Süddeutsche Zeitung

Jemen:Terror auf dem Rollfeld

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Bei einer Attacke auf dem Flughafen von Aden sterben mindestens 30 Menschen, Dutzende werden verletzt. Sie wollten das neue Einheitskabinett begrüßen, das gerade gelandet war.

Von Paul-Anton Krüger

Männer in Uniformen und mit Fahnen haben sich auf dem Vorfeld des Flughafens von Aden versammelt. Sie warten auf eine Maschine der staatlichen Fluggesellschaft Yemenia. An Bord sind der Premier und die meisten Mitglieder des neuen Einheitskabinetts auf dem Weg zurück nach Jemen. Sie hatten zuvor in der saudischen Hauptstadt Riad vor Präsident Abd Rabbo Masur Hadi ihren Amtseid abgelegt.

Gerade steigen die Minister die Gangway hinunter, da hallt eine schwere Explosion über das Flugfeld in der Hafenstadt am Roten Meer. Dichter Qualm dringt aus dem Flughafengebäude. Dann folgt Feuer aus automatischen Waffen. Die Menschen rennen in Panik davon. Bilder zeigen Leichen und Verletzte am Boden, ausgebrannte Autos, Scherben und Trümmer von der Wartehalle.

Bis zum Mittwochabend werden mindestens 30 Tote geborgen, viele von ihnen Zivilisten. Sie hätten auf den nächsten Flug gewartet, sagten Gewährsleute in Jemen der Süddeutschen Zeitung. Mehr als 60 weitere Menschen wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Opferzahl könnte angesichts der rudimentären medizinischen Versorgung und der Schwere der Verletzungen noch weiter steigen.

Die Regierung beschuldigt die Huthis, die weisen das zurück

Die Regierungsmitglieder und der saudische Botschafter, Mohammed Said al-Jaber, der ebenfalls an Bord der Maschine war, wurden im stark bewachten Präsidentenpalast al-Mashiq in Sicherheit gebracht. "Wir und die Mitglieder der Regierung sind in der temporären Hauptstadt Aden, und uns geht es gut", schrieb Premierminister Maeen Abdulmalik auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Angaben erwiesen sich als nicht korrekt: Wie jemenitische Medien am Abend berichteten wurde ein stellvertretender Minister getötet, zwei weitere verletzt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte mit, zwei seiner Mitarbeiter seien getötet worden, ein dritter werde vermisst. Premier Abdulmalik betonte, der feige Terrorakt werde die Entschlossenheit der Regierung nur stärken und sei Teil des Krieges gegen den jemenitischen Staat.

Über den Ablauf der Attacke gab es unterschiedliche Angaben. Aus Sicherheitskreisen in Aden hieß es, mehrere Mörsergranaten seien auf den Flughafen gefeuert worden. Kommunikationsminister Naguib al-Awg sagte dagegen, er habe zwei Explosionen gehört und vermute einen Angriff mit Drohnen. Videoaufnahmen legen nahe, dass mehrere Geschosse auf dem Flugfeld eingeschlagen sind, möglicherweise Raketen. Die Gewalt der ersten Explosion könnte aber auch von einem zuvor platzierten Sprengsatz ausgegangen sein.

Präsident Hadi beschuldigte wie zuvor schon Informationsminister Muammar al-Eryanidie die Huthi-Milizen, für die Attacke verantwortlich zu sein. Diese hatten Hadi 2014 aus der Hauptstadt Sanaa und später ganz aus dem Land vertrieben. Damit begann der bis heute andauernde Bürgerkrieg, bei dem eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition arabischer Staaten auf Seiten Hadis intervenierte und gegen die von Iran unterstützten Huthis kämpft.

Die Huthis wiesen eine Verantwortung für die Attacke zurück. Sie hatten mit einem Raketenangriff auf eine Militärparade in Aden gezeigt, wozu sie in der Lage sind. Es gibt aber auch starke Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida und der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) in Jemen sowie eine Reihe anderer bewaffneter Gruppen, die der neuen Regierung nicht wohlgesinnt sind, darunter auch mit den Emiraten verbündete Milizen. Bis zum späten Abend hatte sich niemand zu dem Angriff bekannt.

Die neue Regierung umfasst nicht die Huthis, die Sanaa und den Norden des Landes kontrollieren, wo ein Großteil der etwa 30 Millionen Jemeniten lebt. Das Kabinett ist Teil einer von Saudi-Arabien im November 2019 vermittelten Vereinbarung, um den Konflikt zwischen dem Lager von Präsident Hadi und der im Süden starken Separatistenbewegung al-Hirak beizulegen.

Al-Hirak hatte zeitweise militärisch die Kontrolle über Aden und weite Teile des Südens übernommen und kämpfte mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate für eine neuerliche Abspaltung vom Norden; Jemen war erst 1990 wiedervereinigt worden. Hadi hatte gleich viele Vertreter aus dem Norden und dem Süden ins Kabinett berufen und band auch die den Muslimbrüdern nahestehende Islah-Partei ein. Demonstranten hatten in den vergangenen Wochen die Rückkehr der Regierung ins Land gefordert, die sie für Wirtschaftskrise und die Entwertung der Währung verantwortlich machen.

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