Süddeutsche Zeitung

Junge Union: Kritik an Merkel:Mit Muttis harter Hand

Lesezeit: 2 min

Die Kritik der Jungen Union an Kanzlerin Angela Merkel bei Facebook ist verstummt. Der Urheber der Seite berichtet, er sei eingeschüchtert worden - von höchster Stelle.

Michael König

In der Jungen Union (JU) rumort es. Weil Kanzlerin Angela Merkel dem Deutschlandtag der CDU-Jugendorganisation trotz Zusage fernbleiben will und ihre Absage sehr kurzfristig kam, fühlen sich die Nachwuchspolitiker vernachlässigt. Ihrer Kritik machen sie im Internet Luft: Auf Facebook wurde die Gruppe "Aufstand gegen Mutti" ins Leben gerufen, die schnell Hunderte Mitglieder hatte.

Seit Donnerstagnacht ist die Seite jedoch nicht mehr aufrufbar. "Wegen einer Wartung", heißt es bei Facebook. "Bitte probieren Sie es in ein paar Stunden nochmals."

Der Gründer der Gruppe, ein JU-Mitglied aus Berlin, hat dafür eine andere Erklärung. Er vermutet, dass die CDU-Parteizentrale Druck ausgeübt hat, um die Seite vom Netz zu nehmen. Zu sueddeutsche.de sagte der Berliner, der anonym bleiben möchte, es habe im Konrad-Adenauer-Haus "mächtigen Ärger" wegen der Gruppe gegeben: "Das ging bis ins Büro von Angela Merkel."

Eine Mitarbeiterin des Büros der Parteivorsitzenden habe "über Dritte" Druck auf ihn ausgeübt - er solle die Facebook-Gruppe löschen: "Es gab einen Telefonanruf. Mir wurde ausgerichtet, dass es sehr, sehr unklug war, diese Seite online zu stellen." Er habe sie dennoch nicht gelöscht, sei aber aus der Gruppe ausgetreten und habe die Moderation an zwei JU-Kollegen abgegeben.

Bei der CDU-Pressestelle heißt es, über einen solchen Vorgang sei nichts bekannt. Aus dem Büro von Angela Merkel habe niemand den Initiator der Gruppe kontaktiert.

Auf der nächsten Seite: Merkels Internetkritiker wehren sich gegen das Image der Jungen Union als Jubelverein. Der JU-Vorsitzende Philipp Mißfelder versucht, die Gemüter zu beruhigen.

In der Beschreibung der Gruppe, die in der Kategorie "Gemeinsame Interessen - Politik" bei Facebook zu finden war, macht der Urheber seinem Ärger über Angela Merkel Luft. Die Absage der Kanzlerin, die als "Mutti" bezeichnet wird, sei "ein Zeichen von mangelndem Respekt gegenüber dem Engagement der Jungen Union und den Wahlkämpfern."

Es entstehe der Eindruck, "dass hier einer offenen Diskussion und Wahlanalyse aus dem Weg gegangen werden soll". Weiter heißt es: "Wir als Junge Union sind mehr als der 'Jubelverein', ein Heer günstiger Wahlkampfhelfer. Wir verstehen uns als 'Motor und Gewissen der CDU'."

Von Freitag bis Sonntag wird die Junge Union auf ihrem Deutschlandtag in Münster über die Wahl und die schwarz-gelbe Koalition debattieren. Mehr als 1000 Delegierte werden erwartet. Statt Angela Merkel wird als Hauptredner nun der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) erwartet. Zudem spricht Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU).

Merkel hatte ihre späte Absage mit den Koalitionsverhandlungen in Berlin begründet. Viele Jungunionisten vermuten, die Kanzlerin könne verärgert sein, weil die JU in einer "Münsteraner Erklärung" die Forderung nach einem "massiven Kurswechsel" und mehr Reformbereitschaft in der Gesundheits- und Rentenpolitik beschließen will.

Mehrere JU-Landesvorsitzende übten nach der Absage harsche Kritik an Merkel. Sven Volmering, Vorsitzender der JU in Nordrhein-Westfalen und Gastgeber des Deutschlandtages, bezeichnete die Absage als "Schlag ins Gesicht". Die Landesverbände Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland fordern in einem Initiativantrag, es müsse sofort einen Bundesparteitag geben, um das schlechte Wahlergebnis aufzuarbeiten.

Beschwichtigende Töne sind vom JU-Vorsitzenden Philipp Mißfelder zu hören. Er sagte zu sueddeutsche.de, es gebe "keinen Anlass zu glauben, dass die Absage inhaltliche Gründe hatte." Er habe mehrfach mit Merkel gesprochen und sei überzeugt: "Das war ein reines Terminproblem."

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