Süddeutsche Zeitung

Rückkehr des Ex-Linke-Chefs:Lafontaine vor Comeback

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Oskar Lafontaine ist zurück und mischt bei den Linken auch auf Bundesebene wieder kräftig mit. Damit stillt er eine Sehnsucht vieler Parteifreunde, die sich die alte Stärke zurückwünschen.

Daniel Brössler, Berlin

Die Veranstaltung umwehte ein Hauch von Abschied. Oskar Lafontaine und Lothar Bisky präsentieren im Berliner Karl-Liebknecht-Haus den Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Linkspartei. Zwei Monate später sollte ihre Amtszeit als Vorsitzende zu Ende gehen, Beobachter sahen ein "sozialistisches Vermächtnis".

Nun, anderthalb Jahre danach, ist Lafontaine wieder unermüdlich unterwegs, gewissermaßen als sein eigener Nachlassverwalter. Ende Oktober soll das Programm in Erfurt beschlossen werden und Lafontaine scheint darüber zu wachen, dass seine Linie gewahrt bleibt. "Kurs halten - ein Programm für die Mehrheit", lautet das Motto einer Konferenz des linken Parteiflügels am kommenden Samstag in Berlin. Wichtigster Redner ist: Oskar Lafontaine.

Er wird über die "strategischen Herausforderungen der Linken" sprechen. Offiziell bekleidet Lafontaine nur das Amt des Vorsitzenden der Linksfraktion im Saarland und des Vorsitzenden der "Internationalen Kommission beim Parteivorstand". Mehr denn je aber schaltet er sich derzeit in die Bundespolitik ein.

Der 68-Jährige fühlt sich nach einer Krebserkrankung wieder fit, seiner Partei bescheinigt er hingegen eine "Formschwäche". Das ist die diplomatische Umschreibung für den Niedergang der Linken unter dem Führungsduo Gesine Lötzsch und Klaus Ernst. Von den 11,9 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 ist in Umfragen nur noch die Hälfte übriggeblieben. Aus Teilen der Partei ist nun, langsam lauter werdend, der Ruf nach Lafontaine, dem Retter, zu hören.

In dieser Situation hat die Vize-Parteichefin Sahra Wagenknecht auf eine hypothetische Frage der Leipziger Volkszeitung eine ziemlich direkte Antwort gegeben. Ob im Falle von vorzeitigen Bundestagswahlen Lafontaine mit Gregor Gysi der richtige Spitzenkandidat sei? "Das müssen die Betroffenen erst einmal selbst entscheiden. Aber ich denke schon, dass so eine Konstellation von der übergroßen Mehrheit der Linken gewünscht würde", sagte Wagenknecht. Immerhin stehe Lafontaine "einfach für den größten Wahlerfolg, den wir je als Linke erreicht haben".

In der Partei lässt das aufhorchen, weil nicht nur Wagenknecht als Anhängerin Lafontaines bekannt ist, sondern auch Lafontaine als Bewunderer Wagenknechts. Dem Saarländer wird massive Lobby-Arbeit zugunsten der einstigen Chefin der Kommunistischen Plattform nachgesagt. Ginge es nach Lafontaine, würde Wagenknecht demnächst Ko-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, neben Gregor Gysi.

Strippenzieher im Hintergrund

So wird in linken Zirkeln Lafontaine derzeit weniger Karriereplanung in eigener Sache nachgesagt, wohl aber das Ziehen personalpolitischer Strippen im Hintergrund. Im Vordergrund profiliert sich Lafontaine derweil als Hüter linker Programmatik. "Oskar Lafontaine ist einer der ganz wenigen, die komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge so erklären können, dass es populär ist, aber nicht populistisch", sagt der Bundestagsabgeordnete Diether Dehm.

"Seine Erfahrung, sein Wissen und sein Kampfgeist sind etwas, auf dem wir aufbauen können", lobt Sevim Dagledelen, eine der Initiatorinnen der Programmkonferenz am Samstag. Die Bundestagsabgeordnete gehört zur parteiintern links stehenden Antikapitalistischen Linken (AKL) und verspricht sich von Lafontaine Unterstützung gegen die Reformer vom Forum Demokratischer Sozialismus (FDS). "Was sich da Reformer nennt, ist eine absolute Minderheitenposition in der Partei", sagt Dagledelen.

Die Konflikte drehen sich etwa um das von der AKL verlangte vollständige Verbot von Massenentlassungen oder die Forderung nach einem Austritt aus den militärischen Strukturen der Nato. Nicht in allem ist Lafontaine auf einer Linie mit den ganz Linken. Doch darum gehe es gar nicht, vermuten führende Reformer. Im Machtkampf um die künftige Führung sammle Lafontaine Unterstützer. Offen sei nur, für wen.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2011
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