Süddeutsche Zeitung

Parteitag in Birmingham:Boris Johnson nennt Mays Brexit-Plan "Betrug"

Lesezeit: 2 min

Von Barbara Galaktionow

Der frühere britische Außenminister Boris Johnson hat auf dem Parteitag der Konservativen in Birmingham eine flammende Rede gegen den EU-Austrittsplan von Premierministerin Theresa May gehalten. Der sogenannte Chequers-Plan - benannt nach dem Landsitz, auf dem er erabeitet wurde - fessele das Vereinigte Königreich an die Europäische Union." Das ist nicht Demokratie, das ist nicht das, wofür wir gestimmt haben", sagte der Befürworter eines harten Brexit unter Bezug auf das Referendum vor mehr als zwei Jahren.

Die außenpolitische Strategie Großbritanniens sei zu lang auf die Europäische Union konzentriert gewesen, sagte Johnson. In einer globalisierten Welt mache das keinen Sinn mehr. Natürlich werde die EU auch weiterhin "enorm wichtig" sein, doch der Rest der Welt gewinne an Bedeutung. Daher sei es wichtig, Freihandelsverträge mit anderen Ländern zu schließen. Unter den Chequers-Bedingungen werde dies schwierig bis unmöglich. Das Vereinigte Königreich bleibe dann "gefangen vom Traktorstrahl Brüssels", kritisierte Johnson. Kontrolle gewinne man dadurch nicht zurück.

Vorstellungen, wonach die Bedingungen im Anschluss an den EU-Austritt noch einmal nachverhandelt werden könnten, verwies Johnson ins Reich von Fantasievorstellungen. Den unbefriedigenden Austrittsplan Mays abzuschließen, stärke nur jene, die ein zweites Referendum anstrebten. Es sei Zeit, die Kontrolle zurückzugewinnen. "Dies ist der Moment - und es bleibt Zeit - um Chequers wegzuschmeißen", sagte Johnson unter großem Jubel der etwa 1000 Zuhörer. Chequers sei "ein Betrug".

Direkt gegen Premierministerin May wetterte Johnson nicht. Vielmehr forderte er die Parteimitglieder auf, sie zu unterstützen. Allerdings nicht bei der Umsetzung von Chequers, sondern bei ihrem ursprünglichen, weitaus kompromissloseren Austrittsplan.

Der Ex-Außenminister, der im Sommer aus Protest gegen den Chequers-Plan von seinem Amt zurückgetreten war, stellte die seiner Ansicht nach vorhandenen Chancen eines harten Brexit heraus, also eines klaren Bruchs mit Brüssel ohne Fortdauer bisheriger EU-Regelungen. Es gehe nicht bloß um Freihandelsverträge, sagte Johnson. In vielen Wachstumsbereichen, wie den Biowissenschaften oder Finanzen, sei sein Land "Lichtjahre voraus". Mit größerer regulatorischer Freiheit könnten diese Vorteile noch besser genutzt werden.

Vorwurf an Johnson: "Gut für Schlagzeilen, aber schlecht für Politik"

Johnson war allein für diese Rede zu dem insgesamt vier Tage dauernden Parteitag gereist. Wie andere Befürworter eines harten Brexit wirft er Premierministerin Theresa May vor, zu viele Kompromisse mit der EU einzugehen. Ihren Austrittsplan hatte er bereits im Vorfeld des Parteitags als "geistesgestört" geschmäht.

Premier May will eine Freihandelszone mit der Europäischen Union für Waren, aber nicht für Dienstleistungen wie Bankgeschäfte. Dafür soll sich Großbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des EU-Binnenmarkts halten. Zollkontrollen am Ärmelkanal und zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System verhindert werden.

Für seine Angriffe auf May hat Johnson aber auch viel Kritik einstecken müssen. Johnson habe keinen Sinn für Details, wenn es um wichtige Angelegenheiten wie den EU-Austritt gehe, sagte Finanzminister Philip Hammond der Boulevardzeitung Daily Mail am Montag. Er verteidigte die EU-Austrittspläne Mays. Johnsons alternative Brexit-Pläne entstammten hingegen einer "Fantasiewelt".

Selbst im Lager der Befürworter eines harten Brexit halten manche den früheren Außenminister für nicht seriös. So sagte der ehemalige Brexit-Minister David Davis, der ebenfalls aus Protest gegen Chequers von seinem Amt zurückgetreten war, Johnson sei "gut für Schlagzeilen, aber schlecht für Politik".

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