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Rechte für EU-Bürger:May stellt Status von EU-Bürgern nach dem Brexit infrage

Lesezeit: 2 min

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Cathrin Kahlweit, London, London/Brüssel

In Großbritannien, aber mehr noch in der EU ist die Aufregung über eine Ankündigung groß, welche die britische Premierministerin am Donnerstag während ihrer China-Reise machte. Wenn sie das ernst meine, hieß es in Brüssel, dann sei die geplante knapp zweijährige Übergangsphase nach dem Brexit Geschichte.

May hatte über die Rechte von EU-Bürgern gesagt, diese würden für Bürger, die nach März 2019 eintreffen, nicht mehr dieselben sein wie vor dem EU-Austritt. Zwar müssten die Details noch verhandelt werden, aber es sei "klar, dass es einen Unterschied geben muss zwischen den Rechten für jene, die schon vor dem Brexit da waren, und jenen, die nachher kommen".

Nicht nur "moderate Änderungen"

Die Rechte für EU-Bürger sind allerdings politisch ein vermintes Feld, was May auch weiß; Brüssel hatte in der ersten Phase der Brexit-Verhandlungen immer darauf gepocht, dass Bürger aus der EU, die in Großbritannien leben, nach dem Austritt nicht schlechtergestellt sein dürfen.

May reagierte mit ihrer Absage an gleiche Bedingungen für Europäer im Königreich vor und nach dem 29. März 2019 auf eine innenpolitische Debatte; sie fügte nämlich in China hinzu, sie sei nicht der Meinung ihres Schatzkanzlers, dass es nach der Übergangsphase nur "moderate Änderungen" geben werde. Kritiker der Premierministerin hatten zudem gewarnt, eine Transitionsphase, in der alles gleich bleibe, sei "ein Brexit nur dem Namen nach".

EU-Kommission will keinesfalls eine Beschneidung der Freizügigkeit akzeptieren

Nicolas Hatton, Mitbegründer der europafreundlichen Initiative "The3million", die für EU-Bürger in Großbritannien spricht, protestierte umgehend. Eine solche Unterscheidung zu einem Zeitpunkt, zu dem London die Vorteile der EU de facto noch mitnehmen, mögliche Nachteile aber nicht mittragen wolle, bringe "Chaos" und "Diskriminierung".

Britische Medien verstehen Mays Ankündigung als "Kampfansage an Brüssel" und als Rache für die Kompromisslosigkeit, die May den Verhandlungspartnern vorwerfe. Brüssel hat durchblicken lassen, dass es etwa in der wichtigen Frage des Finanzstandorts London den Briten nicht entgegenkommen wolle. May selbst betonte, sie wolle mit ihren Vorschlägen nur den "Brexit abliefern", den die Briten bestellt hätten.

Mays Vorstoß richtet sich freilich direkt gegen das Grundprinzip, das die 27er-EU in den Verhandlungen über den Brexit durchsetzen will. "Die vier Freiheiten des Binnenmarktes sind unteilbar, und es kann kein Rosinenpicken geben", heißt es in den am Montag vereinbarten Leitlinien für die Verhandlungen über die Übergangsphase. Soll heißen: Wenn die Briten in der Übergangszeit den freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr in der EU nutzen wollen, dürfen sie auch die Freizügigkeit für Bürger nicht einschränken.

EU-Parlament muss zustimmen

"Die Prinzipien sind einzuhalten. Ohne Freizügigkeit wird es keine Übergangsphase geben", warnt der Brexit-Beauftragte der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU). May gefährde das Zustandekommen eines Vertrages über das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien. "Wir brauchen die Übergangszeit, um diesen Vertrag auszuhandeln", sagt Brok und appelliert: "Wir bitten Frau May, das aufzuklären." Das Abkommen über den Austritt Großbritanniens aus der EU und die angestrebte Übergangsphase bis Ende Dezember 2020 bedarf der Zustimmung des EU-Parlaments.

Auch der Vizechef der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, machte klar, dass Zugeständnisse bei der Freizügigkeit nicht infrage kämen. EU-Bürger müssten in der Übergangsphase unveränderte Rechte zugestanden bekommen. In Brüssel wachsen allerdings die Zweifel, dass May noch in der Lage ist, die gegnerischen Lager in ihrer konservativen Partei unter Kontrolle zu halten und verlässlich über den Brexit zu verhandeln. Bisher wartet die EU auf eine Verhandlungsposition der Briten zum künftigen Verhältnis.

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SZ vom 02.02.2018
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