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Milliarden für Orbán:Das Europaparlament droht von der Leyen mit einer Klage

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Hat die Kommission den Rechtsstaat in Ungarn "verscherbelt"? Die Empörung der Abgeordneten entlädt sich in einer Resolution. Sie wollen unbedingt verhindern, dass Brüssel weiteres Geld für die Regierung von Viktor Orbán freigibt.

Von Josef Kelnberger, Straßburg

Das Europaparlament will mit allen Mitteln verhindern, dass die EU-Kommission weitere Milliarden an Fördergeldern für Ungarn freigibt und droht der Behörde von Präsidentin Ursula von der Leyen deshalb mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). In einer Resolution, die am Dienstag fraktionsübergreifend von der christdemokratischen EVP bis hin zur Linken vereinbart wurde, wird Unverständnis darüber geäußert, dass die Kommission im Dezember zehn von dreißig Milliarden Euro entsperrt hat, die wegen Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien und allgemeine Werte der EU zurückgehalten worden waren. Der juristische Dienst des Parlaments soll nun eine Klage vor dem EuGH vorbereiten, um zu überprüfen, ob die Gelder rechtmäßig freigegeben wurden. Über die Resolution wird am Donnerstag im Plenum abgestimmt. Eine Mehrheit gilt als sicher.

Die Entscheidung der Kommission war Mitte Dezember unmittelbar vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel publik geworden. Die Kommission begründete den Schritt mit den Justizreformen, die in Ungarn eingeleitet worden sind. Viele Abgeordnete interpretierten es dagegen als politisches Manöver, um den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán dazu zu bewegen, den Weg für Beitrittsgespräche mit der Ukraine freizumachen. Tatsächlich blieb Orbán der Abstimmung fern und ermöglichte so einen einstimmigen Beschluss. Er sperrte sich jedoch gegen eine Finanzhilfe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine. Deshalb kommen die Staats- und Regierungschefs am 1. Februar neuerlich zusammen.

Vor dem Hintergrund dieses Sondergipfels ist auch die Resolution des Parlaments zu sehen - als eine Art Warnung an Ursula von der Leyen. Die Kommission solle gar nicht erst auf den Gedanken kommen, auch den Weg für die restlichen 20 Milliarden freizumachen, hieß es im Parlament. Ob es tatsächlich zur Klage kommen wird, erscheint fraglich, denn diesen Schritt vorzubereiten, wird viele Wochen dauern, danach bedarf es eines neuerlichen Beschlusses. Und Anfang Juni wird das Parlament bereits neu gewählt. Deshalb stimmte wohl auch die von Manfred Weber angeführte EVP zu.

Angeführt von der liberalen Fraktion, hatte es im Parlament sogar Bestrebungen gegeben, ein Misstrauensvotum gegen die gesamte Kommission einzuleiten. Dagegen sperrte sich jedoch die EVP, denn sie hätte damit ihre Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen beschädigt. In dem abgestimmten Text wird aber zumindest darauf hingewiesen, dass das Parlament über weitere Instrumente verfüge, um gegen die Kommission vorzugehen.

"Wie in einem Winterschlussverkauf"

"Ursula von der Leyen hat die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn wie in einem Winterschlussverkauf verscherbelt", sagt der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner, ein Rechtsstaatsexperte und federführend beteiligt an den Verfahren gegen Ungarn. "Das Europäische Parlament macht da nicht mit und wird ihre Entscheidung vor dem EuGH anfechten. Es darf in der EU keinen Rabatt auf den Rechtsstaat mehr geben." Körner hofft darauf, dass schon die Ankündigung der Klage vor dem EuGH die Kommission zum Umdenken bewegt.

In der vorbereiteten Resolution wird auch bezweifelt, dass die ungarische Regierung unter Viktor Orbán geeignet ist, wie geplant am 1. Juli die Ratspräsidentschaft in der EU zu übernehmen. Für die Forderung, Orbán die Ratspräsidentschaft zu entziehen, findet sich jedoch keine Mehrheit.

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