Süddeutsche Zeitung

SPD-Troika:Drei sind einer zu viel

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Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier. Einst leuchtendes Dreigestirn der möglichen K-Kandidaten der Sozialdemokraten. Nun nur noch Stille. Die Harmonie zwischen den SPD-Granden ist gestört. Schuld trägt der Parteivorsitzende Gabriel. Anlass ist eine SMS.

Susanne Höll, Berlin

Um das Dreigestirn der Vielleicht-Kanzlerkandidaten der SPD ist es ruhig geworden. In diesem Jahr gab es noch keinen gemeinsamen öffentlichen Auftritt des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel mit Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Immer wieder einmal ist die Rede davon, dass ein Artikel der drei Sozialdemokraten in Arbeit sei. Das ist zumindest ein Zeichen, dass die Troika noch existiert.

Um die Harmonie in dem Trio ist es jedoch nicht sonderlich gut bestellt. Verantwortlich dafür ist der Vorsitzende Gabriel, der die beiden anderen, aber auch weite Teile der SPD-Führungsriegen mit zwei Aktionen verstörte und damit das Vertrauen in seine politische Urteilskraft und seine Berechenbarkeit erschütterte.

Zwar haben und hatten die drei immer wieder einmal Differenzen, anderslautende Beteuerungen darf man getrost ins Reich der Märchen verweisen. Aber am 5. März wurde zumindest ein kleinerer Kreis von SPD-Spitzenpolitikern Zeuge einer als recht handfest beschriebenen Auseinandersetzung zwischen Gabriel und Steinmeier.

Anlass war eine SMS Gabriels zum Thema Fiskalpakt.

Am Wochenende zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, dass dieses Vertragswerk mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden sollte. Ohne die Zustimmung der SPD würde der Pakt mithin scheitern, erst in Deutschland und dann vielleicht in ganz Europa. Gabriel hatte schon seit Jahresanfang erkennen lassen, dass er sich ein Nein der Sozialdemokraten vorstellen könne und auch öffentlich mit der Idee gespielt, eine Zustimmung der SPD an die Einführung einer Finanzmarktsteuer zu knüpfen. Steinmeier, aber auch Steinbrück waren - und sind - gegen eine solches Junktim, schon seit geraumer Zeit.

Telefonbotschaft vom Chef

Am frühen Montagvormittag allerdings erhielten angeblich fast zwei Dutzend namhafte SPD-Politiker in Bund und Ländern eine Telefonbotschaft ihres Vorsitzenden. Leute aus der zweiten Reihe sollten, bitteschön, öffentlich erklären, dass eine Zustimmung der SPD zum Fiskalpakt ohne eine Beteiligung der Finanzmärkte und Spekulanten nicht zu erwarten sei.

Steinmeier bekam diese SMS nicht, wurde aber von einigen Empfängern darauf aufmerksam gemacht. Er sah sich von Gabriel offenkundig hintergangen und war ziemlich wütend. In der kleinen Runde vor der SPD-Vorstandssitzung habe er Gabriel vorgeworfen, heimlich Unterstützung für ein Junktim zu sammeln.

Gebrüllt habe Steinmeier nicht, berichten Teilnehmer. Aber der ansonsten gelassene und wohltemperierte Fraktionsvorsitzende sei für seine Verhältnisse recht laut und deutlich gewesen. Gabriel habe bestritten, dass er für ein Junktim werbe oder gar hinter dem Rücken Steinmeiers in der Bundestagsfraktion Verbündete suche. Teilnehmern der kleinen Runde war nach diesem Eklat klar: Hier ging es weniger um eine SMS als um den Oppositionskurs der SPD. Kritiker lasten Steinmeier an, im Umgang mit der Kanzlerin und der Koalition zu pfleglich zu sein. Bei Gabriel spüren namhafte Sozialdemokraten dagegen inzwischen Lust, "die Backen stärker aufzublasen". Steinbrück, aber auch andere SPD-Politiker wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz stehen in dieser Frage auf Steinmeiers Seite.

Zwei Wochen später hatten diese und andere Sozialdemokraten abermals Grund, über Gabriel den Kopf zu schütteln. Als er über Facebook sein Entsetzen über den Umgang Israels mit den Palästinensern kundtat und dabei die israelische Regierung mit dem einstigen südafrikanischen Apartheid-Regime verglich. Dafür erntete Gabriel Zustimmung, aber auch scharfe Kritik. Menschlich verständlich sei Gabriels Entrüstungen, die Wortwahl und das Medium aber seien inakzeptabel für einen Spitzenpolitiker, sagen selbst ihm Wohlmeinende. "Wäre ihm das als Kanzlerkandidat widerfahren, wäre die SPD in schwerstem Wasser", sagt einer aus der Spitzenriege.

Ob Gabriel tatsächlich Kanzlerkandidat werden will, weiß niemand genau zu sagen. "Wenn er es will, wird er es, aber dann wird er die Wahl verlieren", beschreibt ein namhafter Genosse die Lage. So sehen es auch führende Vertreter des linken wie des rechten Parteiflügels. Steinmeier wird immer wieder als Wunschkandidat genannt, beim Namen Steinbrück schütteln viele skeptisch mit dem Kopf.

Entschieden werden soll nach Möglichkeit erst Anfang nächsten Jahres, nach der Landtagswahl in Niedersachsen. Ob man sich tatsächlich noch so lange Zeit mit der Kür lassen kann, ist aber fraglich. Gabriel, Steinmeier und Steinbrück hatten ursprünglich vereinbart, über die Kanzlerkandidaten-Entscheidung und den Bundestagswahlkampf hinweg in der Troika zusammenzubleiben, insbesondere dann, wenn tatsächlich einer von ihnen ins Kanzleramt einziehen sollte. Voraussetzung dafür aber wäre ein einigermaßen vertrauensvolles Verhältnis und das Gefühl, das keiner die anderen und mithin das Trio ernsthaft in die Bredouille bringt.

Daran müssen die drei wohl noch arbeiten.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2012
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