Süddeutsche Zeitung

Deutschland und Katar:Der Mann mit dem Gas ist da

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Deutschland und Katar vereinbaren in Berlin eine "Energiepartnerschaft". Emir Tamim bin Hamad al-Thani will die Beziehungen auch in anderen Bereichen vertiefen.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Katar hat, was Deutschland dringend braucht, um seine Energieversorgung unabhängig zu machen von Russland: Erdgas. Entsprechend freundlich ist der Empfang für Emir Tamim bin Hamad al-Thani beim Staatsbesuch am Freitag in Berlin. Am Morgen traf er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Mittags unterzeichnete er mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Absichtserklärung für eine engere Kooperation bei verflüssigtem Erdgas (LNG), Wasserstoff und Klimaschutz.

Am Nachmittag begrüßte ihn dann Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Gespräch und versicherte, dass "wir unsere Zusammenarbeit weiter vertiefen werden" - was auch für die politischen Beziehungen gelten soll. "Regelmäßige Konsultationen auf Ebene unserer Außenminister" kündigte Scholz an und bescheinigte Katar ein "enormes Potenzial", nicht nur bei Gas, sondern auch bei der Entwicklung erneuerbarer Energien. Der Emir sprach von "herausragenden und strategischen Beziehungen".

Kernstück der engeren Kooperation soll eine neue "Energiepartnerschaft" werden. Mit dem Import von LNG aus Katar will Deutschland vorankommen bei der Diversifizierung seiner Gasversorgung. Zugleich soll die Zusammenarbeit beim grünen Wasserstoff einen Schub erhalten. Beide Länder würden überdies von einem intensivierten Wissensaustausch zu Energiewendethemen profitieren, hieß es.

Den katarischen Diplomaten merkt man eine gewisse Genugtuung an

Die Katarer hatten in Deutschland schon lange für eine Diversifizierung geworben - und stießen dabei auf Beton, wie katarische Diplomaten mit einer gewissen Genugtuung berichten. Von Flüssiggasterminals wollte hier kaum jemand etwas hören, wo Russland doch billiges Gas per Pipeline lieferte. Am Freitag bestätigte der russische Staatskonzern Gazprom, Finnland nicht länger zu versorgen. Grund ist nach finnischen Angaben unter anderem ein Streit über die Zahlung in Rubel. Die Bundesregierung kann immerhin darauf hoffen, schon im Jahr 2024 Flüssiggas von Katar zu beziehen - das allerdings aus den USA kommen würde.

Der staatliche Energiekonzern Qatar Energy betreibt zusammen mit dem US-Multi Exxon Mobil das Gemeinschaftsunternehmen Golden Pass. Es wird Gasfelder im Golf von Mexiko ausbeuten, der erste Block soll im dritten Quartal 2024 in Betrieb gehen. Die Abkopplung Deutschlands von Russland allerdings soll eigentlich deutlich schneller gehen. Der Emir verwies darauf, dass sein Land die Produktion des größten Gasfelds der Welt im Persischen Golf ausbauen werde, in Katar North Dome genannt. Das könne zu Lieferungen "hoffentlich in den Jahren 2026 oder 2027 führen", kündigte er an. "Aber was immer wir auch in diesem Übergangszeitraum für die Energiesicherheit in Europa tun können, werden wir tun."

Katar exportiert bereits an der Kapazitätsgrenze, zudem hat das Emirat mehr als 80 Prozent der Förderung in langfristigen Lieferverträgen anderen Abnehmern zugesagt, vor allem in Asien. Als mögliche Zwischenlösung gilt, dass etwa Japan einen Teil der Mengen nach Deutschland umleitet. Um in größerem Umfang Deutschland versorgen zu können, muss Katar allerdings erst investieren: in Fördertechnik, in Verflüssigungsanlagen und auch in Tankschiffe. Das rechnet sich nur, wenn langfristig eine Auslastung garantiert ist. Laufzeiten von 20 Jahren und mehr sind üblich.

Zwar wird derzeit verhandelt über die Bedingungen eines Liefervertrags, und Berlin treibt LNG-Terminals an Häfen in der Nordsee voran. Gerade über die Laufzeiten aber gibt es Differenzen. Deutsche Unternehmen zögern, sich auf Katars Forderungen einzulassen. Langfristige Festlegungen, Gas abzunehmen, stehen im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen Deutschlands, das seine CO₂-Emissionen bis 2040 um 88 Prozent senken will.

Katar geht es nicht um Wohltätigkeit

Katar ist zwar daran interessiert, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt als Kunden zu gewinnen, Energieminister Saad al-Kaabi macht aber auch klar, dass es sein Job ist, das beste Geschäft für Katar zu sichern. Die Gaseinnahmen gehen in den Staatsfonds, der durch seine Investitionen nachfolgenden Generationen ein Auskommen sichern soll. "Es geht nicht um Wohltätigkeit", hieß es in der Delegation. Wirtschaftlich ist Katar nicht darauf angewiesen, LNG nach Deutschland zu verkaufen. Politisch allerdings strebt Doha schon länger eine engere Kooperation mit Berlin an.

Das Emirat ist Anteilseigner bei Volkswagen, der Deutschen Bank oder Siemens und will Milliarden in mittelständische Unternehmen investieren. Zudem sieht man sich in vielen außenpolitischen Fragen mit der Bundesregierung im Einklang - auch wenn sich Katar den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen hat, sondern lediglich seine wirtschaftlichen Beziehungen derzeit nicht weiter ausbaut. Scholz dankte dem Emir für Katars Vermittlung in Afghanistan und die Unterstützung bei der Rettung deutscher Staatsangehöriger nach der Machtübernahme der Taliban. Eine strategische Partnerschaft aber pflegt Deutschland mit den Vereinigten Arabischen Emiraten - Katars Widersacher.

Was Doha sich vorstellen kann, deutete der Emir an: Man spreche auch über eine Zusammenarbeit im Verteidigungssektor. Katar hat von Deutschland Leopard-2-Kampfpanzer gekauft und die Panzerhaubitze 2000. Die Luftwaffe hat Eurofighter-Kampfjets geordert. Seit der Blockade durch die großen Nachbarn Saudi-Arabien und die Emirate im Jahr 2017 sieht sich das Land mit seinen nur 300 000 Staatsbürgern bestätigt darin, ein modernes Militär zu unterhalten. Nur eine Intervention der USA soll damals einen Einmarsch abgewendet haben.

Auch die Fußball-WM war Thema im Kanzleramt. Fragen, die Menschen- und Bürgerrechte betreffen, habe man miteinander diskutiert, sagte Scholz - "ganz intensiv" mit Bezug auf die Frage von Arbeitnehmerrechten. Scholz würdigte Verbesserungen der viel kritisierten Bedingungen für Arbeitsmigranten. "Als jemand, der vom Beruf her Arbeitsrechtsanwalt ist, kann ich sagen: Da ist immer Raum für Verbesserung", fügte Scholz zugleich an.

Auf Fragen, ob auch Homosexuelle zu dem Turnier willkommen seien, antwortete der Emir, Katar sei ein offenes und gastfreundliches Land, das niemanden abhalte zu kommen. "Aber wir erwarten und wollen, dass die Menschen unsere Kultur respektieren." Homosexuelle Handlungen sind in Katar strafrechtlich verboten. Eine "aktive" Verfolgung Homosexueller finde aber nicht statt, heißt es beim Auswärtigen Amt. Der Kanzler jedenfalls stellte fest, die deutsche Mannschaft werde an dem Turnier teilnehmen. Und laut dem Emir haben Fans aus der Bundesrepublik sich um 600 000 Tickets beworben.

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