Süddeutsche Zeitung

Österreich:Schon wieder ein neuer Kanzler

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Karl Nehammer ist als Regierungschef Österreichs vereidigt. Ärger gibt es um seinen Nachfolger im Innenministerium. Der grüne Koalitionspartner der ÖVP verlangt von Gerhard Karner, dass dieser sich klar vom Austrofaschismus distanziert.

Von Alexandra Föderl-Schmid, München

Bei Angelobungen hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen mittlerweile Routine: Karl Nehammer war nun der sechste Bundeskanzler, dem Van der Bellen in seiner knapp fünfjährigen Amtszeit am Montagnachmittag den Eid abnahm. Seit dem Auffliegen der Ibiza-Affäre im Mai 2019 ist Österreichs Politik in Aufruhr. Mehr als 50 Regierungsmitglieder hat der Bundespräsident bereits kommen und gehen sehen, insgesamt sechs Positionen wurden nun neu besetzt.

Der neue Regierungschef war 23 Monate Innenminister gewesen, bei seinem Abschied von den Beschäftigten war der sonst eher hölzern auftretende Nehammer ungewohnt emotional. "Auf dich, lieber Gerhard, wartet ganz viel Arbeit", sagte Nehammer bei der Übergabe an seinen Nachfolger Gerhard Karner. Sein "alter Freund", so betonte Nehammer, stehe für "Freiheit, Demokratie und Grundrechte".

Damit stellte sich der Bundeskanzler hinter den 54-jährigen Politiker, dessen Ernennung schon vor der Vereidigung heftige Debatten ausgelöst hatte. Denn Karner war ein enger Mitarbeiter des damaligen Innenministers Ernst Strasser, der vor seinem Wechsel ins EU-Parlament und seiner Verurteilung wegen Bestechlichkeit mit seinen Getreuen das Ministerium zu einer ÖVP-Hochburg umgebaut hatte.

Nach seiner Zeit im Innenministerium war Karner nach Niederösterreich gewechselt und als Landesgeschäftsführer der ÖVP mit Sprüchen aufgefallen, die unter anderem auch antisemitische Klischees bedienten. So sprach Karner von den "Herren aus Amerika und Israel" und nennt diese "Klimavergifter". Als "unerträglich" bezeichnete er "die Dummheit der Grünen" - mit denen die ÖVP auf Bundesebene eine Koalition eingegangen ist.

Engelbert Dollfuß wird in der ÖVP bis heute verehrt

Die Grünen forderten noch vor seinem Amtsantritt als Innenminister eine Klarstellung von ihm, wie er es mit dem Austrofaschismus halte. Denn Karner ist auch Bürgermeister von Texing, wo man 1998 dem berühmtesten Sohn der Gemeinde, Engelbert Dollfuß, ein Museum eingerichtet hat. Damals war Karner noch nicht Bürgermeister des Ortes.

Dollfuß ist der führende Vertreter des Austrofaschismus. Die Regierung des christlich-sozialen Bundeskanzlers Dollfuß schaltete 1933 das Parlament aus, Dollfuß schuf mit der Maiverfassung 1934 einen autoritären Ständestaat und stützte sich vor allem auf die katholische Kirche, auf die Bauern und auf die Heimwehr. Am 25. Juli 1934 wurde er im Verlauf des Juliputsches von den Nazis ermordet.

Während die einen darauf verweisen, dass er Arbeiter habe erschießen lassen, wird er in der ÖVP als "Märtyrer" und Patriot" verehrt. Bis 2017 gab es im Parlamentsklub ein Bild von Dollfuß. Nach Einschätzung von Historikern wird auch in Texing eine Art Heldenverehrung betrieben.

Auf die aktuelle Debatte ging Karner bei seinem ersten Auftritt als Innenminister nicht direkt ein, es gab auch nicht die vom grünen Koalitionspartner geforderte Klarstellung. Karner nannte nur den "Kampf gegen Rechtsextremismus, aber auch gegen den politischen Islam" als vordringlichste Aufgabe. Am Abend erklärte ein Sprecher Karners, dass die inhaltliche Konzeption des Museums 2022 überarbeitet werde.

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