Süddeutsche Zeitung

USA und Großbritannien:Krise mit dem engsten Verbündeten

Lesezeit: 2 min

Von Christian Zaschke, New York

Die Aufmerksamkeitsspanne von US-Präsident Donald Trump mag nicht besonders groß sein, doch wenn sich sein Zorn auf etwas richtet, ist er dazu in der Lage, sich tagelang mit einem Thema zu beschäftigen. Derzeit treibt ihn um, dass vertrauliche Berichte des britischen Botschafters in Washington, Kim Darroch, an die Öffentlichkeit gelangt sind, in denen das Weiße Haus als Ort des Chaos beschrieben wird. Trumps Regierung sei "unbeholfen und unfähig", hatte der Botschafter im Jahr 2017 nach Hause gekabelt. Es stehe eher nicht zu erwarten, dass das Weiße Haus unter Trump jemals so wirken werde, als sei es kompetent. Diese Depeschen sind der britischen Zeitung Mail on Sunday zugespielt worden.

Bereits am Montag hatte sich Trump ausführlich auf Twitter über den Fall ausgelassen. Am Dienstag legte er mit Verve nach. Unter anderem schrieb er: "Der bekloppte Botschafter, den Großbritannien den Vereinigten Staaten untergeschoben hat, ist nicht jemand, über den wir sonderlich begeistert sind, ein sehr dummer Typ." Das mag der normale Trump-Tonfall sein, in der Welt der Diplomatie sind es hingegen unerhörte Worte. Da er nun schon einmal dabei war, setzte Trump noch einen drauf und schrieb sich in Rage: "Er sollte mit seinem Land und Premierministerin May über die misslungenen Brexit-Verhandlungen sprechen und sich nicht über meine Kritik daran erregen, wie schlecht das alles geregelt wurde."

Nun hatte Trump also Theresa May mit in die Angelegenheit gezogen, und für sie hatte er mit Blick auf den Brexit auch noch ein paar Worte übrig. "Ich habe Theresa May erklärt, wie man diesen Deal macht, aber sie hat es auf ihre eigene törichte Weise gemacht - sie hat's nicht hingekriegt. Ein Desaster!" Am Montag hatte Trump geäußert, es sei gut, dass Großbritannien demnächst einen neuen Premierminister haben werde. Bis zum 23. Juli werden die Mitglieder der Konservativen Partei einen Nachfolger für Theresa May bestimmen. Favorit ist der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson.

Bis dahin hat es May nun mit einer diplomatischen Krise mit dem engsten Verbündeten zu tun. Trump hat angekündigt, man wolle mit Darroch nichts mehr zu tun haben. Von einem Dinner, das am Montagabend zu Ehren des Emirs von Katar im Weißen Haus stattfand, wurde der Botschafter ausgeladen. Unklar ist, ob Trump meinte, er persönlich wolle mit Darroch nichts zu tun haben, oder ob die gesamte Regierung den Kontakt zum Botschafter abbrechen werde. Die britische Regierung hat verkündet, man werde an Darroch festhalten. Es sei wichtig, dass Botschafter in ihren Berichten eine offene und ehrliche Einschätzung der Lage abgäben. Man stimme inhaltlich nicht mit Darrochs Worten überein, habe aber Vertrauen in ihn.

Eine große Frage in London lautet derzeit, wer die Depeschen lanciert hat und wer ein Interesse daran haben könnte, den Botschafter zu unterminieren. Der Abgeordnete Tom Tugendhat, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, hat Scotland Yard aufgefordert, Ermittlungen aufzunehmen. Politisch steckt die britische Regierung in einem Zwiespalt. Einerseits will sie keine Schwäche zeigen, indem sie den Botschafter abzieht, andererseits will sie die Beziehung zu den USA nicht vergiften. Dass die Depeschen der Presse zugespielt wurden, sei "unglücklich", heißt es. Großbritannien und die USA verbinde eine "spezielle und dauerhafte" Beziehung.

Das könnte Trump derzeit anders sehen. Er kenne den Botschafter zwar nicht persönlich, schrieb er am Dienstag, aber er habe gehört, dass es sich um einen "aufgeblasenen Trottel" handele. "Sagt ihm, die USA hat jetzt die beste Wirtschaft und das beste Militär der Welt, mit Abstand ... und beide werden größer, besser und stärker ... Danke, Mr. President!" Botschafter Darroch hat sich bisher nicht zu dem Fall geäußert.

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SZ vom 10.07.2019
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