Süddeutsche Zeitung

Jair Lapid:Vom Fernsehmoderator zum Premierminister-Kandidat

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Er veröffentlichte Kinderbücher und Romane und moderierte das meistgesehene Nachrichtenmagazin Israels. Nun fordert Jair Lapid mit einem Wahlbündnis Regierungschef Netanjahu heraus.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Mit vereinten Kräften wollen sie Benjamin Netanjahu nach fast zehn Jahren aus dem Amt des Premierministers befördern: Benny Gantz und Jair Lapid treten im "blau-weißen Bündnis" zur Wahl am 9. April in Israel an. Mit Gantz' Unterstützung will es der 55-jährige Lapid ins Amt des Premierministers schaffen - auch wenn er im Falle einer Regierungsbildung die ersten zweieinhalb Jahre Gantz den Vortritt lassen und sich zuerst mit dem Außenministeramt begnügen muss.

Noch vor Kurzem galt der Chef der liberalen Zukunftspartei selbst als aussichtsreichster Herausforderer Netanjahus. Aber Gantz, Ex-Generalstabschef der Armee, hat ihm nach seinem Wechsel in die Politik den Rang abgelaufen. Die Umfragewerte von Lapid und seiner Partei gingen zurück, sodass er lieber eine Allianz einging.

Das neue Bündnis, das sich in der Mitte verortet, liegt in ersten Umfragen vor dem rechtskonservativen Likud Netanjahus. Ob es angesichts einer Rekordzahl von 47 Parteien, die zur Wahl antreten, für eine Regierungsbildung und Lapids Traumjob reicht, hängt von der Stärke der einzelnen Lager ab. In dieser Woche wird auch die Entscheidung über eine mögliche Anklage Netanjahus erwartet.

Im Führungsteam des neuen Bündnisses ist Lapid der Einzige, der nie General war. Gantz, Ex-Verteidigungsminister Mosche Yaalon und Ex-Generalstabschef Gabi Aschkenazi haben Militärkarrieren hinter sich. Lapid dagegen hat seine Bekanntheit der Tätigkeit als Journalist zu verdanken.

Vor seinem Einstieg in die Politik schrieb er für die von seinem Großvater mütterlicherseits mitbegründete Tageszeitung Maariv sowie deren Konkurrenz Yedioth Ahronoth. Populär wurde der grauhaarige Tel Aviver, der von manchen als eitler Schönling bezeichnet wird, als Fernsehmoderator des meistgesehenen Nachrichtenmagazins des Landes, Ulpan Shishi, im Privatsender Kanal 2.

Der dreifache Familienvater veröffentlichte auch Kinderbücher und Romane - insgesamt elf Titel. Seine Frau Lihi ist in Israel ebenfalls als Schriftstellerin und Kolumnistin bekannt. Seine Mutter Schulamit ist eine - auch in Deutschland gelesene - Autorin von Krimis.

Mit dem Wechsel in die Politik ist Lapid in die Fußstapfen seines Vaters getreten: Er gründete 2012 die liberale Partei Jesch Atid - was wörtlich übersetzt heißt: Es gibt Zukunft. Bei ihrem ersten Antreten 2013 schaffte es die Partei auf Platz zwei. Sein 2008 verstorbener Vater Josef, Tommy genannt, war Vorsitzender der säkular-liberalen Schinui-Partei und bis 2004 Justizminister und Vize-Premier und hat eher konservative Positionen vertreten.

Rotes Tuch für Ultrareligiöse

Und auch Jair Lapid bringt etwa im Sicherheitsbereich oft für einen Liberalen überraschende Forderungen vor. So verlangte er ein schärferes Eingreifen gegen die Hamas im Gazastreifen - was der weiter rechts stehende Netanjahu ablehnte.

Von Netanjahu wurde Lapid im März 2013 zum Finanzminister ernannt und im Dezember 2014 nach Konflikten seines Amtes enthoben. Dass Lapid trotz seines Wahlversprechens, auf sozialen Ausgleich zu dringen, als Minister ein Budget vorlegte, das vor allem für Menschen mit niedrigerem Einkommen Einschnitte bedeutete, enttäuschte Anhänger. Bei der Wahl 2015 verlor die Partei 5,5 Prozent und kam nur noch auf den vierten Platz.

Für die Ultrareligiösen ist Lapid ein rotes Tuch, denn er dringt seit Jahren darauf, dass auch streng religiöse Juden zum Wehrdienst müssen. Mit liberalen Vorstößen und Bildungspolitik hatte er es zuletzt im Parlamentsalltag schwer durchzudringen. Manche lästerten bereits, dass Lapid, das auf Hebräisch "Fackel" heißt, auf dem langen Weg zur Macht verglühe.

Er versichert, dass er darauf brenne, mit Gantz zusammen Israels Politik zu verändern. Eine Gemeinsamkeit entdeckten die beiden erst jetzt: Lapids Vater Tommy und Gantz' Mutter Malka lebten in Budapest im gleichen Wohnhaus, ehe sie vor den Nazis fliehen mussten.

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SZ vom 25.02.2019
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