Gesetz über Euro-Rettungsschirm und Fiskalpakt:Gauck unterschreibt vorerst nicht
Lesezeit: 2 Min.
Bundespräsident Joachim Gauck wird die Gesetze zum Fiskalpakt und dem Euro-Rettungsschirm ESM vorläufig nicht unterschreiben. Dadurch kann der Europäische Stabilitätsmechanismus nicht wie geplant zum 1. Juli in Kraft treten - dafür ist ein Verfassungskonflikt in letzter Minute abgewendet.
Bundespräsident Joachim Gauck wird die Gesetze zum Fiskalpakt und dem Euro-Rettungsschirm ESM, die am 29. Juni im Bundestag verabschiedet werden sollen, vorläufig nicht unterschreiben. Der Europäische Stabilitätsmechanismus kann daher noch nicht wie geplant zum 1. Juli in Kraft treten, sondern erst einige Tage oder Wochen später.
Gauck entspricht einer ausdrücklichen Bitte des Bundesverfassungsgerichts, das zunächst über die Anträge auf einstweilige Anordnung gegen die Gesetze entscheiden will. Das Zuwarten des Präsidenten in einer solchen Situation ist üblich und entspricht guter Verfassungstradition. Auch die früheren Präsidenten haben so gehandelt. Der Erklärung Gaucks, die vorläufige Gerichtsentscheidung abzuwarten, war ein heftiges Gezerre hinter den Kulissen vorausgegangen.
Verfassungskonflikt abgewendet
Hätte sich Gauck geweigert, der Karlsruher Bitte nachzukommen, hätte dies einen in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie dagewesenen Verfassungskonflikt heraufbeschworen, einen Streit zwischen den höchsten Institutionen des Staates. Offenbar hatte der Bundespräsident ursprünglich noch am Abend des 29. Juni unterzeichnen wollen, unmittelbar nach der Abstimmung im Bundestag und Bundesrat. Dagegen wehrte sich das Verfassungsgericht, das dann keine Möglichkeiten mehr gehabt hätte, die Gesetze im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu prüfen. Das Gericht wäre ausmanövriert gewesen.
In Karlsruhe sind viele Klagen, Verfassungsbeschwerden und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz angekündigt worden, die sofort nach Verabschiedung von Fiskalpakt und Rettungsschirm eingereicht werden sollen. In einem solchen Fall entspricht es den Gepflogenheiten, dass der Bundespräsident die Gesetze zunächst nicht unterschreibt, damit das Gericht die Klagen vorläufig prüfen kann, was oft nur wenige Tage dauert. Das Bundespräsidialamt hatte nach SZ-Informationen auf die Bitte des Gerichts erst verhalten reagiert.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Kanzlerin habe aber mit Gauck "niemals über die Frage des Zeitpunkts der Unterzeichnung der Gesetze gesprochen. Anderslautende Behauptungen entsprechen nicht den Tatsachen." Die Rechtsprofessoren, die die Klagen in Karlsruhe vertreten, hatten freilich schon Anträge vorbereitet, um dem Präsidenten eine schnelle Unterschrift verbieten zu lassen.
Für Beratungen ist kaum Zeit
Bundestag und Bundesrat haben in der kommenden Woche sehr wenig Zeit zur Beratung. Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die 12 000 Verfassungsbeschwerden der Initiative "Europa braucht mehr Demokratie" vertritt, sprach von "absurder Hektik". Wenn nun das Verfassungsgericht von sich selbst sagt, es benötige Zeit, um die umfangreichen Texte und Materialien zumindest vorläufig überprüfen zu können, ist das wohl auch als Hinweis an das Parlament zu verstehen, sich mehr Zeit zu nehmen.
Die Erklärung Gaucks, mit der Unterschrift zuzuwarten, erleichtert es dem Gericht, Eilanträge gegen die Gesetze abzulehnen, also keine vorläufige Entscheidung zu treffen; es entgeht dann dem Vorwurf, per Eilentscheidung den Euro kaputt zu machen. Es ist aber zu erwarten, dass das Gericht nach Ablehnung einer Eilentscheidung in eine sehr gründliche inhaltliche Prüfung von Fiskalpakt und ESM eintritt. Es hat mehrmals zu erkennen gegeben, dass es die Möglichkeiten zur Abgabe von Souveränität auf dem Boden des geltenden Grundgesetzes für ausgeschöpft hält.
Koalition, SPD und Grüne hatten sich am Donnerstag auf ein Kompromisspaket für den Fiskalpakt geeinigt. Dazu gehören die Einführung einer Finanztransaktionsteuer in Europa bis Ende 2012 sowie zusätzliche Wachstumsimpulse. Am Sonntag soll mit den Bundesländern eine endgültige Einigung erreicht werden. Damit wäre der Weg für die nötige Zweidrittelmehrheit in Bundestag und -rat am 29. Juni frei.