Pkw-Maut:So täuscht die CSU ihre Wähler
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Eine Ausländer-Maut wird es mit Brüssel nicht geben. Doch die EU wird der CSU unfreiwillig helfen, ihr das zu geben, was sie eigentlich schon immer wollte: eine Maut für alle.
Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin
Für die CSU läuft alles wunderbar nach Plan. Kaum haben die umstrittenen Maut-Gesetze Bundestag und Bundesrat passiert, erklärt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker jetzt in der SZ, er habe "erhebliche Zweifel", dass mit dem Gesetz EU-Ausländer nicht diskriminiert würden. Und kündigte ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Verträgen an. Wenn nötig, werde er bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Denn so eine Diskriminierung verstoße gegen fundamentale Vertragsprinzipien. Und eine Maut, die unterm Strich nur Ausländer belastet, ist diskriminierend.
Das bestreitet CSU-Verkehrs- und Mautminister Alexander Dobrindt zwar wo immer es geht. Doch er ist schlau genug, um zu wissen, dass er den Leuten damit Quatsch erzählt.
Dass die Maut im Bundestag verabschiedet wurde, ist vor allem der Koalitionsdisziplin der SPD zu verdanken. Überzeugt ist von dem Konzept, die Mautkosten für deutsche Autofahrer eins zu eins mit der Kfz-Steuer zu errechnen, ohnehin kaum jemand.
Der Witz ist: Darum geht es auch gar nicht. Die CSU will die Pkw-Maut seit Jahren schon. Ob deutsche Autofahrer dadurch mehr belastet werden, das war ihr lange Zeit ziemlich wurscht. 2007 verabschiedete die CSU per Vorstandsbeschluss ein Mautkonzept, das eine 120-Euro-Jahresvignette vorsah. Im Gegenzug sollte die Mineralölsteuer sinken. Ein Konzept, das Vielfahrer und Pendler gebauchpinselt hätte.
Schön doof, wer da noch mit der Bahn fährt
Immerhin wäre es sicher mit Europarecht zu vereinbaren gewesen. Die Maut-Vignette hätten alle zahlen müssen. Von den günstigeren Spritpreisen hätten aber ebenso alle profitiert. Mit nachhaltiger Verkehrspolitik hat das aber nichts zu tun gehabt. So ein Maut wäre zu einer Art Autobahn-Flatrate geworden. Schön doof, wer da noch mit der Bahn fährt. Mit den Koalitionspartnern CDU und FDP war das damals nicht zu machen. Die Umweltverbände liefen Sturm gegen die Idee. Tot war die Maut für die CSU damit noch lange nicht. Immer wieder mal testete Verkehrsminister Peter Ramsauer das Maut-Thema. Er will "keine Denkverbote erlassen", wenn es um eine Pkw-Maut geht, erklärte Ramsauer im April 2010.
Irgendwann verzichtete die CSU darauf, genau zu sagen, wie sie denn eine Mehrbelastung deutscher Autofahrer zu vermeiden gedenkt. Spätestens im Wahlkampf 2013 hat Dobrindt, damals Generalsekretär der CSU, das Populismus-Potenzial der Pkw-Maut erkannt.
Für ein paar heiße Wahlkampf-Monate hieß das Projekt Ausländer-Maut. Wegen der ganzen Ausländer, die kostenlos die deutschen Autobahnen ruinierten, während Deutsche überall im Ausland Maut zu zahlen hätten. Das kam an unter CSU-Wählern. Dass im Ausland die dortigen Inländer ebenso Maut zahlen ... ach, was soll es. Argumente erreichten die CSU zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr.
Nach der Wahl hat Dobrindt die Ausländer-Maut flugs in "Infrastrukturabgabe" umgetauft. Ein Begriff, mit dem verschleiert werden soll, was offensichtlich ist: die neue Maut diskriminiert EU-Ausländer.
Ein paar Hundert Millionen Euro soll diese Maut bringen. Ein Witz im Vergleich zu den vielen Milliarden, die möglich wären, wenn es keine Verrechnung mit der Kfz-Steuer gäbe. Diese Milliarden sind es, an die die CSU ran will. Am besten ohne dafür politisch Federn lassen zu müssen. Am allerbesten so, dass die CSU sich noch feiern lassen kann. So wie es aussieht, geht der Plan auf.
Täuschung der Wähler
Wenn Dobrindts Ausländer-Maut demnächst vom Europäischen Gerichtshof zerschossen wird, dann werden die Richter das Spiel der CSU wohl oder übel mitspielen müssen. Sie werden die Pkw-Maut selbst kaum in Frage stellen. Wohl aber das Verrechnungssystem. Und wenn das platzt, dann hat die CSU endlich was sie will: eine Maut für alle. Die dann genug Geld einbringt, um jedes noch so seltsame Umgehungsstraßen-Projekt in Bayern bezahlen zu können.
Die Schuld wird die CSU im bewährter Manier auf die EU schieben. Das macht sie ja jetzt schon. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer beschwert sich wegen des angedrohten EU-Verfahrens über "das ständige Einmischen in nationale Gesetzgebungskompetenzen seitens der EU". Das schade Europa. Die Bürger "nervt das Überall-einmisch-Europa".
Ein lustige Art, die Tatsachen ins Gegenteil zu verkehren. Es ist die CSU, die ein Gesetz durchgepeitscht hat, das europarechtlich höchst fragwürdig ist. Dass CDU und SPD da mitgemacht haben, sollte hier nicht unerwähnt bleiben.
An alle Autofahrer - vor allem aus Bayern -, die auf die "CSU-Ausländer-Maut" gehofft haben: Ihr werdet gerade nach Strich und Faden ver..., äh, getäuscht. Und zwar von eurer CSU. Das werdet ihr spätestens dann merken, wenn ihr das Pickerl bezahlt habt, aber die versprochene vollständige Verrechnung ausbleibt. Ja, dann werdet ihr mehr zahlen als vorher. Aber dann bitte nicht so tun, als hätte euch das keiner gesagt.
Das ganze Interview mit Jean-Claude Juncker mit SZplus lesen: