Süddeutsche Zeitung

Konservativen-Treffen in Washington:Wo alles unglaublich einfach ist

Lesezeit: 4 Min.

Die Steuerbehörde wird abgeschafft, Entwicklungshilfe gekürzt: Sechs Wochen vor der Kongresswahl heizen die Republikaner auf dem "Values Voter Summit" ihrer Basis ein. Etwa mit der Sorge, dass IS-Terroristen heimlich in die USA kommen könnten - über die mexikanische Grenze.

Von Matthias Kolb, Washington

Ted Cruz spricht wie ein Priester. "Ich bin überzeugt, dass Gott Amerika nicht im Stich lässt", ruft der republikanische Senator dem Publikum des Values Voter Summit zu. Wer Abtreibung, Sex vor der Ehe und Homosexualität ablehnt, ist hier richtig. Cruz will 2016 als Präsidentschaftskandidat antreten, aber vorher gilt es, die Kongresswahlen am 4. November zu gewinnen. "In 39 Tagen geht es um alles", ruft er. Wenn die Republikaner bald den Senat kontrollieren, könnten sie die Steuerbehörde IRS abschaffen und Obama zwingen, sich für "echte amerikanische Werte" einzusetzen.

Der 43-jährige Cruz sitzt erst seit 2012 im US-Senat, doch mit seiner kompromisslosen Art ( mehr in diesem SZ-Porträt) sorgt er für viel Aufsehen und ist somit der Star beim diesjährigen Values Voter Summit. Wer am lautesten auf die liberalen Medien, die korrupte Elite in Washington und US-Präsident Obama schimpft ("Er weiß alles über Marx und nichts über nationale Sicherheit") und anschließend ein Loblied auf die klassische heterosexuelle Ehe singt, der bekommt hier den größten Applaus. Kein Wunder: Das "Gipfeltreffen der Werte-Wähler" wird von der konservativen Lobbyorganisation Family Research Council organisiert. Offiziell ist der VVS parteipolitisch unabhängig, doch in der Realität tauchen dort keine Demokraten auf.

Doch in diesem Jahr wird auch viel über den Kampf gegen die Dschihadisten des selbsternannten "Islamischen Staats" in Syrien und im Irak gesprochen. Obamas Aussage, er habe "noch keine Strategie", wird gern zitiert. Noch öfter geht es um die Möglichkeit, dass IS-Terroristen über Mexiko in die USA kommen könnten. "Das ist eine riesige Gefahr und Obama tut nichts", dröhnt die Abgeordnete Michele Bachmann, die 2012 Präsidentin werden wollte. Sie habe als Mitglied des Geheimdienstausschusses seit langem gewusst, wie gefährlich der IS sei - Obama sei nur zu dumm, um dies zu erkennen.

Auch Dave Dewhorst, der Vizegouverneur aus Texas wiederholt Argumente, die seit längerem in konservativen Medien und vor allem im Talkradio zu hören sind. Washington müsse noch mehr in die Sicherheit der Grenzen investieren, um alle Amerikaner zu schützen, ruft Dewhorst. Natürlich sei es wichtig, den Schmuggel von Drogen und Menschen zu stoppen, doch niemand dürfe riskieren, dass IS-Terroristen über die Grenze in Texas oder Arizona ins Land kommen könnten. Dass das FBI, das US-Heimatschutzministerium sowie viele Experten dafür keine Anzeichen finden, stört viele im Publikum nicht - schließlich wird es bei Fox News ständig thematisiert.

Gewiss, es ist vor allem der rechte Rand der Republikaner, der sich drei Tage lang in dem riesigen, bunkerähnlichen Omni Shoreham Hotel in Washington versammelt. Im Eingangsbereich verteilen Abtreibungsgegner "I vote pro-life" Sticker, christliche Universitäten werben für ihre Studiengänge und jeder Besucher kann sich über "Instapray" informieren - mit dieser App kann man online nach Leuten suchen, um gemeinsam zu beten.

Doch es sind genau diese wertkonservativen, zumeist älteren Weißen, die mit den Anhängern der Tea Party-Bewegung den Vorwahlkampf der Republikaner prägen und viele Kandidaten zwingen, sich immer weiter rechts zu positionieren (wie etwa Mitt Romneys bei seiner Kandidatur 2012).

Diesem Publikum gibt Ted Cruz, was es verlangt. Seine Rede wird von dem Aktivisten Brent Bozell angekündigt, der mit einem Baby auf die Bühne klettert. Dies sei sein Enkel Max, sagt Bozell. "Es geht nicht um uns, sondern um Kinder wie Max und um ihre Zukunft. Das dürfen wir nicht vergessen." Und im Namen seines wenige Wochen alten Enkels überbringe er eine Botschaft: Ted, bewirbt dich 2016 um die Präsidentschaft!

Der so gelobte Cruz spricht bei seinem Auftritt sehr offen er über den Alkoholmissbrauch seiner Eltern. Sein Vater habe ihn als Dreijährigen mit seiner Mutter zurückgelassen und nach Texas gezogen, wo er nach einiger Zeit "zu Gott fand", Priester wurde und zu seiner Familie zurückkehrte. "Wenn mich jemand fragt, ob meine Beziehung zu Gott echt ist, dann sage ich: Wenn mein Vater sein Leben nicht in die Hand von Jesus Christus gelegt hätte, dann wäre ich nur von meiner Mutter erzogen worden", ruft Cruz unter stürmischen Beifall.

Für ihn steht fest: Wenn die Republikaner wieder Wahlen gegen die "extremen, radikalen Demokraten" gewinnen wollen, dann müssen sie felsenfest zu ihren Werten (Meinungsfreiheit, Recht auf Waffenbesitz, so wenig Einfluss der Bundesregierung wie möglich) stehen und eben nicht in die gesellschaftliche Mitte wandern.

Rand Paul macht gute Figur - Sarah Palin patzt

Neben Cruz bereitet sich ein weiterer Republikaner darauf vor, 2016 anzutreten: Senator Rand Paul aus Kentucky steht für eine libertäre Politik, die dem Individuum möglichst viel Raum geben will. Deswegen wird er von vielen wertkonservativen Republikanern skeptisch beäugt. In seiner Rede betont Paul, dass er Abtreibung strikt ablehnt. Er fordert mehr Solidarität mit Christen weltweit. Länder wie Pakistan oder Sudan, in denen Christen verfolgt werden, sollten "keinen einzigen Penny aus Amerika bekommen". Eine weitere Forderung: Arabische Staaten, die Israel nicht anerkennen, erhalten aus den USA keine Entwicklungshilfe mehr.

Scharf attackiert Paul den Mann, den er beerben will. Obama handele "wie ein König, der sich über den Kongress hinweg setzt". Der Präsident solle die Abgeordneten über die Militäraktionen gegen die IS-Stellungen in Irak und Syrien abstimmen lassen - der Kongress werde sonst entmachtet. Dass der Senator aus Kentucky freundlichen Applaus bekommt, darf Rand Paul als Erfolg werten. Andere potentielle Kandidaten wie Jeb Bush oder New Jerseys Gouverneur Chris Christie waren explizit nicht eingeladen worden.

Viel Applaus erhält auch Sarah Palin, die 2008 von John McCain zur Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin gekürt wurde. Jahrelang war Alaskas Ex-Gouverneurin die Ikone des konservativen Amerikas und begeisterte viele Tea-Party-Fans. Mittlerweile ist ihr Einfluss gesunken, doch Palin ist Profi genug, um 20 Minuten lang auf Obama und dessen Fans zu schimpfen. "Ihr seid das Amerika, das die Medien am liebsten hassen", ruft sie dem Publikum zu. Doch auch dieser Auftritt verläuft nicht ohne Panne. In der 1400 Pennsylvania Avenue sei die Wahrheit vom Aussterben bedroht, spottet Palin - und meint damit eigentlich das Weiße Haus. Doch leider befindet sich der Amtssitz des US-Präsidenten woanders - nämlich in der 1600 Pennsylvania Avenue.

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