Süddeutsche Zeitung

Krieg in Jemen:Jemen droht eine verheerende Hungersnot

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Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Der UN-Sonderbeauftragte für Jemen könnte die Hauptstadt Sanaa gerade zur rechten Zeit besucht haben: Womöglich gelingt es ihm, eine bevorstehende Schlacht um die Hafenstadt Hodeidah am Roten Meer abzuwenden, die verheerende Folgen für das ganze Land haben könnte.

Nach seinen Gesprächen in Sanaa mit politischen Vertretern der aufständischen Huthi-Milizen und vorangegangenen Treffen mit der international anerkannten Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi zeigte sich Martin Griffiths "ermutigt", den lange brachliegenden Friedensprozess wieder in Gang bringen zu können. Binnen zwei Wochen will er den UN-Sicherheitsrat über seine Pläne informieren.

Im Zuge schwerer Gefechte mit angeblich mehr als 200 Toten sind von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützte jemenitische Milizen jüngst 80 Kilometer von Süden entlang der Küste vorgerückt. Sie stehen nun zehn Kilometer vom Flughafen Hodeidahs im Distrikt al-Duraihimi. Die Kämpfer stellen drei jemenitische Milizen, die zwar verschiedene politische Ziele verfolgen, sich aber in ihrer Gegnerschaft zu den Huthis einig sind. Anwar Gargash, Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten in Abu Dhabi, schrieb am Donnerstag auf Twitter, der Sieg in Jemen sei "nahe". Die Huthis drohten, nun sei Abu Dhabi vor ihren Raketen nicht mehr sicher.

Der Hafen ist auch von strategischer Bedeutung für die Huthis

Der von den Huthis kontrollierte Hafen ist der größte des Landes und lebenswichtig für die Versorgung im ärmsten Land der arabischen Welt. Sollte er bei Kämpfen blockiert, beschädigt oder gar zerstört werden, wäre eine landesweite Hungersnot unweigerlich die Folge. Mehr als 22 der etwa 29 Millionen Jemeniten sind im vierten Jahr des Krieges auf humanitäre Hilfe angewiesen, mehr als 17 Millionen wissen laut dem UN-Nothilfe-Büro nicht, wo sie ihre nächste Mahlzeit hernehmen sollen. Über Hodeidah werden 70 bis 80 Prozent der Lebensmittel für das von Importen abhängige Land eingeführt.

Der Hafen ist zugleich von strategischer Bedeutung für die Huthis, die von Iran unterstützt werden. Eine Eroberung durch Truppen der von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien unterstützten Militärkoalition brächte diese ihrem Ziel näher, der international anerkannten Regierung wieder die Kontrolle über das Land zu verschaffen - einschließlich einer dann denkbaren Offensive auf Sanaa.

Saudi-Arabien und die Emirate haben die US-Regierung von Donald Trump um direkte militärische Unterstützung bei der Einnahme des Hafens gebeten, zugleich aber zugesagt, vorerst nicht ohne Einwilligung aus Washington mit der Offensive zu beginnen. Die Emirate schränkten allerdings ein, sie könnten nicht für die jemenitischen Gruppen garantieren. Quellen in Hodeidah bestätigen, dass die Milizen ihren Vormarsch vorerst gestoppt haben. Die Gründe sind jedoch unklar.

Die Huthis habe offenbar Minen gelegt und dürften erbittert um den Hafen kämpfen - gefangen zwischen den Fronten wären Hunderttausende Zivilisten in der drittgrößten Stadt des Landes. Eine Landungsoperation, die zur Einnahme des Hafens nötig wäre, ist zudem am ehesten bei Neumond möglich, der mit dem Fest des Fastenbrechens Mitte Juni zusammenfällt, das die Jemeniten eine Woche lang feiern und zu Familienbesuchen nutzen. Großbritannien hat sich offen gegen eine Offensive ausgesprochen, die US-Regierung warnte, sie unterstütze keine Operation, die wichtige Infrastruktur-Einrichtungen gefährde.

In dieser Lage könnte der UN-Sondergesandte den Ausweg weisen: Dem Vernehmen nach sondiert er die Möglichkeit, den Hafen Hodeidah unter internationale Kontrolle zu stellen. Das fordern Riad und Abu Dhabi seit Langem. Sie beschuldigen Iran und die Huthis, ballistische Raketen und Waffen durch den Hafen zu schmuggeln. Das halten westliche Diplomaten für übertrieben, weil alle Schiffe von der saudisch geführten Koalition kontrolliert werden. Allerdings verlangen die Huthis Zoll für kommerziell eingeführte Waren. Der UN-Sondergesandte, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Diplomaten, habe "die beste Chance seit einiger Zeit, Bewegung hineinzubringen". Scheitert er, droht Jemen eine Katastrophe.

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SZ vom 07.06.2018
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