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Präsidentschaftswahl in Italien:Sechs Wahlgänge, null Ergebnis

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Italien tut sich schwer mit der Wahl eines neuen Staatsoberhaupts. Am Samstagmorgen gibt es einen neuen Versuch. Bei einem Treffen am Freitagabend sprechen das rechte und das linke Lager über eine mögliche Kandidatin.

Von Oliver Klasen

An diesem Samstag um 9.30 Uhr geht es nun weiter, Italien wählt einen neuen Staatspräsidenten, das heißt besser: die wahlberechtigten Politikerinnen und Politiker versuchen, einen Präsidenten zu wählen. Zum siebten Mal. Sechs Versuche waren bisher erfolglos.

Am Freitag erreichte die amtierende Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati im fünften Durchlauf 382 von möglichen 1009 Stimmen, 505 Stimmen wären nötig gewesen für Casellati, die der konservativen Forza Italia angehört, genau wie der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Berlusconi, mittlerweile 85, hatte sich zunächst auch als Kandidat ins Spiel gebracht, vergangenen Samstag aber seinen Rückzug erklärt, weil er sich kaum Chancen ausrechnete. Berlusconis offenes Liebäugeln mit dem Präsidentenamt ist nur eine der vielen Kuriositäten bei dieser Wahl, die viele Italienerinnen und Italiener zunehmend genervt verfolgen.

Eigentlich wird wegen der strengen Hygieneauflagen im Parlamentsgebäude nur ein Wahlgang pro Tag abgehalten, für diesen Freitag war jedoch noch ein zweites Votum angesetzt, um schneller zum Ziel zu kommen. Doch auch dieses scheiterte am Abend. 445 Abgeordnete enthielten sich, 336 stimmen für den amtierenden Staatspräsidenten Sergio Mattarella, obwohl der 80-Jährige eigentlich erklärt hat, für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen.

Wie verfahren die Situation ist, lässt sich möglicherweise auch daran erkennen, dass für Mario Draghi, den bisherigen Ministerpräsidenten, der als Favorit für die Präsidentenwahl gilt, nur fünf Stimmen abgegeben wurden. "Fumata nera" titelten die italienischen Zeitungen auf ihren Webseiten, schwarzer Rauch, so wie bei einer nicht erfolgreichen Papstwahl im Vatikan, die, wie man aus der Geschichte weiß, auch schon mal länger dauern kann.

Kompliziertes Wahlverfahren

Auf den ersten Blick funktioniert die Präsidentenwahl in Italien ähnlich wie in Deutschland. So wie mit der Bundesversammlung, die aus allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und einer gleich großen Anzahl von Abgeordneten besteht, die von den 16 Landtagen gemäß der jeweilen Fraktionsstärken bestimmt werden, gibt es auch in Italien ein von der Personenzahl her riesiges Gremium: 1009 Wahlberechtigte umfasst es. Beteiligt sind alle Parlamentarier aus dem Abgeordnetenhaus und dem Senat, der zweiten Kammer, zusätzlich jene Senatoren, die auf Lebenszeit ernannt wurden, sowie 59 Delegierte aus den Regionen.

In den ersten drei Wahlgängen wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig gewesen. Die kam in dieser Woche nicht mal ansatzweise zustanden. Vom vierten Wahlgang an hätte auch die absolute Mehrheit gereicht, eben jene 505 Stimmen.

Italien ist gespalten bei der Suche nach einem Präsidenten oder einer Präsidentin. Da weder das rechte noch das linke Lager über eine Mehrheit verfügt, muss eine Persönlichkeit gefunden werden, die beiden Seiten vermittelbar ist. Wegen der komplizierten Lage trafen sich am Abend die Parteichefs der Lega, der Sozialdemokraten und der Fünf-Sterne-Bewegung, die zusammen einen beträchtlichen Teil der Stimmen hinter sich vereinen. Lega-Chef Matteo Salvini sprach sich anschließend vor Journalisten für eine "tüchtige Frau" als Staatspräsidentin aus, ohne einen Namen zu nennen. Sterne-Parteichef Giuseppe Conte erklärte ebenfalls, auf eine weibliche Präsidentin zu hoffen. Es wäre ein Novum für Italien. Eine Staatspräsidentin gab es noch nie.

Mit Material der Nachrichtenagenturen

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