Süddeutsche Zeitung

Arzneiknappheit:Bayern will lockere Vorgaben für Herstellung von Medizin

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Angesichts der Knappheit bei Medikamenten fordert der bayerische Gesundheitsminister: Der Bund soll gesetzliche Hürden senken, damit Apotheken selbst Fiebersäfte herstellen können. Auch die Bundeswehr soll eingreifen.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fordert angesichts des Medikamentenmangels in Deutschland, dass die Vorgaben für die Herstellung von Medizin durch Apotheken gelockert werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) solle die gesetzlichen Hürden senken, damit Apotheken selbst Fiebersäfte auf Vorrat ohne Nachweis häufiger ärztlicher Verschreibungen herstellen könnten, teilte Holetschek am Dienstag mit. Dafür müsse das Arzneimittelgesetz geändert werden. Apotheker könnten so pro Tag bis zu 100 Packungen Fiebersaft auf Vorrat herstellen, sagte der CSU-Politiker.

Derzeit sind etwa 300 Arzneimittel nicht lieferbar, darunter Kindermedikamente wie Fieber- und Hustensäfte. Auch Mittel für Erwachsene sind betroffen, etwa Krebsmedikamente und Antibiotika. Lauterbach will die Engpässe mit neuen finanziellen Anreizen stärker bekämpfen. Bei der Beschaffung von Arzneimitteln soll künftig nicht mehr der Preis der wichtigste Faktor sein. Das geht aus einem Eckpunktepapier für ein Gesetzesvorhaben hervor, über das die Süddeutsche Zeitung zuerst berichtet hatte. In dem Papier stehen mehrere Maßnahmen. So sollen etwa die Preisregeln bei wichtigen Arzneimitteln für Kinder gelockert werden.

Lauterbach will die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessern, indem die Krankenkassen ab sofort mehr für solche Medikamente bezahlen. Am Dienstagmorgen sagt er in der ARD: "Wir müssen diese Arzneimittel für Kinder aus den Festbeträgen herausnehmen, sodass die auch teurer verkauft werden. Da werde ich heute auch schon reagieren, dass die Krankenkassen angewiesen werden, 50 Prozent mehr zu zahlen als diesen Festbetrag."

Der bayerische Gesundheitsminister hat noch ganz andere Vorschläge, um gegen den Medikamentenmangel vorzugehen. Dabei denkt er auch an den Einsatz der Bundeswehr: Sie solle, wenn nötig, bei der Lieferung und Beschaffung von Arzneimitteln helfen. "Wir dürfen nichts unversucht lassen, um die Versorgung mit wichtigen Medikamenten wie Fiebersäften für Kinder kurzfristig und unbürokratisch über die Weihnachtstage zu stabilisieren", findet Holetschek.

Zudem solle Lauterbach prüfen, ob der Bund einen Versorgungsmangel feststellen müsse. Das klinge zwar sehr bürokratisch, sagte Holetschek. "Aber die offizielle Feststellung würde Bund und Ländern größeren Handlungsspielraum geben, auf die aktuelle Situation zu reagieren." So könnten etwa auch Arzneimittel, die nicht im Bundesgebiet zugelassen oder registriert seien, befristet in den Verkehr gebracht werden.

Ärztevertreter befürchten noch schlimmere Engpässe über Weihnachten und Silvester

Derzeit sorgen neben Corona-Infektionen auch Grippe- und bei Kindern RS-Viren in ganz Deutschland für viele Erkrankungen. Ärztevertreter befürchten noch schlimmere Engpässe in der Kindermedizin über Weihnachten und Silvester. "Im Moment beobachten wir, dass Infektionen mit dem RS-Virus zurückgehen, dafür kommen jetzt immer mehr Kinder mit Grippe und anderen Atemwegserkrankungen", sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Durch die Personallage an den Feiertagen wird die Lage in Kliniken und Praxen gleichzeitig noch einmal angespannter sein als jetzt."

Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte: "Ich gehe davon aus, dass diese akute Krise in der Kindermedizin noch bis Februar andauert." Die Zahl der Infektionsfälle werde nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen voraussichtlich in den kommenden Wochen noch weiter steigen. "Gleichzeitig geraten die Kinderkliniken über die Feiertage durch ausgedünnte Dienstpläne zusätzlich unter Druck - zumal dann, wenn viele niedergelassene Kinderärzte ihre Praxen in dieser Zeit schließen oder die Sprechstunden reduzieren."

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