Süddeutsche Zeitung

Schweizer Partei SVP:Kein Schritt links, zwei mal rechts

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Die rechte Partei SVP hat ein Wahlkampfvideo veröffentlicht. Es wird getanzt zum Fremdschämen, aber das gehört zum Konzept. Jetzt gibt's allerdings Ärger: Ist die Melodie geklaut?

Von Isabel Pfaff, Bern

Diesmal also ein Tanzvideo mit eigener Choreografie. Vor vier Jahren war es noch ein mehrteiliger Polit-Thriller, mit dem die SVP, stärkste Partei der Schweiz, in den Wahlkampf zog. Da schauspielerten sich gestandene Minister und Fraktionschefs durch einen dünnen Plot, sogar der heute 82-jährige Parteipatron Christoph Blocher ließ es sich nicht nehmen, eine tragende Rolle zu spielen. Kurz: Man dachte, schlimmer kann es eigentlich nicht kommen.

Nun hat die SVP ein neues Video ins Netz gestellt, und es zeigt zwei Dinge. Erstens: Schlecht gemachter, ja, peinlicher Klamauk scheint dieser Partei nicht zum Nachteil zu gereichen, weshalb sie nun noch mal eins drauf setzt. Zweitens: Sie schreckt offenbar auch nicht davor zurück, sich recht großzügig bei musikalischen Klassikern zu bedienen. Aber der Reihe nach.

Eigentlich macht die Partei gerade mit ausländerfeindlichen Slogans Wahlkampf

Ein dunkler Club, billige Beats, plötzlich mehr oder weniger bekannte Politikergesichter mit Sonnenbrillen: So geht es los, das am Montag veröffentlichte Video der Schweizer Rechtspopulisten. "Ein Titel, der Spaß macht und zum Tanzen animiert", schreibt die Partei dazu, die eigentlich gerade mit blutigen Messern und düsteren, ausländerfeindlichen Slogans Wahlkampf macht. Hier soll es jetzt betont leicht zugehen. "Tanz mit dä SVP! Tanzä duet doch niemerdem weh!", singt ein Chor von 24 Parteimitgliedern, darunter Promis wie Umweltminister Albert Rösti, Parteipräsident Marco Chiesa, Fraktionschef Thomas Aeschi und Blocher-Tochter und Unternehmerin Magdalena Martullo.

Dass kaum jemand in dem Video mit tänzerischem oder gesanglichem Können auffällt, ist wohl kalkuliert. Seht her, wir nehmen uns gar nicht so ernst, lautet die entpolitisierte Botschaft, die sich schon durch frühere SVP-Wahlkampfproduktionen zog. Dass Europa gerade eine schwere Krise durchlebt, die Sorgen des Kriegs in der Ukraine oder der Klimawandel: Egal, wir sind hier doch in der Schweiz, lasst uns einfach tanzen "gäge all diä schlächte News". Und wie Thomas Matter - Banker, Parlamentarier und Erfinder des Videos - am Ende klar stellt, geht der SVP-Tanz selbstverständlich nur in eine Richtung: "kein Schritt links und zweimal rechts".

Youtube sperrte den Song - wegen einer "Urheberrechtsverletzung"

Schon am Tag nach Veröffentlichung jedoch war das Video nicht mehr auf Youtube abrufbar. Stattdessen prangte dort der Hinweis, dass der Song "aufgrund einer Beschwerde wegen Urheberrechtsverletzung von Sony Music Publishing" nicht mehr verfügbar sei. Der Grund liegt im Refrain, der verdächtig nach der Diskohymne "We Are Family" von Sister Sledge klingt. Derselbe Song übrigens, den Thomas Matter laut einem Porträt im Onlinemagazin Republik als Klingelton verwendet. Hat "DJ Tommy", wie Matter sich als Schöpfer von SVP-Hits nennt, tatsächlich abgekupfert?

"Ich habe den Text geschrieben und das Lied selber komponiert", verteidigte Matter sich schon am Montag gegenüber den Zeitungen der CH-Media-Gruppe. Der Song habe nichts mit "We Are Family" zu tun. Und der Boulevardzeitung Blick sagte er am Dienstag, dass man einer möglichen Klage gelassen entgegenblicke und sogar rechtliche Schritte gegen die Verursacher der Sperre prüfe.

Jetzt hat sich allerdings Nile Rodgers, der Schöpfer von "We Are Family", auf X (früher Twitter) zu Wort gemeldet. Er habe das Stück 1979 als den "ultimativen Song über Inklusion und Vielfalt auf allen Ebenen" geschrieben, unabhängig von Rasse, Ethnie, Alter, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung. "Ich verurteile seine Verwendung durch die SVP oder andere Personen, die sich nicht an die Werte des Songs und aller anständigen Menschen halten."

Ob dieser prominente Einwurf die SVP dazu bringen wird, ihren Standpunkt zu ändern, wird sich zeigen. Anfragen der SZ an Thomas Matter blieben bis Mittwochnachmittag unbeantwortet. Im Blick klang er jedenfalls noch kämpferisch: "Das ist unser Lied!"

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