Süddeutsche Zeitung

Nahostkonflikt:Warum Spanien einen "Friedensgipfel" ausrichten will

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In Madrid soll bald zwischen Israel und Palästinensern vermittelt werden. Ministerpräsident Sánchez wollte das beim EU-Gipfel unbedingt durchsetzen. Aber ob so ein Treffen etwas bringt?

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Nach der ägyptischen will sich auch die spanische Regierung daran versuchen, den israelisch-palästinensischen Konflikt durch eine internationale Friedenskonferenz zu beruhigen. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union stellten sich bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel in der Nacht zu Freitag hinter den Vorschlag ihres spanischen Kollegen Pedro Sánchez, "bald" eine solche Zusammenkunft abzuhalten. Sie soll dem Vernehmen nach in der spanischen Hauptstadt stattfinden.

Sánchez will damit an die Nahost-Konferenz in Madrid im Jahr 1991 anknüpfen, bei der sich arabische Staaten, die palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und Israel unter Vermittlung der USA getroffen hatten. Vor einigen Tagen hatte die ägyptische Regierung bereits in Kairo einen "Friedensgipfel" veranstaltet - allerdings ohne Israel.

Dass die anderen EU-Staaten den Vorstoß unterstützen, ist wohl ein Zugeständnis

In Brüssel sind die Erwartungen an eine Neuauflage der Madrider Konferenz nicht besonders hoch. Dass die EU-Länder das geplante Treffen im Abschlussdokument des Gipfels überhaupt unterstützten, war wohl der Preis dafür, dass Sánchez der Forderung nach humanitären "Pausen" bei den israelischen Militärschlägen gegen die Hamas in Gaza zustimmte.

Diese Formulierung, mit der lediglich kurze, zeitlich und lokal begrenzte Feuerpausen gemeint sind, um humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen, ist weitaus schwächer als die Forderung nach einem "Waffenstillstand", mit der Sánchez in Brüssel angekommen war. Nach stundenlangen Verhandlungen gab Sánchez nach - die Europäer einigten sich am späten Donnerstagabend, Israel zu humanitären "Pausen" aufzurufen. Zugleich tauchte im Abschlussdokument der Passus mit der Friedenskonferenz auf.

Spanien ist - neben Irland, Belgien und Luxemburg - einer der stärksten Unterstützer der Palästinenser in der EU. Die Forderung von Sánchez nach einem Waffenstillstand stieß allerdings bei Staaten wie Deutschland, Österreich und Ungarn auf Ablehnung, die an der Seite Israels stehen. Sie argumentieren, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Hamas habe - im Rahmen des humanitären Kriegsvölkerrechts - und Rufe nach einem Waffenstillstand verfrüht seien. Diese Länder waren daher nur bereit, die humanitären "Pausen" mitzutragen.

Eigentlich sollte Spanien Kompromisse fördern, statt mit Außenseiterpositionen zu stören

Dass Sánchez trotzdem beim EU-Gipfel mit dem Begriff "Waffenstillstand" hausieren ging, obwohl er wusste, dass er dafür keine ausreichende Unterstützung finden würde, stieß in Brüssel auf harsche Kritik. Die spanische Regierung hat derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne. Ihre Aufgabe wäre es, Kompromisse zu fördern, die einen Konsens aller 27 EU-Länder ermöglichen - nicht mit Außenseiterpositionen die Konsenssuche zu stören.

Eine Interpretation in Brüssel ist, dass Sánchez durch seinen demonstrativen Einsatz für die Palästinenser unter anderem versucht, innenpolitisch zu punkten. Der sozialdemokratische Regierungschef braucht nach der jüngsten Wahl in Spanien die Unterstützung von weit links stehenden potenziellen Koalitionspartnern, um weiterhin regieren zu können. Diese Parteien stehen den Palästinensern nahe und verurteilen Israels Militärschläge in Gaza heftig.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte nach dem Ende des Gipfeltreffens, die EU habe gezeigt, dass sie eine "klare, unmissverständliche" Haltung zum Krieg zwischen Israel und den Palästinensern habe. Ähnlich hatte sich zuvor bereits EU-Ratspräsident Charles Michel geäußert, der von "starker Einigkeit" sprach. Wie weit - respektive wie wenig weit - es mit Klarheit und Einigkeit in der EU tatsächlich her ist, machte am Freitagnachmittag dann allerdings der französische Präsident Emmanuel Macron deutlich: Er forderte in seiner Pressekonferenz in Brüssel einen "humanitären Waffenstillstand".

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