Süddeutsche Zeitung

Krise auf der Krim:Putins Propaganda-Kampf

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Das russische Staatsfernsehen zeigt irreführende Bilder, Links zu Artikeln funktionieren plötzlich nicht mehr. Wie Russland Informationen über die Krise in der Ukraine manipuliert.

Von Florian Hassel, Kiew

Jurij Jakowlew aus der ukrainischen Stadt Winnitzija ist ein kommunikativer Mensch. Deshalb fallen sie ihm besonders auf, die bislang unbekannten Probleme beim Kontakt mit Freunden und Bekannten. "Skype-Anrufe zu meinen Freunden auf der Krim oder in Russland gehen nicht durch. Maile ich Moskauer Freunden Links zu Artikeln, die beschreiben, was in der Ukraine passiert, dann funktionieren die Links nicht." Mit dieser Erfahrung steht er nicht alleine da: Nicht erst seit dem Fall des moskaufreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch und dem Einmarsch Russlands auf der Krim kämpfen vor allem die Russen auch im Internet, im Fernsehen und im Telefonnetz mit harten Bandagen.

Als russische Spezialeinheiten am 28. Februar begannen, auf der Krim die Kontrolle zu übernehmen, gehörten Telefongesellschaften und Internetprovider zu ihren ersten Zielen. Die staatliche ukrainische Telefongesellschaft Ukrtelecom berichtete, in mehreren Zweigstellen auf der Krim seien Telefon- und Internetkabel durchschnitten worden. Am Montag wurden auf der Krim die letzten ukrainischen Fernsehsender gestoppt und durch russisches Staatsfernsehen ersetzt.

Das spielt beim Schüren der Konfliktstimmung nicht nur in Russland, sondern auch bei den russischsprachigen Ukrainern auf der Krim und im Osten der Ukraine eine wichtige Rolle. Dmitrij Kiseljow vom Staatsfernsehen Rossija schimpft schon seit Monaten auf die Maidan-Demonstranten, die "in der Ukraine mit westlichem Geld Chaos und Anarchie säen". Mitte Februar bekam er für seine Erfolge an der Propagandafront von Präsident Wladimir Putin den Orden für "Verdienste um das Vaterland".

Russlands Staatsfernsehen zeigte am 2. März einen Bericht über angeblich 140 000 nach Russland kommende Ukrainer, die vor einer humanitären Katastrophe als Folge des Sturzes von Janukowitsch nach Russland fliehen würden. Tatsächlich zeigten die Bilder von Schlangen an der Grenze einen Übergang zwischen der Ukraine und Polen.

An diesem Montag dann berichteten russische Fernsehsender über angebliche bewaffnete Angriffe des ukrainisch-nationalistischen "Rechten Sektors" auf prorussische Demonstranten in Charkow, von denen nicht einmal lokale Medien etwas wussten. Die Prorussen ihrerseits besetzten am Montag im grenznahen Lugansk den Fernsehsender Irta, der kritisch über die Prorussen und ihre Hintermänner berichtete.

Auch im Internet tobt der Konflikt. Die Bochumer Internetsicherheitsfirma G-Data identifizierte ein offenbar in Russland entwickeltes Spionageprogramm namens Uroburos, das "auf Regierungsinstitutionen, Forschungseinrichtungen oder Unternehmen mit sensiblen Informationen zielt". Das Programm, Nachfolger eines bereits 2008 gegen das US-Verteidigungsministerium eingesetzten Programms, ist so raffiniert gebaut, dass es drei Jahre unentdeckt blieb.

Der englischen Sicherheitsfirma BAE zufolge, die mehr als 100 Fälle des Auftauchens von Uroburos und verwandter Programme untersucht hat, wurde die Ukraine allein 2014 bereits 14 Mal Zielscheibe des russischen Spionageprogramms - und die nachgewiesenen Fälle seien "wohl nur die Spitze des Eisbergs". Die Spezialisten von G-Data gehen davon aus, dass "das Entwicklerteam hinter Uroburos auch bereits ein noch fortgeschritteneres", bislang unentdecktes Spionageprogramm entworfen habe.

Russische Geheimdiensthacker werden auch hinter abgehörten Telefonaten von US-Diplomaten oder zuletzt zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und dem estnischen Außenminister Urmas Paet vermutet. Neben Spionage wird im Internet auch vergleichsweise offen gekämpft. Der ukrainische Sicherheitsrat meldete am 8. März verstärkte Denial-of-Service-Angriffe (DoS) auf Regierungsseiten und -computer. Bei diesen Attacken wird eine Webseite durch gleichzeitige Anfragen von Millionen Computern zum Absturz gebracht. Auch ukrainische Informationsseiten wurden angegriffen. Kiew erlebt zudem in den vergangenen Tagen immer wieder Zeiten, in denen die Internetversorgung kurzzeitig ganz ausfällt - zumindest bei einzelnen Providern.

Der US-Firma Renesys zufolge gibt es in der Ukraine aber mehr als 200 Internetprovider, die ihre Datendienste über acht gut ausgebaute regionale Knotenpunkte abwickeln. Zudem sind an den Straßen und Eisenbahnlinien der Ukraine mittlerweile Zehntausende Kilometer Glasfaserkabel für Telefon und Internet verlegt. Und: Auch ukrainische Hacker liegen nicht auf der faulen Haut. Russlands staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti wurde ebenso bereits von DoS-Angriffen getroffen wie die Website des russischen Regierungsfernsehens Russia Today.

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SZ vom 11.03.2014
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