Süddeutsche Zeitung

Landtagswahlen:Der Schicksals-Sonntag

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Die Landtagswahlen an diesem Sonntag sind für die Sozialdemokraten ein Schicksalstag. Denn sollte nicht mindestens einer der zur Wahl stehenden CDU-Ministerpräsidenten fallen, dann taumelt die Steinmeier-Truppe dem technischen K.o. entgegen.

Kurt Kister

Vielleicht bringt der Sonntag ja ein Ende der Langeweile. Bis dato bestand in Deutschland Einigkeit darüber, dass der Wahlkampf in diesem Sommer noch weniger aufregend war als ein Fußballspiel zwischen Red Bull Salzburg und dem FC Timisoara.

Kanzlerin und Kanzleraspirant sind sich zu ähnlich, es ist ein wenig so, als müsse man sich zwischen Spaghetti bolognese und Spaghetti mit Fleischsauce entscheiden. Am Sonntag aber wird in vier Bundesländern gewählt. Sachsen, Thüringen und das Saarland bestimmen über die neuen Landesregierungen; in Nordrhein-Westfalen finden Kommunalwahlen statt.

Gewiss, die Wähler in diesen sehr unterschiedlichen Regionen Deutschlands werden ihre Stimmen nicht einmal in zweiter Linie im Hinblick auf die Bundestagswahl abgeben. Es geht vielmehr um Lokales und Regionales, um Arbeitsplätze und Straßenbau, um Wirtschaftsförderung in der Vorstadt und um Vertrauen in Menschen, die man kennt, weil sie Nachbarn sind oder so wirken.

Berliner Käseglocke

Kommunalwahlen sind eine so direkte Form der Demokratie, wie es in einem repräsentativen System nur geht. Und auch die Landtagswahlen haben mehr mit Heimat und Selbstverständnis zu tun als die für sehr viele doch sehr weit entfernte Bundespolitik unter der Käseglocke in Berlin.

Hinzu kommt, dass in den Ländern am Sonntag Konstellationen entscheidend sein werden, bei denen Merkel und Steinmeier, Westerwelle und Künast kaum eine Rolle spielen. Im Saarland würde die Linkspartei bei sieben oder acht Prozent liegen, wenn nicht Oskar Lafontaine sein letztes großes Heimspiel anträte.

In Thüringen wiederum kämpft der aus der Gnade des Wählers gefallene Dieter Althaus darum, an die prinzipiell immer noch vorhandene Popularität seiner Partei anzuschließen. Er wird wohl abstürzen, man weiß nur noch nicht, wie tief. In Sachsen ist es umgekehrt, dort profitiert die angekratzte CDU von der Beliebtheit des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich. Dass der zu DDR-Zeiten in der Block-CDU aktiv war, gereicht ihm im Freistaat eher zum Vorteil.

Obwohl es um so viele so unterschiedliche Dinge geht bei diesen Wahlen, wird dennoch die zentrale, überwölbende Frage am Sonntagabend lauten: Was ist die Botschaft für den 27.September? Mit Bangen müssen vor allem die Sozialdemokraten auf die Hochrechnungen warten. Für die SPD nämlich ist schon der 30. August ein Schicksalstag.

Sollte nicht mindestens einer der in den Wahlländern amtierenden CDU-Ministerpräsidenten fallen, dann taumelt die ohnehin nicht sehr kampfkräftige Steinmeier-Truppe Ende September dem technischen K.o. entgegen. Die SPD dümpelt gegenwärtig in den Umfragen bundesweit bei Mitte zwanzig Prozent. Sie braucht dringend Aufwind, Mut, neue Argumente.

Hilfe von der Linkspartei

Ein Regierungswechsel im Saarland und, wenn es für die SPD besonders gut liefe, vielleicht auch noch in Thüringen, würde den Sozialdemokraten möglicherweise das bescheren, was der Partei-Stabsfeldwebel Müntefering und der leidenschaftlich bemühte Steinmeier bisher vergebens zu wecken suchten: jene Aufbruchsstimmung, die man braucht, um den Leuten zu erklären, warum man auch nach elf Jahren Regierungsbeteiligung noch nicht graufaltig und müde geworden ist, sondern immer noch eine frische Alternative darstellt.

Allerdings trifft auch in den drei Ländern zu, was vier Wochen später für den Bund gilt: Aus eigener Kraft wird die SPD nirgendwo den Wechsel hinbekommen. Wenn sie Glück hat, wird sie hie und da ein paar Pünktchen zulegen; in Thüringen war die SPD zuletzt unter 20 Prozent und in Sachsen gar unter zehn. Das sind keine Volkspartei-Zahlen mehr.

Weil sie kaum gewinnen werden, müssen die Sozialdemokraten darauf hoffen, dass wenigstens die Union möglichst kräftig verliert. Immerhin erzielte die CDU in allen drei Ländern bei den letzten Wahlen jeweils klar über 40 Prozent.

Andererseits muss ausgerechnet die Linkspartei der schwächelnden Sozialdemokratie mit guten Ergebnissen auf die Beine helfen. Im Saarland und in Thüringen ist die Situation ähnlich: Nur wenn die Ex-PDS stark abschneidet und die SPD nicht zu schwach, ist ein Machtwechsel möglich. Ohne die Linkspartei wird die SPD weder da noch dort mitregieren können - es sei denn, sie flüchtet sich in eine große Koalition.

So gesehen ist die SPD in den in Rede stehenden Ländern abhängig von der Linkspartei. Das ist sehr misslich, auch weil diese Partei, vor allem ihre West-Abteilung, der SPD grundsätzlich so viel schaden will, wie es nur geht - allen voran der egozentrische SPD-Renegat Lafontaine.

Gute Wahlergebnisse für die Linkspartei bedeuten einerseits Gegenwind für die SPD, zumal für die Steinmeier-SPD, die im Bund aus guten Gründen rot-rote Techtelmechtel ablehnt. Trotzdem aber sollen die möglichen Linkspartei-Erfolge in den Ländern der SPD insgesamt doch auch wieder zum Rückenwind im Kampf gegen die CDU gereichen.

So bescheiden ist die Lage der SPD vier Wochen vor der Wahl: Sie muss behaupten, der Wind, der ihr ins Gesicht weht, sei in Wirklichkeit ein Wind der Veränderung, der die SPD nach vorne treibe.

An der Ausgangslage der CDU werden die Ergebnisse des Wahlsonntags mutmaßlich nicht viel ändern. Das politische Programm der Union heißt Angela Merkel. Auch wenn Müller und Althaus verlören, würde die Kanzlerin selbst nicht unpopulärer werden. Die Union würde bei Verlusten am Sonntag den Wahlkampf noch stärker auf Merkel zuschneiden. Sie zieht in diesen Wochen die Partei und nicht umgekehrt.

Wenn es zudem im Saarland oder in Thüringen zu schwierigeren Mehrheitsverhältnissen kommt, wenn drei Parteien in allen möglichen Farbkonstellationen Koalitionen ausjonglieren müssen, dann wird dies im Bund für etliche Wähler heißen: Solche Experimente mag man für die Bundesregierung nicht. Wie einst Konrad Adenauer ("Keine Experimente!") steht auch Merkel für Stabilität, die nur manchmal in die Unbeweglichkeit, gar in die Erstarrung überlappt.

Kampf für sich selbst

Merkels Grundansatz ist der, dass sie wenig gegen andere kämpft, sondern in erster Linie nur für sich. Deswegen ficht sie weder einen Koalitionswahlkampf für Schwarz-Gelb aus noch attackiert sie die SPD ernsthaft. Sie bleibt bisher im Wahlkampf die Präsidialkanzlerin, zu der sie sich seit 2005 immer mehr stilisiert hat.

Auch Schröder hat sich als Präsidialkanzler verstanden, dabei aber - im Gegensatz zu Merkel - seine Partei vergrätzt. Ohne Schröders konfrontatives Präsidialkanzlertum übrigens wäre auch die Lafontaine-Linke nicht mit der ostdeutschen PDS verschmolzen.

Es gibt in der Union etliche, die Merkels unaggressiven Wahlkampf mit Unverständnis oder Neid verfolgen. Der Krawallmaxe Seehofer zum Beispiel meint, er müsse auf die FDP eindreschen, um das CSU-Profil zu stärken. Das ist ebenso durchsichtig wie einfältig. Geschrei und Gebolze à la Seehofer nutzen in dieser Gesamtlage eher der FDP, vielleicht sogar SPD oder Grünen.

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SZ vom 29.08.2009
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