Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:Russland setzt Angriffe auf Infrastruktur fort

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Die Energieversorgung in der Ukraine ist massiv beschädigt. Moskau behauptet, nur militärische Anlagen anzugreifen. Unter UN-Vermittlung gibt es eine Einigung über die Fortsetzung der Getreideexporte.

Von Florian Hassel, Warschau

Russland setzt seine massiven Angriffe auf die Infrastruktur der Ukraine fort. Allein am Donnerstagmorgen feuerte Moskaus Militär ukrainischen Offiziellen zufolge ferngelenkte Waffen unter anderem auf die Ostregion Charkiw, die Großstädte Dnipro, Odessa und Kiew sowie die Regionen Poltawa und Tscherkassk. In Kiew schoss die Luftabwehr der Stadtverwaltung zufolge zwei Raketen und fünf Drohnen ab; über Treffer wurde zunächst nichts bekannt. Zwei der Drohnen seien über einem Trinkwasserreservat der Hauptstadt abgeschossen worden.

Trotz vieler Gegenbeweise bleibt Russland bei seiner Darstellung, es greife mit Raketen nur Infrastrukturobjekte mit einem "direkten oder indirekten Bezug" zum militärischen Potenzial der Ukraine an. Russland attackiert auch die atomare Infrastruktur des Landes, das erhöht nach Angaben des Direktors der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, das Risiko einer "nuklearen Notlage".

Zunehmend lässt Moskau aber auch andere Infrastrukturobjekte angreifen. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sagte: "Jetzt bombardieren sie unsere Gasförderung, sie bombardieren unsere Unternehmen in Dnipro, Juschmasch." Dem Gaskonzern Naftogas zufolge wurden in der Ostukraine Anlagen zur Gasförderung und -weiterverarbeitung beschädigt oder zerstört. In Dnipro produziert die staatliche Maschinenbaufabrik Juschmasch auch Raketen für das ukrainische Militär. Präsident Wolodimir Selenskij veröffentlichte ein Video, das einen Angriff auf Dnipro zeigen soll. Dem dortigen Bürgermeister Boris Filatow zufolge wurden dabei auch Wohnhäuser getroffen und 14 Menschen verletzt.

Unterdessen untersuchen polnische und US-amerikanische Ermittler weiter den Raketeneinschlag vom 15. November in Polen, bei dem zwei Menschen umkamen. Nach Angaben von Polens Präsident Andrzej Duda und der US-Aufklärung zufolge kamen offenbar ein oder zwei von der Ukraine abgefeuerte S-300-Flugabwehrraketen vom Kurs ab. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro ergänzte, man habe am Unglücksort "Überreste einer russischen S-300-Rakete, die die russische und ukrainische Armee verwenden, gefunden". Jakub Komoch aus dem Team des polnischen Präsidenten sagte dem Sender TVN24, es gebe "viele Anzeichen, dass eine der Raketen, die eine russische Rakete abschießen sollten, ihr Ziel verfehlte. Ihr Selbstzerstörungssystem funktionierte nicht, und diese Rakete führte leider zu einer Tragödie."

Präsident Selenskij rückte inzwischen von seiner Aussage ab, er sei sicher, dass es sich um eine russische Rakete gehandelt habe. "Ich weiß nicht zu hundert Prozent, ich denke, die Welt weiß auch nicht zu hundert Prozent, was passiert ist", sagte Selenskij in einer Videobotschaft für ein Wirtschaftsforum in Singapur. Ukrainische Ermittler werden in Polen an der Untersuchung teilnehmen.

In Istanbul einigten sich Unterhändler Russlands, der Ukraine und der Türkei währenddessen unter UN-Vermittlung, das Abkommen über die Ausfuhr ukrainischen Getreides um 120 Tage erneut zu verlängern. Es wäre am 18. November ausgelaufen. Russland will seinerseits Getreide und Agrarchemie exportieren. Nach Angaben von UN-Generalsekretär António Guterres zufolge arbeiten die Vereinten Nationen daran, Hindernisse zu beseitigen.

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