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Beliebte Politiker:Pole-Position für den Außenminister?

Lesezeit: 5 min

Von Markus C. Schulte von Drach

Heiko Maas (SPD) ist seit einigen Monaten Außenminister - und inzwischen einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Das ist ein erstaunlicher Erfolg. Bislang war Maas im Feld der Spitzenpolitiker eher in den unteren Rängen platziert, wenn überhaupt. Er galt als unauffällig oder blass. Als Spitzenkandidat der SPD im Saarland hat er drei Landtagswahlen verloren, was ihm einen Ruf als "ewiger Loser" verschaffte.

Im ARD-DeutschlandTrend, erhoben von infratest-dimap, liegt er mit einer Zustimmung von 47 Prozent nun schon zum zweiten Mal auf dem 1. Platz, knapp vor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die nur 46 Prozent der Befragten überzeugen konnte.

Im ZDF-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen kommt er auf der Sympathie-Skala von -5 bis +5 auf einem Wert von immerhin 0,8 und liegt hinter der Bundeskanzlerin, Olaf Scholz (SPD) und Cem Özdemir (Grüne). An der Spitze steht Wolfgang Schäuble (CDU), der 1,8 erreicht.

Während seiner Zeit als Justizminister war die Zustimmung zu seiner Arbeit nur sporadisch erfragt worden. Sie lag im DeutschlandTrend eher um die 30 Prozent, im Politbarometer waren die Bewertungen ähnlich wie jetzt. Seine Beurteilung war im Vergleich zu den anderen Spitzenpolitikern demnach nur mäßig. Aber obwohl seine Beliebtheit absolut gesehen gar nicht deutlich gewachsen ist, steht er nun - je nach Umfrageinstitut - an der Spitze oder gehört zur Spitzengruppe, weil die Zufriedenheit mit der Konkurrenz gesunken ist.

Wie lässt sich diese für viele doch überraschende Entwicklung bei Maas erklären? Der Verdacht liegt nahe, dass sie mit seinem Posten als Außenminister zusammenhängt. Das Amt gilt als Möglichkeit, das Image zu polieren. Geradezu von einer "Popularitätsschmiede" ist die Rede.

Das Außenministerium als Popularitätsschmiede?

Zum ersten Mal diskutiert wurde der "Amtsbonus" für Außenminister am Beispiel Hans-Dietrich Genscher (FDP), der 18 Jahre lang Außenminister war. Anfänglich nicht besonders beliebt, profitierte er von Mitte der 80er Jahre an von seiner Entspannungspolitik und der Entwicklung im Osten, die schließlich zur Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands führte. Vom Satiremagazin Titanic als Superheld "Genschman" gefeiert, war er schließlich über Jahre der beliebteste Politiker Deutschlands.

Politikwissenschaftler wie Dieter Roth von der Forschungsgruppe Wahlen und Heinrich Oberreuter, ehemals Universität Passau erklären das Phänomen so: Dem Inhaber dieses Amtes "fliegen Popularität und Sympathie zu, weil er nach vorherrschendem Eindruck sich über die Niederungen der Tagespolitik erhebt und sich weitgehend abgekoppelt vom Parteiengezänk für diplomatische Lösungen zum Wohle aller Deutschen einsetzt." In diesem Falle scheine der Person eine Art präsidialer Respekt entgegengebracht zu werden. (In " Politbarometer". Hrsg. Andreas Wüst. 2003)

Auftritte auf der großen internationalen Bühne, Treffen mit Ministern, Regierungschefs und Präsidenten anderer Staaten, Gespräche über die friedliche Lösung von Konflikten und die Beendigung von Kriegen werfen ein positives Licht auf die Chefdiplomaten - über die in den Medien auch noch häufig berichtet wird. Ein Blick auf die Beliebtheit der Politiker der vergangenen Jahre scheint das Phänomen des sogenannten Amtsbonus' zu bestätigen. Allerdings hat nicht jeder Außenminister gleichermaßen davon profitiert.

Sigmar Gabriel (SPD) - am Ende beliebter als Merkel

Relativ schnell hat sich der Amtsbonus bei Sigmar Gabriel (SPD) bemerkbar gemacht. Mit seiner Arbeit als Wirtschaftsminister waren den Umfragen zufolge schon relativ viele Menschen zufrieden. Als er im Januar 2017 Außenminister wurde, dauerte es nicht lange, bis seine Werte deutlich anstiegen. Schließlich lag er in manchen Umfragen sogar vor Angela Merkel und Wolfgang Schäuble.

Gabriel war es gelungen, schon bei seinen ersten Reisen als Außenminister - zuerst nach Frankreich, dann nach Russland und Israel - einen guten Eindruck zu machen: Aufgeschlossen, aber auch selbstbewusst war er aufgetreten. Damit hatte er manche überrascht. Zuvor hatte er nicht gerade den Ruf eines Diplomaten, sondern eher den eines politischen Grobians.

Frank-Walter Steinmeier (SPD) - von Mal zu Mal beliebter

Gabriels Vorgänger Frank-Walter Steinmeier (SPD) war zweimal Außenminister, dazwischen Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

Als er 2013 zum zweiten Mal Außenminister wurde, verbesserte er sich in den Umfragen deutlich. Da zeitweilig die Zufriedenheit mit seiner Konkurrenz sank, schaffte er es sogar zum beliebtesten Politiker Deutschlands.

Schon nach seinem ersten Amtsantritt Ende 2005 war die Zustimmung für ihn gewachsen - allerdings hatte das einige Zeit gedauert.

Da die Umfragen Steinmeier erst als Minister berücksichtigten, lässt sich nicht sagen, ob seine Beliebtheit im Vergleich zu seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramtes zugenommen hat. Aber zwischen seinen beiden Amtszeiten als Außenminister lagen seine Werte im Politbarometer deutlich niedriger. Das spricht für einen Amtsbonus für den Außenminister.

Vermutlich schätzte die Bevölkerung Steinmeiers Haltung, dass Deutschland in der Welt wieder mehr Verantwortung übernehmen sollte - auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Sein Auftreten in der innerdeutschen Politik wurde eher als steif wahrgenommen. Als Außenminister dagegen kam es als staatsmännische Haltung besser an.

Guido Westerwelle (FDP) - als Minister erwünscht, als Außenminister unbeliebt

Guido Westerwelle (FDP) führte 2009 vor, dass der Posten als Außenminister nicht zwangsläufig zu einer hohen Popularität führt. In den Umfragen erhielt er vor seinem Amtsantritt immerhin mäßig Zustimmung. Und im DeutschlandTrend waren kurz vor der Wahl immerhin 67 Prozent noch dafür gewesen, dass Westerwelle einen Ministerposten erhalten sollte. Allerdings hatten die meisten dabei eher an das Wirtschafts- oder Bildungsministerium gedacht, wie eine Umfrage zeigte.

Nachdem er Außenminister geworden war, gingen Westerwelles Werte schnell in den Keller. Vermutlich wurde ihm weniger Kompetenz in der Außenpolitik zugetraut. Die ersten Monate seiner Amtszeit waren außerdem geprägt von dem Streit um die Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen, die der FDP und ihrem Vorsitzenden Westerwelle den Vorwurf der Klientelpolitik einbrachte. Darüber hinaus hatten seine Worte von der "spätrömischen Dekadenz" während der Diskussionen um Hartz-IV viele Menschen vor den Kopf gestoßen.

Westerwelle versuchte, sich durch ein Engagement für den Abzug der letzten US-Atomwaffen aus Deutschland zu profilieren - mit wenig Erfolg. Seine weitreichendste Entscheidung als Außenminister war, dass Deutschland 2011 die Luftangriffe in Libyen nicht unterstützte, die den Aufständischen helfen sollten. Die Bundeswehr beteiligte sich auch nicht an dem folgenden Militäreinsatz. Das wurde zwar teils begrüßt, stieß aber auch auf viel Kritik.

Wenn Westerwelle vom Amtsbonus des Außenministers profitieren konnte, dann erst gegen Ende seiner Amtszeit 2013. Da waren wieder deutlich mehr als 40 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden. Vermutlich hatte geholfen, dass er den FDP-Vorsitz abgegeben und sich so aus der innerdeutschen Tagespolitik zurückgezogen hatte.

Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) - mit dem Amt zum Starpolitiker

Verblüffend war, wie sich die Beliebtheit von Joschka Fischer (Bündnis90/Die Grünen) mit der Übernahme des Außenministerpostens entwickelte.

Vor der Bundestagswahl 1998 befand sich Fischer im Mittelfeld der Spitzenpolitiker. Als Außenminister des rot-grünen Kabinetts stieg die Zufriedenheit mit ihm schnell auf sehr gute Werte, er lag fast seine gesamte Amtszeit über vor Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Erst im April 2005 ging die Zustimmung für Fischer aufgrund der sogenannten Visa-Affäre vorübergehend stark zurück. Er erreichte jedoch in den Umfragen bald wieder relativ gute Werte.

Fischer profilierte sich als Europa-Politiker, guter Redner und Realpolitiker, der sich gegen viel Widerstand in der eigenen Partei durchsetzte. Dabei hatte Fischer ursprünglich der linken Studentenbewegung der 60er Jahre angehört

Klaus Kinkel (FDP) - weder populär noch unbeliebt

1992 überließ Hans-Dietrich Genscher (FDP) das Amt des Außenministers seinem Parteifreund Klaus Kinkel. Der war seit 1991 bereits Bundesjustizminister gewesen - eine Parallele zur Karriere von Heiko Maas. Kinkel blieb Chef des Auswärtigen Amtes, bis zum Ende der schwarz-gelben Koalition 1998 abgewählt wurde. Unpopulär war Kinkel während seiner Amtszeit nicht, aber er stand im Schatten von Genscher. Sein Bemühen um eine weitere Annäherung von Ost und West wurde geschätzt. Begeisterung für die Arbeit des früheren Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes kam aber nicht auf.

Nicht zu verlieren, ist auch schon gut

Vergleicht man die Beliebtheit der Außenminister, die sich in den Umfragedaten zeigt, so muss Heiko Maas noch zulegen, um Werte wie Gabriel, Steinmeier oder Fischer zu erreichen. Bislang hilft ihm der Amtsbonus lediglich, den Status quo zu halten oder sich vielleicht ein wenig zu verbessern. Manch andere Politiker wäre allerdings schon über einen solchen Effekt froh.

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