausschlag gegeben.

Denn als Erstes hatten die Anwälte des Schützen Fuller reagiert: Sie einigten sich mit dem Strafverfolgern auf lebenslange Haft, wenn ihr Mandant gegen die beiden anderen aussagt. Shallenberger wiederum kam mit lebenslänglich davon, weil es nach Aussagen des Gerichts unfair wäre, den einen Schützen mit lebenslänglich, den anderen mit dem Tod zu bestrafen. Teresa Lewis wurde hingegen als mutmaßliche Strippenzieherin zum Tod verurteilt - weil sie dem Rat ihrer Anwälte folgte.

Beistand von John Grisham

Der prominenteste Kritiker dieses Verfahrens ist der Bestseller-Autor John Grisham. Er schreibt in der Washington Post: "Lewis' Anwälte glaubten, dass ihre Mandantin wie der Schütze Fuller auch lebenslang hinter Gittern müsse." Gleiche Strafe für das gleiche Verbrechen. Doch obwohl Lewis mit den Behörden kooperiert hatte und vorher keine einzige Straftat begangen oder als gewalttätig aufgefallen war, kam es schlimmer.

Der Jurist Grisham, der in Charlottesville in Virginia lebt, stellt die Frage: "Teresa Lewis hat nicht abgedrückt. Warum sitzt sie im Todestrakt?" Für den Autor von Thrillern wie Die Akte oder Die Jury steht fest: Lewis ist nicht unschuldig, aber sollte sie hingerichtet werden, wäre ihr Fall "ein weiteres Beispiel für die Ungerechtigkeit des Systems der Todesstrafe in den USA".

Doch die Verteidiger von Teresa Lewis finden seit Jahren kein Gehör mit ihren Einwänden gegen die Entscheidung. Dabei sind ihre Argumente stichhaltig: Lewis litt unter einer schweren Medikamentenabhängigkeit und ihr IQ liegt nur knapp über der Grenze, bei der eine geistige Behinderung die Todesstrafe verbietet. Zudem wiesen Psychologen eine "abhängige Persönlichkeitsstörung" nach.

Betroffene fühlen sich oft hilflos und inkompetent und lassen deshalb häufig ihre Mitmenschen für sich entscheiden. Ein Psychologe, der Lewis lange untersucht hat, spricht von Verhaltensweisen eines kleinen Mädchens.

Gouverneur will hart bleiben

Jenseits von Lewis' Persönlichkeit präsentierten die Verteidiger in den vergangenen Jahren auch Aussagen, die belegen sollen, dass eigentlich Shallenberger das Verbrechen geplant hat. Zum einen liegt eine eidesstattliche Erklärung Fullers vor, der aussagt, dass eindeutig sein Komplize die Verantwortung an den Morden trug. Zum anderen schrieb Shallenberger selbst aus dem Gefängnis an eine Freundin, dass er nur mit Lewis geschlafen habe, um an ihr Geld zu kommen.

Die Unterstützer und Freunde haben eigens eine Website eingerichtet, um auf den Fall aufmerksam zu machen. Zuletzt stellten sie ein Audio-File auf www.saveteresalewis.org - darauf ist die Stimme von Teresa Lewis zu hören, die ein Lied singt. Es lautet "I need a miracle."

Doch dieses Wunder wird wohl nicht kommen, denn Robert McDonnell hat all das wenig beeindruckt. Der republikanische Gouverneur von Virginia lehnte das Gnadengesuch mit der Begründung ab, dass kein Arzt zu dem Schluss kam, Teresa Lewis sei nach dem Gesetz geistig zurückgeblieben.

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