Süddeutsche Zeitung

Mallorca-Gate:Viel Emotion, wenig Fakten

Lesezeit: 2 min

Die Frage, wann NRW-Ministerpräsident Wüst von der Geburtstagsfeier seiner Ministerin auf Mallorca erfuhr, ist weiter offen. Doch der Untersuchungsausschuss erlebt am Freitag ein Drama.

Von Jana Stegemann und Christian Wernicke, Düsseldorf

Es ging bisweilen dramatisch zu im Saal, aber dramatisch Neues gab es nicht zu hören. Die entscheidende politische Frage drei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen blieb im Flut-Untersuchungsausschuss unbeantwortet: Wann hat CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst davon erfahren, dass drei seiner Regierungsmitglieder unmittelbar nach der Flutkatastrophe mit 49 Toten, Dutzenden Verletzten und Sachschäden in Milliardenhöhe für mehrere Tage nach Mallorca geflogen waren und Geburtstag feierten?

Wüsts rechte Hand, der Chef der NRW-Staatskanzlei Nathanael Liminski, bedauert Erinnerungslücken. Es war wohl Anfang April und es sei Ex-Ministerin Ursula Heinen-Esser selbst gewesen, die ihm von der Reise erzählte. "Aber was wann sie mir in welchem Gespräch gesagt hat, das kann ich nicht mehr sagen", so Liminski.

Stunden zuvor hatte die am 7. April geschasste Ex-Umweltministerin Heinen-Esser am Freitagmorgen selbst im U-Ausschuss ausgesagt. Doch vor den Fragen der Abgeordneten wollte die 56-Jährige noch etwas loswerden. Nach wenigen Minuten ihrer vorgeschriebenen Erklärung bricht ihre Stimme, Heinen-Esser weint laut auf, presst die nächsten Worte wütend hervor: Die Anschuldigungen nähmen "groteske Züge" an, die Anfragen an ihre minderjährige Tochter seien für sie "ein Schritt zu viel gewesen", es sei "eine Grenze überschritten worden", sagte Heinen-Esser. Die Politikerin fängt sich, doch kurze Zeit später bricht sie erneut in Tränen aus: "Dass Gäste, die mir und meiner Familie zuliebe gekommen sind, jetzt öffentlich in der Kritik stehen, tut mir persönlich sehr leid."

Die CDU sieht eine "Ausspäh-Affäre"

Am Abend vor Heinen-Essers erneuter Aussage vor dem U-Ausschuss - sie war schon im vergangenen Februar von dem Gremium befragt worden - hatte der Kölner Stadtanzeiger enthüllt, dass ein Mitarbeiter der Parlamentarischen Geschäftsführerin der NRW-SPD-Fraktion, Sarah Philipp, Heinen-Essers Tochter zwei Freundschaftsanfragen auf Instagram gestellt hatte. Der Account der 16-Jährigen ist privat, nur bestätigte Kontakte können ihre Posts sehen.

Ein Screenshot ihres Handy-Bildschirms, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, zeigt, dass der Mann zunächst vom Instagram-Account der Politikerin Philipp eine Kontaktanfrage an Heinen-Essers Tochter stellte, Minuten später auch von seinem eigenen Account.

Philipp bestätigte den Vorgang, ihr Mitarbeiter habe jedoch nicht im Auftrag, sondern "aus Neugierde" gehandelt - nachdem im Landtag über die Geburtstagsfeier in Palma spekuliert worden war. Heinen-Esser bestätigte im Ausschuss, dass sie ein Entschuldigungsschreiben von Philipp erhalten habe.

SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty sagte dem Westfalen-Blatt: "Das war dumm und unsensibel, weshalb es bereits arbeitsrechtliche Konsequenzen gegeben hat." Seit dem Morgen versucht die NRW-CDU mit Verve aus dem Vorgang eine nationale "Ausspäh-Affäre" zu machen; die Spitzenkandidaten von CDU und SPD liegen drei Wochen vor der Landtagswahl gleichauf. Heinen-Esser steht vor den Scherben ihrer politischen Karriere, auch ihren sicheren Listenplatz hat sie mittlerweile aufgeben.

Die Ministerin war zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe den 76. Geburtstag ihres Mannes auf der Baleareninsel gefeiert hatte. Zu der Party waren auch drei CDU-Parteifreundinnen geladen: Bauministerin Ina Scharrenbach, Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner und die heutige Bundestagsabgeordnete und damalige NRW-Staatssekretärin für Integration, Serap Güler.

Zur brisanten Frage, ob und wann der seit Oktober regierende Ministerpräsident Hendrik Wüst von den Insel-Eskapaden seiner Minister erfuhr, äußerte sich dessen Staatssekretär Nathanael Liminski mehrfach unpräzise. Liminski bestätigte zwar, dass Heinen-Esser auch ihm (wie auch dem Untersuchungsausschuss) in mehreren Etappen die Vorgänge anvertraut habe. Aber das soll nun Liminskis Dienstherrn Wüst schützen: Dass Heinen-Esser neun statt nur vier Tage auf Mallorca blieb, will Liminski um den 24. März erfahren haben. An dem Tag gab die Ministerin dies auch in einem Interview preis. Von der Geburtstagsfeier für ihren Ehemann, umgeben von drei Regierungskollegen aus Düsseldorf, habe er hingegen erst Tage später erfahren. Wann genau? "Das kann ich nicht mehr sagen." Zudem baute Liminski noch einen Schutzwall für seinen Chef auf: Er erinnere auch nicht mehr präzise, an welchem Tag er dann wiederum Wüst von der Feier berichtet habe.

Wüst selbst verweigert seit zwei Wochen jede Antwort auf Fragen nach dem Datum seiner Einweihung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5571212
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.