Süddeutsche Zeitung

Nahostkonflikt:Israel will Militärschläge ausweiten

Lesezeit: 3 min

Die Armee solle gezielt "Symbole der Hamas-Herrschaft" in Gaza angreifen. Bundesaußenminister Maas macht die Hamas für die Eskalation in Nahost verantwortlich - und fordert einen besseren Schutz der Synagogen in Deutschland.

Nach massiven Raketenangriffen militanter Palästinenser im Gazastreifen hat Israels Sicherheitskabinett eine Ausweitung des Militäreinsatzes gegen die dort herrschende Hamas beschlossen. Die Armee solle gezielt "Symbole der Hamas-Herrschaft" in dem Palästinensergebiet angreifen, meldete der Sender Kanal 12 am Mittwochabend. Medienberichten zufolge wurden bereits das Finanzministerium im Herzen der Stadt Gaza sowie eine Bank der Hamas zerstört. "Das ist erst der Anfang . Wir werden ihnen Schläge versetzen, die sie sich niemals erträumt haben", sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Mittwoch in einem Krankenhaus in Cholon. Hamas-Chef Ismail Hanijeh sprach von einer "unbefristeten Konfrontation mit dem Feind".

Das israelische Militär teilte weiter mit, Kampfflugzeuge hätten eine Reihe strategisch wichtiger Gebäude sowie ein Marinekommando der Hamas angegriffen. Die Angriffe würden fortgesetzt. Kurz darauf wurde in Tel Aviv am frühen Donnerstagmorgen erneut Raketenalarm ausgelöst, so auch in den Mittagsstunden.

Militante Palästinenser im Gazastreifen haben nach Angaben des israelischen Militärs seit Montagabend mehr als 1600 Raketen auf Israel abgefeuert. Etwa 400 davon seien noch in dem Küstengebiet niedergegangen, sagte Militärsprecher Jonathan Conricus am Donnerstagmorgen. Die Erfolgsquote des Abfangsystems Eisenkuppel ("Iron Dome") betrage weiterhin im Schnitt etwa 90 Prozent. Dem Sprecher zufolge starben seit Beginn des Beschusses aus dem Gazastreifen bislang sieben Menschen in Israel, sechs Zivilisten und ein Soldat.

Conricus sagte weiter, das israelische Militär habe bislang etwa 600 Ziele in dem Gazastreifen beschossen, darunter Stätten zur Produktion von Raketen und Lagerräume. Angegriffen worden sei zuletzt auch ein Tunnel, der Kämpfern unter anderem als Versteck gedient habe. Dieser sei unter einer Schule in besiedeltem Gebiet gegraben worden. Das Gesundheitsministerium in Gaza bezifferte die Zahl der Toten auf 65.

Zur Größe des Raketenarsenals der militanten Palästinenser äußerte sich der Sprecher nicht konkret. Sie hätten einen sehr großen Bestand gehabt, noch immer verfügten sie über eine beträchtliche Menge. Israel macht die im Gazastreifen herrschende, islamistische Hamas für jegliche Angriffe aus dem Gazastreifen verantwortlich. Die Palästinensergruppe wird von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft.

Zwischen jüdischen und arabischen Israelis ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen in mehreren israelischen Städten zu schweren Konfrontationen gekommen. Trotz einer Ausgangssperre flammten Unruhen in der Stadt Lod in der Nähe von Tel Aviv erneut auf. Nach Medienberichten wurde in der Stadt ein Polizeifahrzeug in Brand gesetzt. In Akko im Norden des Landes wurde nach Angaben des israelischen Fernsehens ein jüdischer Einwohner von arabischen Demonstranten lebensgefährlich verletzt. In Bat Jam südlich von Tel Aviv attackierten ultrarechte Juden nach Medienberichten arabische Geschäfte. Die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern war zuletzt auch auf arabische Ortschaften im israelischen Kernland übergeschwappt. Das israelische Fernsehen berichtete, Regierungschef Netanjahu wolle Soldaten in die Städte entsenden, um die Ruhe wiederherzustellen. Verteidigungsminister Benny Gantz habe dies jedoch abgelehnt. Am Dienstag hatten arabische Einwohner von Lod eine Synagoge sowie Dutzende Autos in Brand gesetzt und Schaufenster eingeworfen worden.

"Willentlich und wissentlich herbeigeführt"

Deutschlands Außenminister Heiko Maas macht für die aktuelle Eskalation in Nahost die Hamas verantwortlich. "Die jüngste Eskalation hat die Hamas willentlich und wissentlich herbeigeführt, indem sie über tausend Raketen wahllos auf israelische Städte geschossen hat, in vollem Bewusstsein der Konsequenzen", sagte Maas der Funke Mediengruppe. "Wer so rücksichtslos handelt, trägt die Verantwortung auch für die entsetzlichen humanitären Folgen, die hunderttausende Menschen auf beiden Seiten jetzt erleiden."

Mass rief zudem zum besseren Schutz von Synagogen auf. "Für Angriffe auf Synagogen darf es in unserem Land null Toleranz geben", sagte der SPD-Politiker. "Und so traurig es ist, dass das überhaupt notwendig ist: der Staat muss ohne Wenn und Aber die Sicherheit der Synagogen gewährleisten." Am Dienstagabend waren vor Synagogen in Deutschland Israel-Flaggen verbrannt worden, ein Eingang wurde durch geworfene Steine beschädigt. Maas rief alle Bürger dazu auf, es nicht zu akzeptieren, "wenn Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland für Ereignisse im Nahen Osten verantwortlich gemacht werden - auf der Straße wie in den sozialen Medien".

In Gelsenkirchen stoppte die Polizei am Mittwochabend einen anti-israelischen Demonstrationszug. Die ungefähr 180 Demonstranten, die sich vom Bahnhofsvorplatz in Richtung Synagoge bewegten, seien demnach von zahlreichen Polizeibeamten aufgehalten worden, wie es in einer Mitteilung hieß. Während der unangemeldeten Versammlung seien auch anti-israelische Rufe skandiert worden. Die Polizei setzte den Angaben zufolge auch Schlagstöcke ein, verletzt worden sei jedoch niemand, hieß es.

US-Präsident Joe Biden hat das Selbstverteidigungsrecht Israels betont. Das Weiße Haus teilte mit, Biden habe bei einem Telefonat mit Netanjahu die Raketenangriffe der Hamas und anderer Terrorgruppen gegen Israel verurteilt. Der US-Präsident habe außerdem "seine unerschütterliche Unterstützung für Israels Sicherheit und für Israels legitimes Recht, sich selbst und sein Volk zu verteidigen", zum Ausdruck gebracht. Biden habe Israel zugleich ermutigt, "einen Weg zur Wiederherstellung einer nachhaltigen Ruhe zu beschreiten".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5292426
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/Reuters/ihe
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.