Süddeutsche Zeitung

Konflikt mit Nordkorea:Trump spielt mit dem Feuer

Lesezeit: 3 min

Droht der US-Präsident Nordkorea wirklich mit dem Einsatz von Atomwaffen? Nicht unbedingt: Trump verwendet mal wieder eine seiner dramatischen Lieblingsphrasen. Fahrlässig ist die Aussage allemal.

Von Matthias Kolb

Bei Donald Trump lohnt es sich stets, sehr genau auf seine Worte zu achten. Der US-Präsident liebt starke Formulierungen, und entsprechend äußerte er sich während seines "Arbeitsurlaubs" im eigenen Golfclub zu den Fortschritten des nordkoreanischen Atomprogramms. Wörtlich sagte Trump: "Nordkorea hört besser mit den Drohungen gegen die USA auf. Sie werden mit Feuer und Wut beantwortet werden, wie die Welt es noch nicht erlebt hat."

Die Reaktionen sind entsprechend: Droht der US-Präsident hier mit einem Atomangriff? Ist Amerika zum Krieg bereit? Seit Monaten verfolgt die Welt nervös, wie sich das Verhältnis zwischen Washington und Pjöngjang verschlechtert - und nicht ohne Grund nannte Barack Obama in Gesprächen mit seinem Nachfolger Trump Nordkorea als "drängendstes Problem". Die jüngsten Raketentests des Kim-Regimes überraschen Experten in ihrer Professionalität, der Economist spielt schon besorgt durch, wie die USA in einen Krieg mit Nordkorea stolpern könnten.

Historiker weisen darauf hin, wie US-Präsident Harry Truman den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima kommentierte: Er sprach 1945 von einem "Regen der Vernichtung aus der Luft, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hat." Hat Trump, der keine Bücher liest und dessen Aufmerksamkeitsspanne bei vier Minuten liegt, also eine historische Analogie benutzt, um Nordkoreas Diktator Kim Jong-un zu drohen? Ohne Frage führt sein Statement zu einer weiteren hochgefährlichen Eskalation, aber es scheint genauso wahrscheinlich, dass Trump mal wieder drauflosgeredet hat und so für globales Chaos sorgt.

Trumps gefährlicher Hang zu Superlativen

Zu den aufmerksamsten Chronisten der Trump-Ära gehört Daniel Dale von der kanadischen Zeitung The Star. Er dokumentiert akribisch nicht nur jede der 500 (!) Trump-Lügen aus den ersten 200 Tagen im Amt, sondern kennt auch die Wortwahl des ehemaligen Reality-TV-Stars sehr genau. Und so betont Dale: Die Formulierung "the world has never seen before" benutzt Trump seit Jahren ständig.

Seit dem Wahlsieg spricht er gern davon, dass seine Anhänger "die größte Bürger-Bewegung" seien, "die die Welt jemals gesehen" habe. 2012 kommentierte er via Twitter, dass die Lebensmittelpreise ein Niveau erreichen könnten, "das die Welt noch nie gesehen habe". Als Kandidat sagte er der New York Times im Frühjahr 2016, dass China eine "Militärfestung" im Südchinesischen Meer aufbaue, "welche die Welt wohl noch nie gesehen" habe.

Und direkt vor seinem Nordkorea-Statement, das nun die ganze Welt beschäftigt, sprach Trump beim Pressetermin über die verheerende Suchtmittel-Epidemie in den USA ( Details hier), die seine Regierung bekämpfe: "Die Drogen dürfen nicht mehr eingeschmuggelt werden. Wir treten sehr, sehr stark an der Grenze im Süden auf. Ich würde sagen, dass dieses Land so etwas ganz sicher noch nie gesehen hat."

Ranghohe Demokratin: Trumps "bombastische Statements sind keine Hilfe"

Es ist unverkennbar: Dieser Präsident liebt die Superlative, er verspricht vieles, ohne Details und Abläufe zu kennen und ist sich weiterhin der Tragweite seiner Worte nicht bewusst. In den USA versuchen nun Sicherheitspolitiker wie John McCain, verbal abzurüsten. "Es ist nicht schrecklich, was er gesagt hat. Es ist seine typische Übertreibung", sagte der Republikaner einem Lokalsender in Arizona. Er wird der Analyse der Demokratin Dianne Feinstein ( "Der Präsident ist mit seinen bombastischen Statements keine Hilfe") zustimmen.

Wer wie Star-Reporter Dale mit Trumps Äußerungen gut vertraut ist, verweist auf einen Tweet aus dem Sommer 2013,als sein Vorgänger Barack Obama vom US-Kongress die Genehmigung für einen Angriff auf Syrien forderte - nachdem Giftgas-Einsatz war die von Obama gezogene "rote Linie" überschritten. Trump warnte davor, dass die "entsetzliche Entscheider" in unserer Regierung das Land in den Dritten Weltkrieg führen könnten.

Unabhängig ob sie ausnahmsweise von historischer Kenntnis zeugt oder durch typische Unachtsamkeit zustande kam: Trumps aktuelle Äußerung illustriert, dass der Einfluss seines neuen Stabschefs John Kelly begrenzt ist, sobald Kameras auf den Präsidenten gerichtet sind. Und sie zeigt, wie schwer es weiterhin ist, Trumps Aussagen (egal ob verbal oder digital) eindeutig zu interpretieren und entsprechende Schlüsse abzuleiten. Am Mittwochmorgen legte Trump erwartungsgemäß nach: Auf Twitter behauptete er falscherweise, allein für die Modernisierung der US-Nuklearwaffen verantwortlich zu sein und äußerte auch die Hoffnung, diese Atomraketen nie einsetzen zu müssen.

Dies macht den Konflikt mit der Irgendwie-schon-jetzt-Atommacht Nordkorea so brisant: Der unberechenbare US-Präsident widerspricht den Aussagen seines Außenministers ( "Wir wollen Nordkorea vermitteln, dass wir nicht ihr Feind sind") und keiner weiß, ob Trump bereit ist, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Dies birgt die Gefahr, dass Nordkoreas Führung unter dem jungen Kim Jong-un nun ebenfalls nicht mehr so rational reagiert wie bisher. Für Pjöngjang ist die atomare Bewaffnung die einzige Garantie, um vor einem Angriff geschützt zu sein ( mehr über die Logik der nordkoreanischen Position hier).

Die Gefahr, dass sich eine Seite provoziert fühlt und mit dem Einsatz militärischer Mittel reagiert, ist durch den Auftritt Trumps in seinem Golfclub in New Jersey auf alle Fälle größer geworden. Beide Staatschefs spielen mit dem Feuer.

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