Süddeutsche Zeitung

Außenpolitik:Mehr Frauen, mehr Frieden

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Von Jasmin Siebert, Berlin

Marie Juchacz, die als erste weibliche Abgeordnete vor 100 Jahren eine Rede im deutschen Reichstag gehalten hat, ist in den letzten Wochen oft in Reden zitiert worden. Dass sich ausgerechnet eine Unionspolitikerin auf die Sozialdemokratin bezieht, bei deren Auftritt damals das Protokoll "Heiterkeit" notierte, ist zwar ungewöhnlich - aber passend.

Als die Abgeordneten im Bundestag am Freitagmorgen über einen Antrag der Grünen über eine "feministische Außenpolitik" debattierten, sorgte allein schon der Titel für eine aufgekratzte Stimmung. "Ihr seid so berechenbar und - Entschuldigung - blöd", rief Elisabeth Motschmann, CDU-Abgeordnete und bekennende Feministin, den AfD-Männern zu, die ihre Rede immer wieder mit Zwischenrufen und "abschätziger Heiterkeit", wie sie es nannte, störten. Im Jahr 2019 scheint es noch immer ein Problem zu sein, wenn Frauen auch in männlich dominierten Politikfeldern eine gleichberechtigte Teilhabe fordern.

Geschlechtergerechtigkeit als Grundprinzip der Außenpolitik

Die Forderungen der Grünen: Rein weibliche Batallione sollen unterstützt werden, bei Friedensverhandlungen sollen mehr oder überhaupt Frauen am Tisch sitzen und Posten im Auswärtigen Dienst paritätisch besetzt werden.

"Frauen, Frieden, Sicherheit" - das ist auch die Agenda der Bundesrepublik für den UN-Sicherheitsrat, während sie dort für zwei Jahre als Mitglied vertreten ist. Die Bundesregierung fördert Projekte wie die Ausbildung von Rechtsberaterinnen in Pakistan oder Polizistinnen in Afghanistan. Den Grünen reicht das nicht. Dem Vorbild Schwedens folgend wollen sie "die Bedürfnisse von Menschen statt Staaten" in den Mittelpunkt rücken, heißt es in dem Antrag. Geschlechtergerechtigkeit soll zum Grundprinzip der Außenpolitik werden.

Dagegen hatten auch Rednerinnen von der Union nichts einzuwenden. Sie waren sich einig, dass die Grünen ein wichtiges Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Den Antrag lehnten sie aber trotzdem ab mit dem Verweis, dass die Regierung schon ausreichend Maßnahmen gestartet habe. Vielleicht liegt das Problem aber auch an der Wortwahl. Renata Alt von der FDP bezeichnete das Label "feministisch" als "überflüssig, manchmal sogar kontraproduktiv", dennoch wolle sie den Antrag unterstützen.

Sind Frauen an Friedensprozessen beteiligt, hält der Frieden länger

Das Thema ist ernst, wie die Statistik zeigt: Nur knapp 16 Prozent der deutschen Auslandsvertretungen werden von Frauen geleitet. Zwischen 1990 und 2017 waren nur zwei Prozent der Mediatoren in bedeutenden Friedensprozessen weiblich. Welch negative Folgen es hat, wenn Frauen am Verhandlungstisch fehlen, sieht man am Bosnienkrieg. Die Massenvergewaltigungen wurden nicht aufgearbeitet, laut einer Studie der Hilfsorganisation Medica Mondiale wurden Traumata und Stigmata inzwischen an die nächste Generation weitergegeben. Und das nicht nur bei Kindern, die durch Vergewaltigung gezeugt wurden.

Eine weitere Zahl, auf die auch die Rednerinnen im Bundestag immer wieder verweisen, stammt von UN Women, einer Einheit der Vereinten Nationen für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen: Sind Frauen am Friedensprozess beteiligt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Abkommen mindestens 15 Jahre hält, um 35 Prozent.

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