Süddeutsche Zeitung

Globale Sicherheit:Trump missachtet die Diplomatie

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Der Umgang des US-Präsidenten mit Iran und Nordkorea treibt die beiden Regime zu extremen Reaktionen. Das Risiko für tödliche Missverständnisse ist groß.

Kommentar von Georg Mascolo

Zwei Weltkrisen, seit viel zu langer Zeit ungeliebte Begleiter in den Nachrichten, steuern in diesen Tagen in ein und dieselbe Richtung. Sie heißen Nordkorea und Iran, und die Richtung heißt Zuspitzung, Konflikt. Manche sehen, jedenfalls am Golf, schon Krieg aufziehen. So weit ist es nicht. Aber es ist schlimm genug. Auch weil die Frage, wie es nun weitergeht, so sehr von einem Mann abhängt, der über keine Erfahrung und keine erkennbare Strategie verfügt. Dafür hat Donald Trump ein überbordendes Selbstbewusstsein und die Überzeugung, dass er, aber nur er, den großen Durchbruch erreichen kann.

Da ist, einerseits, Nordkorea. Als erster US-Präsident übernahm Trump persönlich die Verhandlungen, aber Kim Jong-un weigert sich auch nach zwei Treffen, sein Arsenal an Massenvernichtungswaffen aufzugeben. Trump dagegen erklärte die Sache für so gut wie erledigt. Niemand weiß jetzt, wie es weitergehen soll. Nun greift Kim wieder zu der alten Taktik und schießt Raketen ab, bisher nur solche kurzer Reichweite.

Da ist, andererseits, Iran. Gegen den Rat, ja das Flehen der Europäer, kündigte Trump das mühsam ausgehandelte Atomabkommen auf. Jetzt wurden ein US-Flugzeugträger und Bomber in die Region verlegt. So wirksam wie Bomben sind die US-Wirtschaftssanktionen, sie treiben Iran an den Rand des Kollapses. Die Inflationsrate steht bei 40 Prozent. Europa hatte Iran versprochen, den USA in den Arm zu fallen und den Handel zu schützen. Dabei wussten die Verantwortlichen, dass dies kaum gelingen kann. Amerikas Arm ist zu stark.

Einen berechenbaren Maßstab für den Umgang mit diesen Problemstaaten hat Trump bisher nicht erkennen lassen. Den einen fällt er um den Hals. Den anderen geht er an den Hals. Er sei in Kim "verliebt", erklärte er und versprach Wirtschaftshilfe und eine Überlebensgarantie. Iran hat nichts dergleichen zu erwarten. US-Außenminister Mike Pompeo versicherte seinen EU-Kollegen zwar gerade bei einem Blitzbesuch, man wolle "keinen Krieg". Aber in Brüssel und Berlin wird gerade sehr aufmerksam ein von Pompeo gegebenes Interview angehört, das verdächtig nach "Regime Change" klingt. Das ist die alte Idee, der George W. Bush und Dick Cheney nach dem 11. September 2001 anhingen. Iran, Nordkorea und Irak wurden damals zur "Achse des Bösen" erklärt. Einer von Bushs Beratern war Trumps heutiger Sicherheitsberater John Bolton. Er ist der richtige Mann für falsche Politik.

Weder Trumps übertriebene Zuwendung noch seine Härte haben zur Lösung geführt. Kein Fortschritt ist zu erkennen, sondern nur Verhärtung. Bisher hat Trump nicht auf Kims Provokationen reagiert. Es sieht so aus, als wolle dieser nun die Dosis erhöhen, bis man ihn nicht mehr ignorieren kann. Dann droht die Rückkehr jener Tage, in denen sich die beiden Atommächte offen bedrohten. Noch riskanter steht es um Iran. Die Mullahs haben eine 60-Tage-Frist verhängt, wenn Europa bis dahin nichts Entscheidendes für den Handel mit Iran tut, soll das Atomprogramm schrittweise wieder aufgenommen werden. Die Hardliner in Teheran warten schon darauf, ihnen liegt nichts an einer Verständigung mit den USA.

Beide Regime setzen darauf, dass Trump weder ein genialer Verhandler ist noch militärische Auseinandersetzungen will. Man müsse den "destruktiven Zirkel von Intervention und Chaos" beenden, hatte Trump im Wahlkampf versprochen. Das klingt beruhigend. Aber wahr ist, dass er auf immer größeren Druck setzt, um seine Ziele zu erreichen. So wächst das Risiko, dass Limits getestet werden. Wo heute schon Raketen fliegen und Kriegsschiffe sich auf Sichtweite nähern, ist das Risiko für tödliche Missverständnisse groß.

Die Diplomatie hat den Krieg verhindert

Sowohl das Regime in Nordkorea als auch das in Iran ist brutal und abstoßend. Nordkorea hat Massenvernichtungswaffen exportiert, unter anderem nach Syrien. Iran nutzt jede Gelegenheit für Chaos in der Region, der Bürgerkrieg in Jemen steht dafür. Dass nach Überzeugung der EU-Außenminister iranische Mordkommandos nun wieder Jagd auf Regimegegner in Europa machen, kommt hinzu. Druck auf diese Staaten ist deshalb gut und richtig. Die Strategie "Alles oder nichts" aber ist untauglich. Die iranische Führung solle ihn endlich anrufen, hat Trump jetzt erklärt. Er glaubt an sich - trotz des Fehlschlags mit Kim. Er hat nur Missachtung für all diejenigen erkennen lassen, die sich zuvor um Lösungen bemüht haben. Denen mit geduldiger Diplomatie, mit kleinen Fortschritten und trotz mancher Enttäuschungen immerhin eines gelungen ist: die Konflikte einzudämmen und eine große Auseinandersetzung zu verhindern. Den Krieg.

Trump hat bisher nichts vorzuweisen. Außer der Zerstörung eines Abkommens, das den Iran-Konflikt entschärft hatte. Der selbsternannte Meister des großen Deals spielt mit immer größerem Einsatz. Niemand weiß, wie er reagieren wird, wenn er scheitert. Vielleicht weiß er es nicht einmal selbst.

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Quelle:
SZ vom 14.05.2019
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