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Parteitag in Magdeburg:Warum Merkel den Linken sehr dankbar sein kann

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Die Linke findet keinen Weg, sich auf ihrem Parteitag den nötigen Debatten über Regierung oder die Flüchtlingsfrage zu stellen. Eine Torte macht diese letzte Chance zunichte.

Kommentar von Thorsten Denkler, Magdeburg

Womöglich hat die Torte alles kaputt gemacht. Jene Torte die kurz vor Mittag im Gesicht von Sahra Wagenknecht gelandet ist. Mitglieder einer "antifaschistischen Initiative Torten gegen Menschenfeinde" haben das getan. Weil Wagenknecht von "Kapazitätsgrenzen" für die Aufnahme von Flüchtlingen gesprochen hat. Oder von einem Gastrecht, das Flüchtlinge nicht missbrauchen sollten.

Für Teile der Antifa ist Wagenknecht damit zum Feind geworden, auch nicht besser als die AfD-Politikerin und Islam-Gegnerin Beatrix von Storch.

Wagenknechts Positionen hätten verhandelt werden müssen auf diesem Parteitag. Die Linke hätte debattieren müssen, ob sie mit dem Kurs "offene Grenzen für alle" tatsächlich noch jene erreicht, die sie doch eigentlich vertreten will. Und die in Scharen zur AfD übergelaufen sind.

Der Parteitag hat zwar einen Leitantrag beschlossen, der Wagenknechts Thesen gerade rückt. Die Torte aber hat die nötige Debatte dazu verhindert. Die Torte hat stattdessen die totale Solidarität mit Wagenknecht nötig gemacht. Bartsch, Riexinger, Kipping - die gesamte Parteispitze nimmt Wagenknecht nach dem Tortenangriff in Schutz. Nur einige wenige Delegierte wagen noch, Kritik an Wagenknechts verbalen Versuchsballonen zu üben.

Dieser Parteitag war die letzte Chance der Linken für solche offenen Debatten über das Selbstverständnis der Partei. Im kommenden Jahr wird der Bundestag gewählt. Der Parteitag im Frühjahr 2017 wird davon geprägt sein. Da wird kein Platz sein für nachdenkliche Diskussionen.

Gemeinsam oder einsam in den Bundestagswahlkampf?

Kipping und Riexinger haben immerhin versucht, an anderer Stelle den Kurs der Partei zu verändern. Jenseits der üblichen scharfen Angriffe auf die SPD - die Sozialdemokratie sei ein "Totalausfall" sagte Kipping auf dem Parteitag - wollen die Linke sich stärker als bisher öffnen für ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund, wollen lieber Gemeinsamkeiten mit der SPD herausstellen als das, was beide Parteien trennt. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für so ein Bündnis 2017 gering ist, die Arbeit daran müsste jeder unterstützen, der keine große Koalition will und schon gar keine Regierung mehr unter Führung der Union.

Durchschlagenden Erfolg haben die beiden damit nicht. Kaum ein Delegierter nimmt auf den Vorstoß Bezug. Schon gar nicht unterstützend. Einen gemeinsamen linken Lagerwahlkampf von SPD, Linken und Grünen? Gregor Gysi findet die Idee gut. Auf dem Parteitag spricht er jedoch nicht selbst. Dafür die Hardcore-Linke Heike Hänsel. "Absurd" sei der Vorschlag, kanzelt sie ihren ehemaligen Fraktionschef Gysi ab. Und bekommt dafür viel Beifall.

Wenn es ein Lager gebe, dann müsse es ein Lager sein, das konsequent alle Militäreinsätze ablehne und alle Rüstungsexporte abschaffe, sagt Hänsel. Nach Stand der Dinge stünde die Linke in diesem Lager alleine da.

Solange aber die Linke im Bund sich selbst genügt, wird sie nicht regieren. Zu vielen in der Partei reicht das völlig aus. Angela Merkel wird es freuen. Eine in dieser Frage uneinige Linke ist ihre beste Garantie, noch lange Kanzlerin bleiben zu können.

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