Süddeutsche Zeitung

Österreich:Grünes Schulterklopfen

Die Partei sieht sich als stabilisierende Größe neben dem schwankenden Koalitionspartner ÖVP von Kanzler Kurz.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Bei Österreichs Grünen war das, was in Deutschland gerade als Parteitag über die Bühne gegangen ist, der "Buko", was für Bundeskongress steht. Am Sonntag fand sich die Ökopartei, die in Wien gemeinsam mit der ÖVP regiert, zum ersten landesweiten Treffen seit dem Start der Koalitionsregierung im Winter 2020 zusammen; gewählt wurde niemand, aber diskutiert wurde viel. Der 43. Bundeskongress galt als Stimmungstest und als Gradmesser für die schlechte Laune der grünen Basis - schließlich hatten die österreichischen Grünen in den vergangenen Monaten viele politische Kröten schlucken müssen in der Kooperation mit dem konservativen Regierungspartner: von der Asyl- über die Sicherheits- und Gesundheitspolitik bis hin zu den Ergebnissen des Ibiza-Ausschusses und den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die Parlamentsfraktion hatte immer wieder gegen innere Überzeugungen gestimmt, türkise Minister heraushauen, missliebige Entscheidungen der Truppe um Sebastian Kurz mittragen müssen.

Nun also wollte die Parteispitze um Vizekanzler Werner Kogler und Fraktionschefin Sigrid Maurer prüfen, wie groß die Enttäuschung an der Basis ist. Doch schwierige Anträge waren in Teilen bereits im Vorfeld wegmoderiert worden, und die gute Nachricht hatte sich schon im Vorfeld mit guten Umfragewerten vermischt: Offenbar ist man allseits ganz zufrieden mit dem, was in anderthalb Jahren herausgekommen ist, dem Frust über die ÖVP zum Trotz. Oder vielleicht sogar wegen der ÖVP, denn mit deren Schwäche wächst die Stärke des kleineren Koalitionspartners.

Vizekanzler Kogler gibt die Devise aus: "Rudern statt sudern"

Kogler stellte denn auch am Sonntagmorgen im Design-Center in Linz unter starkem Beifall der 250 Delegierten und mit einem Seitenhieb auf die rechtspopulistische FPÖ fest, es sei besser, wenn "die Richtigen" regierten "als die Falschen". Und zitierte dann eine grüne Wiener Lokalpolitikerin, die mal den schönen Satz geprägt hat: "Regieren ist nichts für Lulus" (gemeint sind Weicheier). Die geballte Power der Regierungsmitglieder und der Klubobfrau (Fraktionschefin) wurde gelobt, und der ehemalige Gesundheitsminister Rudi Anschober, der im Frühjahr wegen tiefer Erschöpfung nach einem Jahr Pandemiepolitik und wohl auch wegen wiederkehrenden Mobbings vom ÖVP-Partner zurückgetreten war, bekam tosenden Applaus, als er sich kurz zeigte.

Die grüne Familie demonstrierte Einigkeit vor den nächsten Landtagswahlen im September in Oberösterreich - und angesichts der Skandale, welche die Kanzler-Truppe belasten: eine Rolle, die die Grünen sich zu eigen gemacht haben. "Ist euch schon mal aufgefallen, dass wir es sind, die dieses Land in der Mitte stabilisieren?", rief der oberösterreichische Spitzenkandidat Stefan Kaineder und stärkte damit das Narrativ, das derzeit auch in Wien verbreitet wird: Während die ÖVP schwanke, seien die Grünen stabil und verlässlich. Regierungsarbeit sei manchmal schwierig, betonte auch der populäre Vizekanzler Kogler, angesagt sei daher: "Rudern statt sudern", also nicht meckern, motzen - oder "anpatzen", wie Kurz es nennt.

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