Süddeutsche Zeitung

Süd- und Nordkorea:Ende der Freundlichkeiten

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Südkoreas designierter Präsident Yoon Suk-yeol plant einen klaren Kurswechsel in der Sicherheitspolitik. Der Frieden auf der koreanischen Halbinsel rückt damit in weite Ferne.

Von Thomas Hahn, Seoul

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gratuliert nicht. Zumindest nicht jedem. Auch eine knappe Woche nach der Wahl des konservativen Ex-Staatsanwalts Yoon Suk-yeol zum neuen Präsidenten Südkoreas war nichts bekannt davon, dass ein freundlicher Gruß aus Pjöngjang in Seoul eingetroffen sei. Aus der ganzen Welt erreichten Yoon Glückwünsche nach seinem knappen Erfolg am 9. März gegen Lee Jae-myung von der noch regierenden Demokratischen Partei. Sogar Russlands Präsident Wladimir Putin schickte ein paar warme Worte, obwohl Südkorea sich an den internationalen Sanktionen wegen seines Angriffs auf die Ukraine beteiligt und deshalb auf Putins Liste der "unfreundlichen Länder" steht. Von Nordkorea dagegen? Nichts außer Beschwerden bisher.

Aber selbst wenn Kim Jong-un den Wahlsieger Yoon mit vollendeter Freundlichkeit begrüßt hätte - das würde nichts daran ändern, dass mit dem neuen Regierungschef in Seoul wohl eine neue Phase des kalten Krieges auf der koreanischen Halbinsel anbricht. Denn wie alle südkoreanischen Rechtskonservativen ist Yoon Suk-yeol für eine klare Abgrenzung zum autoritären Regime Nordkoreas. Das heißt: demonstrative Abschreckung und keine Zugeständnisse, bevor Nordkorea seine Atomwaffen nicht abgegeben hat.

Der scheidende Präsident Moon Jae-in hat fünf Jahre lang eine ganz andere Politik verfolgt. Moon wollte Annäherung. Er verhandelte 2018 mit Kim Jong-un und brachte diesen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump zusammen. Andrei Lankov, Nordkorea-Experte von der Kookmin-Universität in Seoul, sagt über Moon sogar: "Er hat einen Krieg verhindert, der möglich zu sein schien." Anfang 2018 warnte Trump Kim Jong-un, dass er am mächtigeren Roten Knopf sitze. Die Stimmung wirkte damals explosiv. Die Vermittlungen der Moon-Regierung entspannten die Lage.

Allerdings nur kurz. Die Verhandlungen zwischen Kim und Trump scheiterten. Moon musste die Sanktionen der Vereinten Nationen achten und konnte Nordkoreas schwacher Wirtschaft nicht aufhelfen. Kim sah keinen Nutzen mehr in der Verbindung und widmete sich wieder der Aufrüstung seines atomaren Arsenals. Moon glaubte weiter an den Dialog. Noch Anfang Februar schlug er in einem Interview Gespräche ohne Vorbedingungen vor.

Yoon Suk-yeol will mit Nordkorea reden - zu seinen Bedingungen

Aber da hatte Nordkorea gerade einen Januar mit sieben Raketentests hinter sich - so vielen wie noch nie in einem Monat. Am Montag meldeten die Geheimdienste von Südkorea und den USA, Nordkorea bereite den Test einer ballistischen Interkontinentalrakete vor. Die Stimmung ist fast so schlecht wie Anfang 2018 und Lankov sagt: "Moon wirkte in den vergangenen zwei Jahren ziemlich komisch und erbärmlich mit seinen ständigen Bemühungen, das Verhältnis zu Nordkorea zu verbessern, ohne Nordkorea zu geben, was es wirklich braucht."

Und nun kommt also Yoon Suk-yeol. Auch er will mit Nordkorea reden. Aber nur zu seinen Bedingungen. Die Nordkorea-Politik Moons nannte Yoon im Wahlkampf "unterwürfig". Er warb für einen "Frieden durch Stärke". Er sagte, er wolle eine zusätzliche Batterie des amerikanischen Raketenabwehrsystems THAAD und für den Notfall die Möglichkeit eines Präventivschlags gegen Nordkorea. Und so steht es jetzt auch im elfseitigen Papier seines Außenpolitikteams, das am Sonntag herauskam.

Die Moon-Regierung war immer zurückhaltend, wenn sie das Risiko sah, Nordkorea oder Südkoreas wichtigsten Handelspartner China zu verärgern. Yoon nimmt darauf anscheinend keine Rücksicht. Sein Südkorea soll eine führende Kraft bei der Umsetzung der Sanktionen gegen Nordkorea und ein verlässlicher Partner im prowestlichen Netzwerk sein. Yoon strebt zum Beispiel einen formalen Beitritt zum Vier-Länder-Sicherheitsforum der USA, Indiens, Japans und Australiens (QUAD) an. Und die Verbindung mit den USA steht für ihn über allem. Beim Treffen mit Christopher Del Corso, dem amerikanischen Interimsbotschafter in Seoul, nannte er sie den "einzigen Verbündeten" Südkoreas und erklärte: "Wir sind Nationen, die sich gegenseitig versprochen haben, ihre Sicherheit mit Blut zu verteidigen, also müssen unsere Beziehungen entsprechend wiederhergestellt werden."

So dürfte es kompliziert werden, das Verhältnis zu China "auszuweiten und zu vertiefen", wie das Yoons Sicherheitspapier ebenfalls vorsieht. "Abwarten, wie das der Realität standhält", sagt Christopher Green von der Leiden-Universität im Portal NK News.

Andrei Lankov in Seoul ist hingegen schon jetzt sicher, dass eine Denuklearisierung Nordkoreas nach Yoons Vorstellungen nicht stattfinden wird: "Kim Jong-un hat gesehen, was mit Ländern wie Irak oder Libyen passiert ist, die auf Atomwaffen verzichteten oder sie abgaben. Die Ukraine ist das jüngste Beispiel." Kim sieht Atomwaffen zunächst einmal als Versicherung gegen Überfälle. Schadensbegrenzung findet Lankov deshalb vorerst wichtiger als unrealistische Ziele: "Nordkorea wird sich nicht ändern. Deshalb müsste man jetzt Verhandlungen für einen Deal beginnen, der Kim dazu bringt, sein Atomwaffenprogramm einzufrieren." Aber an solche Verhandlungen scheint Südkoreas designierter Präsident Yoon Suk-yeol nicht zu denken.

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